Bäume haben inzwischen auch in Herrsching eine laute Lobby. Wenn unsere Schattenspender, CO2-Speicher und Ortsbild-Gestalter ins Visier der am amtlichen Pfleger geraten, schauen die Bürgerinnen und Bürger inzwischen ganz genau hin. So wie der Landschaftsingenieur Konrad Herz („Arbeitsraum Landschaft“), der jetzt die Behandlung der Kübelbäume aus der Summerstraße kritisiert.
Herz widerspricht auch der Baumfirma Treevolution („Zustands- und Gefährdungsbeurteilung“), die im Gemeinderat über die Kosten von Zugversuchen an Bäumen und die Preise für Neupflanzungen referierte. Herz: Eine Neupflanzung eines größeren Kastanienbaumes kostet bis zu 5000 Euro. Da könnte sich doch eine teure Pflegemaßnahme für einen Bestandsbaum lohnen.
herrsching.online: Bäume sind dank der neuen Achtsamkeit bei vielen Bürgerinnen und Bürgern keine grüne Dekoration mehr. Sie werden als wunderbare Lebewesen wahrgenommen. Man kann das vielleicht sogar mit dem neuen Tierschutzbewusstsein vergleichen. Beim Umzug der Kübelbäume von der Summer- in die Bahnhofstraße haben Sie Verstöße gegen die gärtnerischen Regeln beobachtet.
Herz: Wenn ein eingewachsener Baum umgepflanzt wird, dann muss der Baum am neuen Standort Lebensbedingungen bekommen, die das Weiterwachsen sicherstellen. So wie du keinen Massai in seiner traditionellen Bekleidung nach Grönland zur Robbenjagd schickst, so verpflanzt du keinen Baum, der am neuen Standort keine idealen Wachtumsbedingungen bekommt und dann noch mit Umpflanzen und den klimatischen Veränderungen klarkommen muss.
herrsching.online: Sind denn die „Neubürger“, die in den Kübeln der Summerstraße gezogen wurden, in der Bahnhofstraße nicht gut aufgehoben?
Herz: Zuerst einmal ist es schön, dass die Bäume aus den Kübeln rausgekommen sind. Schließlich reimt sich, so sagte mein Großvater, Kübel auf Übel. Die Bäume sind allerdings im vollbelaubten Zustand aus den Kübeln herausgenommen worden, ohne dass sie fachgerecht versorgt worden sind. Wenn die Bäume ohne Einschlag am Wochenenden und dann vollbelaubt bei 20 Grad durch den Ort gefahren werden, muss man keinem Laien erläutern, dass das nicht fachgerecht ist.
Eine ganz wichtige Vorgehensweise wäre gewesen, die Krone um mindestens ein Drittel zurückzuschneiden. Gepflanzt wurden die Bäume wie in einen Fingerhandschuh – einfach passend. Das ist nicht fachgerecht.
Du stirbst nicht gleich, wenn du bei drei Grad im offenen Cabrio durchs Schneegestöber fährst. Es ist aber doof. So ist es bei den Pflanzen auch. Man sollte mindestens eine sechs Kubikmeter große Baumgrube herstellen. Wenn die Baumgrube kleiner ist als der Kübel, ist das für den Baum nicht gerade eine Verbesserung zur Folge.
herrsching.online: Wie empfindlich sind Bäume gegen solche „Misshandlungen“?
Herz: Man hat bei der Bepflanzung der Kübel schon darauf geachtet, dass sie in diesem Habitat für einen begrenzten Zeitraum gedeihen. Nichtsdestoweniger sind die Pflanzen gestresst, wenn sie aus den Kübeln kommen. Insbesondere wenn die Bäume so fachfremd vom Bauhof behandelt werden. Bäume benötigen eine ideale Pflanzgrube. Ist das nicht der Fall, kümmern die Bäume und sterben schlimmstenfalls irgendwann ab, nicht heute oder morgen, aber übermorgen.
herrsching.online: Muss man von einem Bauhof-Mitarbeiter soviel Expertise erwarten dürfen, dass er alle Regeln einer fachgerechten Pflanzung oder Umpflanzung kennt?
Herz: Ja. Wenn ein Bauhof mit der Grünpflege betraut ist, muss er mit den Vorschriften und Normen vertraut sein. Außerdem gibt es ein Fachamt im Rathaus. Schließlich sollte der Bauhof Referenz gerade für den privaten Baumbesitzer sein. Der Privatmann, der Gewerbeunternehmer, der Auftragnehmer orientiert sich an der Qualität der Ausführungen des Bauhofs. Und wenn die Qualität nicht fachgerecht ist, kann man von den privaten Baumbesitzern kaum Besseres verlangen. Der Bauhof ist der Maßstab, und der Maßstab ist nicht gut.
herrsching.online: Auf Baustellen sieht man immer wieder rücksichtsloses Verhalten von Bauarbeitern gegenüber den Bäumen. Was sind die größten Sünden?
