„Ohne Bebauungsplan gibt es keine baukulturelle Einflussnahme": Auf einer Seite der Schönbichlstraße (Foto) gilt kein Bebauungsplan.

Über die Bebauungspläne beugen sich die Planer

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Haben sich Grüne und Bürgergemeinschaft Herrsching (BGH) zu früh gefreut? Im Mai hatten die BGH, die Grünen und SPD-Mann Schneider die Bebauungspläne 11 und 12 gerettet. Die Rathausverwaltung wollte zusammen mit der CSU und der FDP „mehr Baurecht” schaffen, ein Bebauungsplan gilt für die beiden Fraktionen eher als Bauhemmnis denn als Gestaltungsinstrument. In der Bauausschuss-Sitzung am 16. September steht wieder eine „Grundsatzentscheidung” an.

Der gültige Bebauungsplan 11 umfasst laut amtlicher Beschreibung das Gebiet südlich der Nikolausstraße zwischen Schönbichlstraße, Schützenweg und Mühlfelder Straße, der Plan 12 die Zone zwischen Mühlfelder Straße, Schützenweg, Schönbichlstraße und Panoramastraße.

„Nicht noch ein Klein-Manhattan”

Die Gemeinderäte Rainer Guggenberger und Christoph Welsch hatten sich damals vehement für die Bebauungspläne eingesetzt. Guggenberger: „Ich bin dagegen, dass man in dem Gebiet noch ein Klein-Manhattan schafft.” Und Architekt Welsch argumentierte: „Wenn es keinen Bebauungsplan mehr gibt, werden sich die Bauwerber an den Bausünden der vergangenen Jahre orientieren.”

Für die Abschaffung der Bebauungspläne votierte im Mai FDP-Gemeinderat und Architekt Johannes Puntsch: „Ich verstehe die Angst vor dem Paragrafen 34 nicht, private Bauherren gehen sorgfältig mit den Baurechten um.”

Einzige Konzession der Bebauungspan-Freunde: Im Bebauungsplan 11 und dem benachbarten Plan 12 sollen jetzt mehr als 2 Wohneinheiten pro Haus erlaubt sein. Ein Bauherr darf also draufsatteln, anbauen und erweitern. Sinn der neuen Großzügigkeit: zusätzlichen Wohnraum schaffen.

Jetzt versucht es die Rathausverwaltung noch einmal, die beiden Bebauungspläne zu kippen – mit dezenter Schützenhilfe der Regierung von Oberbayern. Die „Erhöhung des Baurechts” sei „nur durch die Aufhebung der Bebauungspläne zu ermöglichen”, glaubt die Verwaltung.

Bezahlbarer Wohnraum in gehobenem Wohngebiet?

Dabei hatte die Regierung von Oberbayern gar keine Aufhebung der Bebauungspläne gefordert. Sie äußert sich sogar zufrieden darüber, dass durch die geplante Erhöhung des Baurechts „zusätzliche Wohneinheiten … ohne neuen Flächenverbrauch generiert werden”. So könne man durch die „Nachverdichtung ressourceneffizient, nachhaltig und bedarfsangepasst bezahlbaren Wohnraum schaffen”.

„Bezahlbar” ist in einem vornehmen Wohngebiet allerdings eine kühne Behauptung. Ob sich ein Busfahrer eine Dachgeschoss-Wohnung in einer noblen Gegend leisten kann, hängt von der sozialen Einstellung des Vermieters ab.

„Schwarzbau als Referenzgröße”

Wenn es keinen Bebauungsplan mehr für die Gebiete westlich der Schönbichlstraße gäbe, würde der berühmt-berüchtigte Paragraf 34 gelten: freies Bauen für freie Bürger.

Die Genehmigungsbehörden wollen lediglich wissen,

• was für eine Art der baulichen Nutzung und

• welches Maß der baulichen Nutzung beantragt wird und

• ob sich diese in die nähere Umgebung einfügt.

Der Bauausschuss einer Gemeinde und die übergeordnete Baubehörde im Landratsamt müssen also lediglich prüfen, ob sich die Bauvorhaben „in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen.” Ein Haus in der näheren Umgebung genügt als Bezugsobjekt, und sei es noch so scheußlich. Eine ehemalige Bürgermeisterin behauptet sogar, dass sich ein Bauwerber in Herrsching auf einen Schwarzbau in der näheren Umgebung bezogen habe.

