Da war die Nachtruhe dahin: Gegen 9 Uhr abends platzte die Ampelkoalition. herrsching.online befragte die Ortsvorsitzenden der SPD und der FDP, Werner Odemer und Ursel Wrede, ob sie denn schon für den vorgezogenen Bundeswahlkampf gerüstet sind.
„Einen Wahlkampf können wir aus dem Stand heraus auf die Beine stellen“
herrsching.online: Können Sie den Bundestagswahlkampf, der jetzt wie ein plötzlicher Sturm über uns kommt, stemmen, sind Sie für eine Herrschinger Kampagne mitten im Winter gerüstet?
Odemer: Wir sind gerüstet für den Wahlkampf. Carmen Wegge, die bereits im Bundestag sitzt, wurde als Wahlkreiskandidatin gewählt. Für den Ortsverein ist eine Bundestagstagswahl ohnehin einfach, weil die Themen von Berlin gesetzt werden. Einen Wahlkampf können wir aus dem Stand heraus auf die Beine stellen.
herrsching.online: Ist das Ende der Ampel nun für Sie als langjährigem SPD-Mitglied eine Befreiung oder ein schmerzhaftes Ereignis?
Odemer: Weder noch. Die Entlassung von Lindner wurde einfach notwendig. Gefühle kommen da nicht auf, der Vorgang ist weder schmerzhaft noch dramatisch. Ich persönlich hätte es schön gefunden, wenn die Koalition noch durchgehalten hätte. Aber die drei Parteien hatten ja schon von Anfang an unterschiedliche Ziele. Ob es die FDP noch einmal in den Bundestag schafft, hängt nicht von den jetzigen Ereignissen ab, im Augenblick liegt sie bestenfalls bei vier Prozent. Ich persönlich wäre nicht traurig, wenn sie es nicht schaffen würde, sie hat uns schließlich genug Ärger gemacht. Ich schätze die FDP aber trotzdem als respektable Partei, die eine Berechtigung hat. Wenn man freilich glaubt, dass man nur noch mit Klientelpolitik erfolgreich sein kann, dann ist die Berechtigung natürlich futsch.
herrsching.online: Welche Erwartungen haben Sie an die nächste Bundestagswahl, wann immer sie auch stattfinden wird?
Odemer: Wir werden kämpfen. Aber es gibt natürlich viele Fragezeichen. Was zum Beispiel macht die BSW-Gruppierung, wird sie ein ernsthafter Gesprächspartner werden? Das Ziel muss auf jeden Fall eine SPD-geführte Regierung sein, das Ziel kann nicht heißen, Juniorpartner einer CDU-geführten Regierung zu werden.
herrsching.online: Plant die SPD Herrsching große Wahlkampfauftritte oder Aktionen?
Odemer: Wir sind bis Mittwoch dieser Woche von einem regulären Wahltag im nächsten Herbst ausgegangen. Aber ein Bundestagswahlkampf ist für einen Ortsverband ziemlich unkompliziert. Die Kandidatin ist gesetzt und auch auf der Bayernliste gut positioniert. Carmen Wegge hat in den letzten drei Jahren einen guten Job gemacht. Ich gehe davon aus, dass sie es wieder in den Bundestag schafft. Aber kämpfen müssen wir natürlich, die Umfragen für die Bayern-SPD liegen bei sieben, acht Prozent. Trotzdem gehen wir mit einer positiven Stimmung in den Wahlkampf. Ich mache mir keine Sorgen.
„Die FDP war die einzige Partei, die die Kohle zusammenhielt“
Die Vorsitzende des FDP-Ortsverbandes Herrsching, Ursel Wrede, sieht die Ursache des Ampelcrashs in der grundgesetzwidrigen Zumutung der Koalitionspartner an Christian Lindner.
Wrede. Die Koalitionspartner verlangten von Christian Lindler, dass er gegen das Grundgesetz handelt. Und das geht nicht. Die Schuldenbremse ist nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zu beseitigen, weil sie im Grundgesetz steht. Lindner hat immer klargemacht, dass er nicht gegen seinen Amtseid handeln kann. Er kann nur über den vom Grundgesetz erlaubten Rahmen Schulden machen, wenn ein Notfall vorliegt. Wir haben jetzt zwar Trump, aber der daraus resultierende Notfall kommt erst später. Wenn Trump der Ukraine weitere Hilfen verweigert, dann könnte man eventuell den Notfall ausrufen, aber soweit sind wir noch nicht.
herrsching.online: Die FDP hat sich mit eisernem Sparen positioniert. Reicht das?
Wrede: Ich habe Feedback von Freunden, die mir sagten: Die FDP war die einzige Partei in der Regierung, die die Kohle zusammenhielt. Wirtschaft hat auch viel mit Stimmung zu tun. Und wenn Sie den Bürgern suggerieren, dass sie jeden Tag mit irgendwelchen Subventionen rechnen können, dann denken die doch: Dann warten wir doch mal mit der Investition bis morgen. Das ist doch zu sehen bei den Subventionen für die Elektroautos, das ist so bei den Wärmepumpen. Habeck verspricht dauernd, dass der Staat bald Geld ausschüttet.
herrsching.online: Rechnen Sie wieder mit einem Einzug in den Bundestag?
