Am Pult stand Gabriele von Dehn, Schlagzeug und Percussion: Manuel Dreher, Markus Kaiser und Magdalena Römmelt

„Der Applaus des Konzertpublikums trägt uns über Wochen weiter- davon zehren wir lange Zeit“

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Das Jahreskonzert der Blaskapelle Hersching war wieder eine großartige Leistungsschau: Die 33 Musikerinnen und Musiker zeigten, dass sie auch sehr anspruchsvollen Aufgaben gewachsen sind: Elf Stücke hatte die Kapelle unter der Leitung von Gabriele von Dehn einstudiert. Die musikalische Krönung bildete das weltberühmte America von Leonhard Bernstein im hispanischen Stil mit lateinamerikanischer Perkussion und komplexen Cross-Rhythmen (höchstakuell mit dem Film-Dialog: „Das Leben ist in Ordnung in Amerika”/„Falls ihr alle weiß seid in Amerika“). Einen kleinen Beifallsorkan lösten natürlich auch das „Somewhere“ und „Maria“ aus der WestSideStory aus. Und ins Zeitalter der virtuellen ABBA-Auferstehung passte auch der „Rausschmeißer“ Gold. Der Beifall des begeisterten Publikums stellte die Statik der Nikolauskirche auf die Probe. Stichwort Probe: herrsching.online hat die Dirigentin Gabriele von Dehn, den Vereinschef und Klarinettisten Bruno Türk und den Finanzchef und Trompeter Klaus Wirries vor einer der vielen Proben zum Interview gebeten. „Der Applaus des Konzertpublikums trägt uns über Wochen weiter- davon zehren wir lange Zeit“, sagte die Dirigentin, die seit 20 Jahren am Pult der Blaskapelle steht.

Trompeter Klaus Wirries, Dirigentin Gabriele von Dehn und Vorstand und Klarinettist Bruno Türk.

herrsching.online: Hat Musik in Herrsching einen hohen Stellenwert, lieben die Herrschingerinnen und Herrsching Ihre und ihre Musik?

Türk (Klarinette, Vorstand): Bei Festen ist die Blaskapelle ein unverzichtbarer Bestandteil. Ohne Musik ist jedes Fest fad. Die Leute sind froh, dass wir unseren Beitrag leisten, ja sie sind sogar begeistert.

herrsching.online: In Herrsching gibt es eine große Musikschule, ein Indiz dafür, dass Herrsching die Musik liebt?

Wirries (Trompete, Finanzchef): Die Musikschule läuft in Herrsching ganz separat, wir gewinnen da keine Nachwuchsmusiker aus der Schule.

Türk: Die Musikschule bildet nur Querflöten- und Saxophon-Spieler aus. Andere Bläser werden da nicht unterrichtet. Deshalb profitieren wir leider überhaupt nicht davon. Und leider hat die Musiklehrervereinung auch Nachwuchsprobleme bei den Kindern.

herrsching.online: Wie oft treffen sich Mitglieder Ihrer Kapelle zum gemeinsamen Musizieren?

Türk: Wir treffen uns 70 Mal, darin enthalten sind bis zu 40 Auftritte – Ständchen klein und groß und natürlich auch Proben.

herrsching.online: Hat die Blaskapelle auch Nachwuchsprobleme?

Türk: Definitiv ja..

Von Dehn (Dirigentin): Mehr Nachwuchs wäre schon wünschenswert.

Wirries: Man muss das aber relativieren. Jugendliche machen bis 19, 20 mit, dann aber treibt sie der Beruf, das Studium in eine andere Stadt. Es ist leider unvermeidlich, dass wir hoffnungsvolle Talente durch den Wegzug verlieren. Deshalb ist es mein Bestreben, dass wir Leute gewinnen, die nach Herrsching ziehen. Und da sind wir durchaus erfolgreich: Wir konnten sechs Musikerinnen und Musiker gewinnen, die im „höheren“ Alter zu uns gestoßen sind. Zudem freuen wir uns über zwei Musiker, die in Rosenheim studieren. Wir schätzen uns glücklich, dass die beiden immer wieder nach Herrsching fahren.

Türk: Aber keine Frage, wir haben zu wenige Jugendliche.

herrsching.online: Welche Instrumente sind denn bei den Jugendlichen besonders beliebt?

Von Dehn: Das ist Wellen unterworfen. Zur Zeit sind Holzinstrumente beliebt, das tiefe Blech ist zur Zeit nicht so angesagt.

herrsching.online: Hängt ja auch von den Räumlichkeiten ab, die fürs Üben zur Verfügung stehen. Ich könnte mir vorstellen, dass Trompete-Spielen in einem Mietshaus schwierig werden könnte?

Wirries: Ich übe zu Hause im Heizungskeller mit dem Dämpfer.

Türk: Auch die Querflöten haben mitunter Probleme beim häuslichen Üben.

