Das haben wir noch nie gesehen: Als die S 8 am Mittwochabend endlich wieder in Herrsching einfuhr, tanzte ein Mann vor Freude auf dem Bahnsteig (leicht euphorisiert durch Alkohol), ein anderer (siehe Bild) reckte vor Begeisterung die Arme in die Höhe: Herrsching ist seit Mittwochabend wieder ans S-Bahn-Netz angeschlossen. Eigentlich sollte nach einer 16-tägigen Unterbrechung die erste S-Bahn wieder in der Nacht auf Montag einlaufen. Dann aber geschah, was in Deutschland schon als Regelereignis gilt: Die Bauarbeiten wurden nicht rechtzeitig abgeschlossen.
Die Bahn reichte den Schwarzen Peter weiter an eine private Firma, die für die Erdungsarbeiten ist.Tatsächlich muss die stromführende Oberleitung geerdet werden. Zur Erdung werden die Schienenstränge verwendet. Deshalb führen alle paar hundert Meter Erdungsleitungen zu den Gleisen. Diese diffizilen Arbeiten, von denen die Sicherung des S-Bahnbetriebes abhängt, vergibt die Bahn an private Spezialfirmen. Und genau diese Firma hatte nach Bahnauskunft den Fertigstellungstermin gerissen. Die Bahn kündigte bereits an, dass sie rechtliche Schritte gegen dieses Unternehmen prüfe.
Dabei ging es nicht nur um Tausende von Pendlern und Schülern, sondern auch um viel Geld. Weil die Bahn mit einem Re-Start der S 8 in der Nacht auf Montag rechnete, hatte sie den Schienenersatzverkehr mit Bussen eingestellt. Am Sonntag mussten die Bahn-Manager auf die Schnelle Sammeltaxis organisieren, die natürlich viel zu wenig Kapazität boten.
Die Arbeiten im Westkreuz und in Weßling waren jedenfalls nicht der Grund für den geplatzten Fahrplan. Wie herrsching.online von einem Insider erfahren hatte, handelte es sich am Westkreuz vorwiegend um sogenannte „Kampfmittel-Sondierungen”: Weil die Bahn im übernächsten Jahr die S 8 und die S 6 mit mächtigen „Überwerfungsbauwerken” entkoppeln will, wird obligatorisch nach schlafenden Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg gesucht. Die Alliierten hatten bevorzugt strategisch wichtige Bahnstrecken bombardiert.
Diese Kampfmittel-Sondierungen sind extrem diffizil und zeitaufwendig. Wie ein Ingenieur herrsching.online erklärte, wurde dabei ein Bohrer etwa eineinhalb Meter in den Schotter getrieben. Dann suchte eine Sonde im Bohrloch nach metallenen Gegenständen in der Umgebung. Ist sie „sauber”, wird weitergebohrt, bis die Sonde in etwa 6 Meter Tiefe angekommen sind. Diese Sondierungen sind bei Großprojekten der Bahn vorgeschrieben. Offenkundig hatten die Bombensucher keine Treffer gelandet, weil die Arbeiten am Westkreuz bereits nach dem ersten Wochenende abgeschlossen waren.
Auch die Gleisarbeiten in Weßling waren pünktlich fertig geworden. Die Bahn hatte Journalisten auf die Baustelle eingeladen und versichert, dass man im Zeitplan sei. Dann die Panne mit den Erdungsarbeiten. Auf der offiziellen Bahnseite wurde am Dienstag versprochen: „Nach aktuellen Informationen ist mit der endgültigen Beendigung der Bauarbeiten am Dienstag, 5. November, in den frühen Abendstunden zu rechnen.“ Es hat dann aber doch noch 24 Stunden gedauert, bis sich die nagelneuen Bahnschranken in Herrsching das erste Mal schlossen.
Einen Schuldigen hatte eine Lautsprecherdurchsage am Montag gefunden: Die S-Bahn-Verbindung nach Herrsching sei wegen eines Polizeieinsatzes unterbrochen. Aha, dachte sich ein Herrschinger. Die Polizei ist mal wieder schuld…