Wrede: Ich glaube, wir haben eine realistische Chance.
„Verfassungs- oder Koaltionsbruch“
Paul Friedrich, Bundestagskandidat des Wahlkreises 223 (Starnberg Landsberg)
„Olaf Scholz hat Christian Lindner vor die Wahl gestellt: Aussetzung der Schuldenbremse aufgrund einer vermeintlichen Notlage oder Entlassung. Die Notlage ist meines Erachtens nicht gegeben. Olaf Scholz hat Christian Lindner damit vor die Entscheidung Verfassungs- oder Koalitionsbruch gestellt.“
Wer hat wohl die Bevölkerung und Wirtschaft geärgert? Ich formuliere es einmal so: Deutschland ist Christian Lindner einen Dank schuldig. Weil er mit einer regierungsunfähigen Regierung (Doppelwumms-Zeitenwende-Schlumpf Olaf und Märchenerzähler-Wärmepumpen-Fetischist Robert) Schluss gemacht hat. Diesen Schritt hätte Deutschland schon viel früher verdient gehabt.
Lieber Herr Keim.
Danke, dass Sie sich ausführlich und detailliert zu meiner Frage als FDP Gemeinderat äußern. Ich möchte Ihnen deshalb gerne antworten. Wenn ich richtig zitiere, dann lautet der Amtseid für die Minister der Bundesrepublik Deutschland folgendermaßen: „Ich schwöre, daß Grundgesetz und alle in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetze zu wahren und meine Amtspflichten gewissenhaft zu erfüllen, so wahr mir Gott helfe. Der Eid kann auch ohne religiöse Besteuerung geleistet werden.“ Art. 64 2 BBG Das ist sehr allgemein und impliziert keine genaue Handlungsanweisung in der finanzpolitischen Sache mit der Schuldenbremse. Bundeskanzler Scholz wollte die Begrenzung der Kreditaufnahme aussetzen. Das geht, weil die Sonderausgaben für die Bundeswehr und die Sonderzahlungen an die Ukraine den reguläre Haushalt für das kommende Jahr weit übersteigen. Herr Lindner überspannt mit seinem Vorwurf „den Bogen“ und beschuldigt Scholz unrechtmäßig. Er scheint mir mit seiner „kleinkraemerischen“ Art vorallem sich selbst zu helfen und nicht wie versprochen, der Bundesrepublik Deutschland.
Sie zitieren den Amtseid für Bundesbeamte. Ein Minister schwört denselben Amtseid wie der Bundespräsident und der Kanzler nach GG Art. 56.: „„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“
Neue Schulden sind eine Belastung für zukünftige Generationen, deren Nutzen heute noch nicht bestimmt werden kann und ihn ggf. schadet. Ganz abgesehen davon, kann der Kanzler hierüber auch nicht eigenmächtig befinden oder entscheiden, wie Sie es hier darlegen. In jedem Fall wird ein Überschreitungsbeschluss vom Parlament benötigt. Vielleicht hilft Ihnen diese Einschätzung von Prof. Dr. Dr. Armin Steinbach weiter. Prof. Dr. Dr. Armin Steinbach, LL.M., ist Inhaber des Jean Monnet Lehrstuhls für Öffentliches Recht und Rechtsökonomik an der HEC Paris. Zuvor leitete er von 2017 bis Mitte 2021 als Fachbeamter die Grundsatzreferate im Bundeswirtschaftsministerium und im Bundesfinanzministerium. Als von der SPD nominierter Sachverständiger gab er 2024 ein Gutachten für den Bundestag zur Schuldenbremse ab. Der ganze Streit hat ja eine Vorgeschichte, wie ich bereits erwähnt hatte. Er nennt das sogar Trauma:
„Nach alledem den Kanzler des Fauxpas zu bezichtigen, seinen Finanzminister zum Verfassungsbruch zu zwingen – nun ja. Man kann sowohl finanzpolitisch unterschiedlicher Auffassung sein wie auch verfassungsrechtlich die Kriterien enger ziehen wollen. Der Weg ist nicht ohne verfassungsrechtliche Risiken, aber er ist vertretbar. Nachvollziehbar ist jedoch auch, dass so mancher sein Trauma weg hat seit dem letztjährigen Urteil des BVerfG mit seinen verheerenden Auswirkungen auf die Haushaltsplanung. Aber dort ging es inhaltlich im Kern um die strikte Einhaltung der Grundsätze der Jährlichkeit, Jährigkeit und Fälligkeit im Staatsschuldenrecht. Nicht um eine Verengung der Inanspruchnahme des Überschreitungsbeschlusses durch den Haushaltsgesetzgeber.