Herz: Das Überfahren des Wurzelbereichs mit schweren Baufahrzeugen. Dabei ist die Regelung ganz einfach: Man nimmt den Durchmesser der Baukrone und zusätzlich 1,5 Meter drumherum, und erhält einen Schutzbereich für die Wurzeln, in dem nichts abgelagert werden darf, und den man nicht überfahren darf. Und in diesem Bereich dürfen auch keine Erdarbeiten ausgeführt werden, es sei denn in Handarbeit oder mit Saugbaggern. Baumtraufe plus 1,5 ist tabu. Wenn man sich daran hält, macht man alles richtig. In unserer Gemeinde wird das weder bei Fremdfirmen eingehalten noch vom Bauamt gerügt beziehungsweise im Voraus durch fachgerechte Baustelleneinrichtung beachtet.
herrsching.online: Zeigt der Baum bald, wenn er durch unmäßige Belastung gequält wurde?
Herz: Am Rauscher Fußweg und Unteren Stocketweg mussten Bäume nach ein paar Jahren gefällt werden. Die Baumscheiben sind während der Neubaumaßnahme als Querungshilfe, Lagerplatz und Ort für Fundamente verwendet worden. Die Kronen sind sukzessive abgestorben, stellten dann eine Verkehrsgefährdung dar. Folge war nach drei Jahren die Fällung.
herrsching.online: Wenn die Baumscheiben zu klein geraten, gibt es zwangsläufig Fahrbahnschäden?
Herz: Über die Wohlfahrtswirkung von Bäumen muss nichts mehr erklärt werden. In zu kleinen Schuhen mag auch niemand bequem laufen. Der Wurzeldruck – siehe Promenade – wird durch die Einengung größer. Gehweg- und Fahrbahnschäden sind in Zukunft absehbar. Diese Reparaturen sind deutlich aufwendiger und teurer als die dauerhafte Vergrößerung der Baumscheiben.
Wenn man an den Autoparkplätzen neben der Straße hängt, könnten die sogar mit entsprechenden Wurzelbrücken erhalten werden. Natürlich ist die Ausführung einer solchen Vergrößerung mit besonderer Sorgfalt auszuführen.
herrsching.online: Der Baumexperte, der von der Gemeinde mit der Prüfung beauftragt ist, rechnete die Kosten einer Standfestigkeitsprüfung durch Zugversuche mit den Neukosten für eine Ersatzpflanzung an der Stelle eines gefällten Baums auf. Stimmt es, dass ein Zugversuch 700 Euro kostet, eine Neupflanzung dagegen nur 500 Euro?
Herz: Aber die Kosten für den Zugversuch gegen Neupflanzung zu verrechnen, geht nicht auf. Das ist vielleicht à la Methode „Bauhof“ für 500 Euro zu realisieren.
Aber richtigerweise müsste der bestehende Baum gefällt werden, der Wurzelstubben beseitigt und die Baugrube komplett erneuert werden. Das ist für 500 Euro in fachgerechter Ausführung nicht umsetzbar. Dazu noch ein adäquater Baum? Einschließlich eine dreijährigen Pflege, um der Gemeinde die Gewährleistung zu sichern!
Angenommen, man würde einen halb so dicken Kastanienbaum wie den bestehenden Baum pflanzen, würde der allein schon vom Transport her ein X-faches der 500 Euro kosten. Der Baum selber kostet zwischen 4.000 und 5.000 Euro..
Die Alternative (Kastanien kränkeln auf Dauer) wären zum Beispiel Spitz-Ahorn, mit denen man sukzessive die Kastanien tauschen könnte. Es würde ein Viertel der Kosten je Baum anfallen. Aber 500 Euro Neupflanzungskosten sind nicht seriös.
Ein Friedhof mit seinen Grabsteinen, Bäumen und Blumen ist eigentlich eine Parkanlage oder ein kleiner Garten, der uns ein Zeitfenster in die Vergangenheit öffnet. Wir erinnern uns. Wir denken an die Vergänglichkeit eines Menschenlebens. Zum Beispiel wurde der Wiener Zentralfriedhof aufgrund sehr bedeutender Verstorbener sogar zum touristischen „Highlight“. Ob der Breitbrunner Friedhof in Zukunft auch so bedeutend wird? Hoffentlich werden die Gräber aus diesem Grund nicht teurer. Das fände ich schade.