An der Tuba: Hartmut Groenda und Jakob Lishek

Von Dehn: Es kommt aber immer auf die Toleranz der Nachbarn an. Und Musik ist ja doch schöner anzuhören als Baulärm.

herrsching.online: Man hört immer wieder von Profi-Pianisten, die 8 Stunden am Tag üben. Wie lange übt ein Amateur, der in einer Blaskapelle spielt?

Von Dehn: Von Müssen sprechen wir nicht, weil Musizieren ein Hobby sein soll.  Wer Freude an der Musik hat, übt mehr. Meinen Schülern sage ich immer: Lieber fünf Minuten als garnichts, aber das bitte täglich. Trompete zum Beispiel ist sehr anstrengend. Und je fitter ein Musikant ist, desto länger kann er üben. Eine Trompete ist eigentlich ein Sportinstrument, das viele Muskeln beansprucht. Und wenn ich einem Schüler aufgebe, fünf Minuten am Tag zu üben, dann wachsen auch die Fitness und damit auch der Spaß. Und die Übungszeit wird von allein länger.

Türk: Man muss aber schon unterscheiden zwischen Schülern und Erwachsenen. Klaus Wirries zum Beispiel übt jeden Tag.

Wirries: Beim Üben gibt es einen schönen Nebenaspekt: Man vergisst sofort Probleme, Ärger oder Sorgen des Alltags, man denkt nicht mehr an die Arbeit oder andere Dinge. Deshalb lasse ich mir auch meine Dreiviertelstunde am Tag nicht nehmen.

herrsching.online: Dann müssten Sie ja der Star unter den Blechbläsern sein…?

Wirries: Wir stellen uns alle bescheiden hinten an.

Von Dehn: Ich lege großen Wert auf die Feststellung, dass alle Musikanten in unserer Kapelle wichtig sind. Deshalb lehne ich es ab, jemanden als Star zu bezeichnen.

Wirries: Jeder kennt vom anderen die Stärken und Schwächen. Deshalb darf man auch mal vor einem Auftritt sagen: Du,  heut ist nicht mein Tag, mach Du bitte heute die Erste Stimme. Es gibt zwar feste Strukturen in der Kapelle, aber es kommt durchaus vor, dass man einmal durchtauscht. So bekommt auch mal ein junges Mitglied, die Chance, die Erste Stimme zu spielen.

Von Dehn: Das ist durchaus mit dem Sport vergleichbar…

An den Flügelhörnern und Trompeten: Alexander Auhuber, Christophe Blanc, Susanne Haas, Alexander Schümann, Klaus Wirries, Dr. Clemens Helmbrecht, Xaver Renz, Heinz Süß und Andreas Türk. Posaune: Jürgen Pelz und Simone Rummel.

herrsching.online: Gibt es auch in einer Blaskapelle Hierarchien?

Wirries: Kann man nicht beantworten. Wenn bei zehn Musikern neun die Erste Stimme spielen und nur eine die Begleitung macht, gibt das eine furchtbare Musik. Wenn aber einer die erste und ein anderer die zweite Stimme spielt und acht begleiten, gibt das eine wunderschöne Musik. Beispiel Rolling Stones. Die Hintermannschaft wird viel zu wenig erwähnt. Auf die setzen sich dann die Solisten drauf. Wenn die Hintermannschaft anschiebt und einen Grund-Rhythmus gibt, wird’s gut werden. Wir sind zum Beispiel mit drei Posaunen besetzt, das ist mehr als mächtig, das schiebt die Musik an. Da kommt es auf die Flügelhörner  oder die Klarinette hin und wieder mal an, aber die anderen müssen übers ganze Stück die Leistung bringen.

Von Dehn: Ich sag’s noch einmal: Jedes Mitglied ist gleich wichtig.

herrsching.online: Was ist der Lohn für die harte Arbeit vor dem Konzert?

Von Dehn: Wenn das Konzert gelungen ist, dann fühlt sich das wie eine Befreiung an. Und natürlich ist es auch eine große Freude. Der Applaus trägt uns über Wochen weiter- davon zehren wir lange Zeit. Eine gewisse Anspannung vor dem Konzert ist natürlich unvermeidlich – unser Konzert in der Nikolauskirche ist schließlich der Jahreshöhepunkt für uns.

herrsching.online: Welches Stück ist das anspruchsvollste, das am meisten fordernde Stück im Konzertprogramm?

Von Dehn: Wir haben am meisten an Amercia gearbeitet. Sowohl rhythmisch als auch vom Ausdruck her ist es sehr anspruchsvoll.  Die Musikerinnen und Musiker haben mir die Rückmeldung gegeben, dass sie aus dem Stück sehr viel gelernt haben.

herrsching.online: Wie gehen Sie mit Fehlern um bei einem Konzert?

Von Dehn: Fehler macht jeder, und keiner absichtlich. Bei einem Live-Konzert passieren nun mal Fehler, bei Amateurmusikern und bei Profis. Und wenn man Fehler ganz ausschließen will, dann muss man ins Studio gehen.

herrsching.online: Gehören die Instrumente eigentlich den Musikern?