Ob der Überschreitensbeschluss Realität wird, hängt angesichts der veränderten Lage nunmehr von der CDU/CSU ab. Auf ihre Stimmen käme es an. Ihre Treueschwüre an die Schuldenbremse lassen eine Einigung unwahrscheinlich erscheinen. Mit den sich abzeichnenden möglichen Koalitionskonstellationen nach Neuwahlen könnte jedoch schon bald eine grundlegende Reform der Schuldenbremse auf der politischen Agenda stehen.“
Lieber Alexander Keim, sie haben sehr richtig darauf hingewiesen, dass es verschiedene Amtseid gibt. Ich selbst habe als Junglehrerin einen Beamteneid abgeben müssen, der auch noch in meiner Pension gilt. Auch dieser Eid musste von mir immer wieder ausgedeutet werden, da er sehr allgemein formuliert ist. Herr Björn Hoecke hat diesen Lehrereid in Hessen für das gymnasialen Lehramt gegeben und besitzt ihn auch noch immer. Seine Interpretation unterscheidet sich von meinem Lehrereid aber fundamental.
Ich denke, dass wir jetzt mal besser darüber sprechen, ob Herr Lindner sich nicht zu oft, nicht an die Beschluesse in der Koalition gehalten hat.. Er hat immer sehr oft und sehr schnell in den Medien betont, dass er anders regieren will wie Scholz und Habeck.
Die FDP hat uns genug Ärger gemacht?
Leider ist festzustellen, dass die Herrschinger SPD offensichtlich auf dem gleichen fernen Planeten daheim ist, wie unser Herr Bundeskanzler und andere „Größen“ der Partei.
Lieber Alexander Keim, liebe FDP Wahlkaempfer, ich habe da eine Frage:Warum denkt Christian Lindner, dass eine Aufhebung der Schuldenbremse seinen Amtseid als Finanzminister betrifft? Dieser Vorwurf gegen den SPD Kanzler Olaf Scholz ist so gravierend, dass er am Beginn des Wahlkampfes geklärt werden sollte. Vielleicht hat Herr Londner da in der Sache mit dem Amtseid etwas falsch interpretiert und die Entlassung so provoziert.
Liebe Frau Körner. Das ist eine verfassungsrechtliche Frage, die von einige Faktoren abhängt. Einerseits muss zwingend eine außergewöhnliche Notlage vorliegen und der finanzielle Handlungsspielraum muss dermaßen eingeschränkt sein, dass eine Neukreditaufnahme oberhalb von 0,35% des BIP gerechtfertigt ist. Im Detail können nur ausgewiesene Rechtsexperten (wozu weder Lindner noch Arbeitsrechtler Scholz gehören) beurteilen, ob die Notlage aktuell gegeben ist oder 15 Mrd. Schuldenaufnahme bei über 900 Mrd. Steuereinnahmen tatsächlich einen Überschreitungsbeschluss erfordert hätten. In jedem Fall wurde dem Finanzminister nicht eingeräumt, den vom Kanzler vorgelegten Haushaltsentwurf inkl. Aufhebung der Schuldenbremse rechtlich prüfen zu lassen. Ich kann es sehr gut verstehen, dass CL nach dem Debakel mit dem Nachtragshaushalt 2021, der vom BVerfG nachträglich für nichtig erklärt wurde auf Nummer sicher gehen wollte. Stattdessen wurde ihm am Mittwoch direkt ein Ultimatum gesetzt nach dem Motto „Friss oder stirb“.
Aufgrund dieses machtpolitischen Verhaltens des Kanzlers reagiere ich empfindlich darauf, wenn lapidar behauptet wird, die FDP habe „genug Ärger“ gemacht. Christian Lindner hat sich im Gegensatz zu vielen Kollegen jahrelang auf den Job des Finanzministers vorbereitet und ihn gewissenhaft ausgeführt. Als aktiver Steuerzahler habe ich ein großes Interesse daran, dass es ein Ressort in der Bundesregierung gibt, dass einer willkürlichen Umverteilung unserer Abgaben die verfassungsrechtlichen Grenzen deutlich aufzeigt.
Der Vorwurf wird nun nicht abschließend geklärt werden, da es keinen Überschreitungsbeschluss geben wird. Herr Scholz kann sich nun bis zum Misstrauensvotum oder der Vertrauensfrage in Ruhe überlegen, wie er seine politischen Ziele noch erreichen kann. Viel Zeit bleibt da meiner Einschätzung nach nicht mehr.
Lieber Werner. Ich bin von Dir mehr Taktgefühl gewohnt. Papa Olaf hat dem kleinen Christian doch schon genug die Leviten gelesen. Alleine wird in Deutschland auf absehbare Zeit keiner mehr regieren können. Man kann der FDP ja wünschen, was man will, aber es gab und gibt durchaus unangenehmere Steigbügelhalter. Ich freue mich auf einen fairen, respektvollen Wahlkampf.
Lieber ein Ende des politischen Schreckens in der deutschen Politlandschaft, als ein freidemokratischer Schrecken ohne Ende. Jetzt muss der Waehler verantwortungsbewusst neu wählen und das ist gut so.