„Ohne Bebauungsplan kein baukultureller Einfluss”

Der Paragraf ist deshalb so umstritten, weil er den Gemeinden nur

• schwache Steuerungsmöglichkeiten einräumt und

• keinen „baukulturellen Einfluss” erlaubt.

Stadt- und Gemeinderäte haben mit dem Paragrafen 34 also wenig Einflussmöglichkeiten, wie Matthias Simon, Referent für das öffentliche Baurecht beim Bayerischen Gemeindetag, im Interview mit herrsching.online einräumt. „ Der Paragraf 34 Baugesetzbuch hat in der Tat eine systemimmanente Tendenz zum langsamen Hochschaukeln. Eine Stadt, eine Gemeinde, die ihre Entwicklung nur über den Paragraf 34 Baugesetzbuch steuert, wird sich über die Jahrzehnte hinweg wahrscheinlich nachverdichten”, sagt Simon im Interview.

5 Comments

  1. ich frage mich, wie lange unsere Gemeinderätinnen und Gemeinderäte noch gut gelaunt und ohne zu murren ihre kostbare Zeit dafür opfern, dass ihre Entscheidungen in den Rathaussitzungen, nach langem zähen Ringen gefällt, immer wieder in Frage gestellt werden? Und das abgeschlossene Thema erneut auf der Tagesordnung erscheint?
    Inzwischen ist dies ja erschreckend oft der Fall? Genau so wie seinerzeit bei dem Thema:
    “Baumschutzverordnung”?
    Worauf können sich da eigentlich die Herrschinger Bürgerinnen und Bürger noch verlassen?

  2. Das Abstimmungsergebnis vom Mai für Bebauungsplaene wird offensichtlich weder akzeptiert, noch respektiert. Schon drei Monate später muessen die Gemeinderäte zur gleichen Sache erneut abstimmen. Vielleicht hat inzwischen jemand seine Meinung so schnell geändert. Ich lasse mich überraschen.

  3. Bei einem bestehenden B-Plan kann die Zahl der Wohneinheiten nicht im vereinfachten Verfahren gem. § 13 BauGB erhöht werden, da dadurch die Grundzüge der Planung geändert werden. Seitens der Gemeinde Herrsching wird nun vermittelt, eine Erhöhung der Wohneinheiten sei nur durch Abschaffung des bestehenden B-Plans möglich. Dies entspricht jedoch nicht den Tatsachen.
    Eine Erhöhung der Anzahl der Wohneinheiten kann auch durch eine Änderung des bestehenden B-Plans erreicht werden. Hierzu ist jedoch das Regelverfahren anzuwenden, also mit entsprechender Umweltplanung und Umweltbericht.

  4. Es erschließt sich mir nicht, welchen Sinn es machen soll, diese erst vor wenigen Jahren mit viel Mühe und vielen Kosten erstellten Bebauungspläne wieder abzuschaffen.
    Wer vorgibt, dass hierdurch mehr „bezahlbarer“ Wohnraum geschaffen wird, verschweigt, dass hier ganz andere Interessen bedient werden sollen.

    Der Sinn der Erstellung eines Bebauungsplans in einem gerade erst erschlossenen Neubaugebiet hat sich in der Zwischenzeit ja nicht geändert: Bebauungspläne verhindern städtebaulichen Wildwuchs, wie er leider an vielen Stellen in Herrsching zu besichtigen ist.

    Die Verschandelung des Ortsbildes von Herrsching ist schon jetzt nicht mehr reversibel und wird „dank“ fehlender Bebauungspläne weiter vorangetrieben und für viele, viele Jahre festgeschrieben.

  5. nein, der Busfahrer sowie Pflege- und Servicekräfte, oder Mitarbeiter des Bauhofs und weitere Angestellte aus Herrsching könnten sich die Mieten bestimmt nicht leisten. Profitieren würden, falls die Bebauungspläne doch wider Erwarten gekippt werden sollten, nur profitorientierte Grundstücksbesitzer und Bauherren, sowie Menschen mit überdurchschnittlich hohem Einkommen. Und dazu auch noch die immer weiter wachsende graue Betonlandschaft, für die alles Grün der Natur geopfert wird, und damit immer grossflächiger verschwindet. Nicht zu vergessen das zunehmend ansteigende Verkehrsaufkommen und alle damit verbundenen Schwierigkeiten.
    Das wird der Bau- U m w e l t- und Infrastrukturausschuss doch nicht zulassen oder?

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