Wirries: Jungen Nachwuchskräften wird ein Vereinsinstrument zuerst einmal zur Verfügung gestellt. Wenn die Musikerin, der Musiker Spaß am Musizieren hat, wechselt er auf sein eigenes Instrument. Vom Musikerbund gibt es Hilfe, aber auch unser Verein bindet mit der Unterstützung junge Leute an die Blaskapelle.

herrsching.online: Sie spielen Trompete, Herr Wirries, was kostet denn ein schönes Instrument?

Wirries: Für 2500 Euro ist eine ordentliche Trompete zu haben.

herrsching.online: Was ist das teuerste Instrument?

Türk: Mit Abstand die Tuba. Da ist man schnell im fünfstelligen Bereich.

Wirries: Da hat der Musikbund auch Grenzen gesetzt bei der Unterstützung. Da gibt’s dann maximal 5000 Euro.

herrsching.online: Und eine schöne Klarinette, Herr Türk?

Türk: Zwischen 2000 und 4000 Euro.

herrsching.online: Wie kommt man eigentlich zu seinem Lieblingsinstrument, das man dann die ganze Karriere lang spielt?

Von Dehn: Ich habe Musik studiert. Mich hat die Erlinger Blaskapelle dann gefragt, ob ich dirigieren wolle. Ich hatte zwar von Musik Ahnung, aber gewiss nicht von einer Blaskapelle. Das ist inzwischen 40 Jahre her, mittlerweile habe ich mich ein bisschen eingearbeitet. Ich sage zu meinen Schülern immer: Lernt das Instrument, das euch gefällt. Wie war’s bei Dir, Klaus?

Wirries: Bei uns lag die alte Militärtrompete vom Opa in einer alten, hässlichen Kiste ohne Stoffpolsterung.  Aber sie hat sich Töne entlocken lassen. Und dann war’s halt die Trompete für mich.

Türk:  Bei uns zu Hause in Bad Tölz haben alle Kinder ein Instrument gelernt. Wir hatten ein Kurhaus mit Orchester, Instrumenten und Lehrern. Und so kam ich zur Klarinette. Ich hatte allerdings so ein schlimmes Instrument bekommen, dass es eine Plage war mit dem Ding. Erst mit einem neuen Schülerinstrument hat’s ein bisschen mehr Freude gemacht. Aber die richtige Freude kam erst auf, als wir in einer Gruppe gespielt haben. Der Einzelunterricht machte weniger Spaß. In München bin ich dann in eine Oberkrainer Gruppe gekommen, da begann dann der richtige Spaß.

herrsching.online: Wie lange sind Sie denn schon bei der Herrschinger Blaskapelle?

An den Querflöten und Saxophonen: Alexandra Bigge, Theresa v. Dehn, Dr. Svenja Dittrich, Christine Fogt-Groß, Regina Lauffer, Dr. Stephanie Lishek, Angelika Rupprecht, Elke Sommer und Bruno Türk.

Türk: Seit 1998, und 2000 habe ich den Vorstandsposten übernommen.

Von Dehn: Ich war bei den Aubachtälern, und bin dann nach Herrsching gewechselt…

Wirries: Da können wir uns glücklich schätzen. Es gibt nicht viele Kapellen, bei denen eine Dirigentin, ein Dirigent 20 Jahre lang am Pult steht. Ich bin vor 44 Jahren zur Blaskapelle gestoßen, habe aber 10 Jahre lang pausiert.

herrsching.online: Abschlussfrage: Wie bringen Eltern ihre Kinder zur Musik? Immerhin geht es ja nicht nur um ein Hobby, es geht auch um eine optimale Entwicklung für Kinder: Musizierende Kinder seien die besseren Schüler, sagt die Forschung. Ist das Motivation genug für Eltern, ihren Kindern Musik schmackhaft zu machen?

Von Dehn: Das ist ganz einfach zu erklären: Bei einem musizierende Menschen werden mehr Synapsen verknüpft. Musik fordert und fördert das Gehirm eines Menschen, das ist wissenschaftlich belegt. Aber einen Rat möchte ich Eltern doch noch mitgeben: Lasst das Kind selbst entscheiden, welches Instrument es spielen will. Denn bei jedem Musikschüler gibt es irgendwann einmal einen Tiefpunkt. Wenn das Kinder selber entschieden hat, genau das Instrument will in lernen, dann überwindet es diese Flaute. Denn Kinder spielen in ihrer Freizeit, und deshalb soll es auch Spaß machen. Wenn die eigene Motivation des Kindes über längere Zeit fehlt, muss man sich halt fragen, ob das Ganze noch Sinn macht. 

herrsching.online: Wie kann man ein Kind über diesen Tiefpunkt hinwegbringen?

Von Dehn: In dieser schwierigen Phase nimmt man im Unterricht halt Stücke, die das Kind besonders gerne mag. Hilfreich ist auch die Gruppe, und jetzt sind wir wieder bei der Blaskapelle. Allerdings braucht man schon ein, zwei Jahre, um in der Kapelle gut mithalten zu können.

Musik macht offensichtlich gute Laune: Die ganze Kapelle im Jubiläumsjahr.

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