Herrschings Bahnhof – ein Sackbahnhof? Die Gemeinde hat zwar ein Konzept für das alte Haus, aber keinen, der die Sanierung bezahlen will. Der Gemeinderat will einen potenten Investor, der sich aber im engen Korridor sozialer Vorgaben bewegen soll. Nun meldet sich ausgerechnet der grüne Gemeinderat Gerd Mulert zu Wort. Weil die Gemeinde kein Geld mehr habe, müsse man vor Beginn der Planungen einen Gastronomen finden, der das 120 Jahre alte Gebäude nach seiner Fasson umbauen darf. Die Gemeinde solle ihm möglichst wenig reinpfuschen. Aber darf Herrsching seinen Ortskern ganz in private Hände geben? Und wenn ja, was macht der Gemeinderat, wenn plötzlich ein Fast-Food-Gigant um die Ecke kommt und statt Perlhuhn Pommes und statt Champagner Coca Cola serviert? Immerhin: Die Jugend fände es cool.
herrsching.online: Die Gemeinde plant, der Pächter zahlt. Funktioniert so eine Zusammenarbeit mit einem Investor?
Mulert: Man kann sich dieser Diskussion um den Bahnhof komplett entziehen, indem die Gemeinde alles finanziert. Selbst wenn die Gemeinde das will, sie könnte es gar nicht, weil sie kein Geld dafür hat. Also müssen wir uns auf den schwierigen Weg einlassen und öffentliche Gelder und privates Investment miteinander zu verbinden. Für mich ist dabei klar, dass privates Investment eine größtmögliche Rolle spielen sollte.
herrsching.online: Wie sagt man in Bayern? Wer zahlt, schafft aber an.
Mulert. Klar, das bedeutet in der Konsequenz, dass die Gemeinde weniger Mitspracherecht im Detail hätte. Wir können zum Beispiel nicht festlegen, wie groß die Küche sein soll.
herrsching.online: Damit gibt die Gemeinde ihre Aufgabe als Gestalterin aus der Hand.
Mulert: Natürlich muss die Gemeinde gewisse Aufgaben übernehmen. Sie muss das Objekt, das ihr gehört, soweit sanieren, dass ein Pächter das Haus dann übernehmen kann.
herrsching.online: Elektrik, Brandschutz, Statik, Heizung – das Haus muss zuerst mal grundsaniert werden. Das kostet vermutlich auch eine siebenstellige Summe.
Mulert: Natürlich, diese sogenannte Ertüchtigung muss der Gebäudeeigentümer leisten. Aber das gemeindliche Engagement endet schon bei den Themen Heizung, Lüftung und Licht. Das muss die Gemeinde nicht bezahlen. Diese Haustechnik kann ein privater Investor besser und billiger machen.
herrsching.online: Wenn ein Investor eine Million oder noch mehr Geld in die Hand nimmt, dann wird er wohl auch darüber bestimmen wollen, wie sein Etablissement aussieht, welche Zielgruppe das Restaurant anspricht, wer im Bahnhof verkehrt.
Mulert: Richtig. Aber wir sollten den Mut haben und dem Unternehmer vertrauen. Natürlich muss die Gemeinde gewisse Vorgaben machen, zum Beispiel günstige Preise einfordern. Aber final muss man es dem Gastronomen überlassen, was er mit dem Objekt macht. Ob er nun einen Luxustempel daraus macht, was ich nicht gut finden würde, oder eine Kneipe für alle.
herrsching.online: Es gibt ja auch Investoren, für die Geld keine Rolle spielt, die scheinbar günstige Preise haben und einen Treffpunkt für die Jugend bieten. Die schrauben aber dann ihr Firmenschild an die Hauswand, das mit Mc beginnt…
Mulert: Die Gemeinde ist immerhin noch Eigentümer des Bahnhofs. Ich würde nicht blauäuig und naiv in diesen Prozess einsteigen. Man kann sich vorher mit dem Investor zusammensetzen und einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss aushandeln. Vorher hat man über einen Ideenwettbewerb die besten Investoren gefunden. Wie kann ich als Gemeinde ein paar Leitplanken einziehen, die den Investor nicht behindern? Man könnte zum Beispiel eine Gastronomie verhindern, die nur auf Fast Food setzt.
herrsching.online: Was sagen die örtlichen Vereine, die sich präsentieren wollen, die eine kleine, intime Bühne suchen, die Begegnungsstätten brauchen? Der Seniorenbeirat hat ja schon seine Vorstellungen von einer sozialen Funktion des Bahnhofs vorgetragen.
Mulert: Ja, solche Wünsche kosten viel Geld, und das Geld ist nicht vorhanden. Also sind diese Wünsche unerfüllbar, so schön sie auch sind. Oder es gelingt den Organisationen, sich mit dem Investor zu verständigen. Auch das könnte ja funktionieren.
herrsching.online: Dann brechen wir die Hütte doch ab und verhökern das Grundstück an einen Immobilienentwickler…
Mulert: Das Gebäude ist denkmalgeschützt… Aber im Ernst, es gibt so viele kreative Gastronomen, die tolle Ideen haben. Und für die Haustechnik gibt es auch Investoren, die eine Sanierung finanzieren würden. Natürlich muss sich ein solches Engagement für diese Firmen auch lohnen.
herrsching.online: Letztlich läuft es auf die Entscheidung hinaus: Machen wir die Bürger mit einem Begegnungszentrum glücklich und ruinieren unseren Haushalt oder öffnen uns für profitorientierte Nutzungen, die den Haushalt nicht belasten, aber den Bürgerinnen und Bürgern nicht gefallen.
Mulert: Nein, das ist nicht so, weil es die Bürgerin, den Bürger nicht gibt. Und es gibt auch Leute, die sich gerne mal in gehobener Atmosphäre verwöhnen lassen wollen. Und für die Bürgerinnen und Bürger, die das nicht wollen oder können, sucht man halt eine andere Location.
herrsching.online: Wir suchen seit Jahren. Vor allem nach einem schlüssigen Bahnhofskonzept.
Mulert: Ja, es passiert nichts, und das ist das Schlimmste. Das ist eigentlich eine Katastrophe. Am Bahnhof hat sich seit Jahren nichts getan. Jetzt endlich haben wir mal einen ersten Überblick über die Kosten. Das bittere Erwachen kommt aber erst, wenn wir feststellen, dass wir kein Geld haben, die Pläne zu realisieren. Deshalb mein Vorschlag: Wir machen uns so schnell wie möglich auf die Suche nach den Investoren.
herrsching.online: Also erst Investoren suchen und dann planen?
Mulert: Ja. Nur die Statik und ähnliche Basisaufgaben bleibt die Aufgabe der Gemeinde.
Ein Herrsching das sich begegnet mit einem Ort der verbindet. Vielleicht passt da ja Fastfood ganz gut als Alternative.
Der Gemeinderat sieht hier ja nicht die Bürgerin oder den Bürger sondern das große Ganze, etwas zynisch wie ich finde.
Wäre eine Befragung vielleicht eine Alternative und welche Kosten gemeinsam finanziert werden könnten?
Dieser Beitrag zeigt, das Herrsching nicht in die Zukunft schauen will.
Der Titel suggeriert einen Verkauf des Bahnhofs und nicht den im Interview von Gerd Mulert propagierten Innenausbau durch einen zukünftigen Pächter der Gastronomie, was ich auch für Überlegenswert halte.