Rita Mulert hat den grünen Ortsverband in Herrsching wiederbelebt. Möglich, sagt die ehemalige Gymnasiallehrerin, dass die Grünen sogar mit einer grünen Bürgermeister-Kandidatin in den nächsten Kommunalwahlkampf gehen.

Warum dieser Hass auf die Grünen?

11 mins read

Vor vier Jahren wanzten sich fast alle Parteien an die Grünen heran. Jetzt lösen grüne Themen Hass und Angst aus. herrsching.online fragte die Vorsitzende der Herrschinger Grünen, Rita Mulert, warum viele Leute allergisch auf die „Ökos” reagieren. Außerdem wollten wir wissen: Wie sieht die Erfolgsbilanz der grünen Rathausfraktion aus?

herrsching.online: In Sachsen sagte ein grüner Minister nach einer Wahl-Analyse, dass 30 Prozent der Wähler richtig Angst vor den Grünen hätten. Frau Mulert, was ist so angsterregend an Euch Grünen, dass man Angst vor Euch hat?

Mulert:  Vielleicht ist es die Angst, dass einem die Grünen etwas wegnehmen, von dem man glaubt, dass man es unbedingt braucht – zum Beispiel das Auto, die Atomkraft, die Ölheizung. Diese Angst ist natürlich irrational, denn die Grünen nehmen nichts weg, sondern sie wollen etwas weniger Sinnvolles durch Besseres ersetzen. Mit Kohle, mit Öl, mit Uran kommen wir nicht weiter, weil diese Rohstoffe nicht nur schädlich sind, sondern auch endlich. Mit der Atomkraft, die von konservativen Kreisen plötzlich wieder auf dem Wunschzettel steht, kommen wir nicht weiter. Den Abfall schicken wir nach La Hague. Ich war in La Hague und weiß, über was wir da reden. Dabei funktioniert die Energiegewinnung durch die Wind-und Sonnenkraft hervorragend.

herrsching.online: So gut, dass in Berg Windkraftgegner versucht haben, Feuer in einer Anlage zu legen…

Mulert:  Entsetzlich. Dabei wird niemandem etwas weggenommen, es wird nur durch Besseres ersetzt.

herrsching.online: Haben Sie persönlich schon Ablehnung oder gar Hass in Herrsching erlebt?

Mulert: Nein, noch kein einziges Mal.

herrsching.online: Monate vor der letzten Bundestagswahl hatten die Grünen Umfragewerte, von denen die SPD heute träumt. Was ist schief gelaufen bei den Grünen?

Alle haben Angst vor Hagel und Starkregen, trotzdem ist der Klimawandel kein Topthema mehr

Mulert: Das war damals die Zeit von Fridays for Future.  Damals haben mir Schüler gesagt, dass man wegen der Klimakrise gar nichts anderes als grün wählen könne. Und plötzlich stehen andere Themen im Vordergrund – völlig unverständlich, weil der Klimawandel immer sichtbarer wird. Der Sommer war wieder heiß und feucht, alle haben Angst vor Hagel und Starkregen, und trotzdem ist das Thema von den vorderen Plätzen der drängendsten Sorgen verschwunden. 

Klar ist auch einiges in der politischen Kommunikation schlecht gelaufen, wie zum Beispiel das Heizungsgesetz. Aber einen großen Anteil an der ganzen Aufregung haben auch die Medien.

herrsching.online: Selbstkritisch müssten sich die Grünen auch fragen, ob sie auf die falschen Themen gesetzt haben. Die Kandidatin für die Europawahl hat an ihrem Sprechpult für den Feminismus geworben. Und die Kampagne gegen das Gendern war der Wahlkampfschlager der AfD im Osten. So hängt man Männer und Mitte-Wähler ab.

Soziale Themen werden von den Grünen noch zu schwach betont

Mulert: Das sind Randthemen, die hochgejazzt worden; gerne auch von anderen. Ich fand das überbewertet. Unser zentrales Thema müssen Umwelt- und soziale Themen sein, wie zum Beispiel auch die Wohnungsfrage. Das wird vielleicht bei den Grünen noch zu schwach betont.

herrsching.online: …das Gendern ist bei den Grünen zur politischen DNA geworden, obwohl eine deutliche Mehrheit der Deutschen die Sprachverbiegung ablehnt…

Mulert: Ich mach’s auch, weil ich meine, auch die Frauen sollen sich angesprochen fühlen. Ich spreche aber beispielsweise von Bürgerinnen und Bürgern.

herrsching.online: Die jungen Wähler waren einmal eine sichere Bank für die Grünen. Jetzt haben 31 Prozent der 16 bis 24-Jährigen AfD gewählt. Warum ist Grün bei den Jungen nicht mehr hipp?

Mulert: Das sollten lieber junge Leute selbst beantworten.

herrsching.online: Kürzlich wurde eine Untersuchung bekannt, dass Jugendliche bis zu 60 Stunden in der Woche am Handy verbringen. Und dort sind sie schutzlos der AfD-Propaganda ausgesetzt.

Mulert: Keine Frage, dass die Grünen in den sozialen Medien besser vertreten sein müssen…

herrsching.online: Die Schule wirkt da wohl nicht als Korrektiv. Sind die Lehrer politisch indifferent?

Lehrer trauen sich zu wenig im Unterricht

Mulert: Nein, sind sie nicht. Das weiß ich aus dem Lehrerzimmer. Aber richtig ist auch, dass sie sich zu wenig trauen. Trauen ist vielleicht der falsche Ausdruck. Sie dürfen sich ja nicht politisch positionieren, aber im Biologieunterricht wird der Klimawandel ja zwangsläufig thematisiert. Ich habe deshalb von Eltern Briefe bekommen über die sogenannte CO2-Lüge. Ich habe mich aber gegen solche Anwürfe schon gewehrt. Unter den Biologielehrern war es jedenfalls Konsens, dass die Grünen die richtigen Themen in den Bereichen Umwelt und Natur setzen.

herrsching.online: Zurück zu den Grünen in Herrsching: Bei der letzten Kommunalwahl haben die Grünen im Kreis 29,8 Prozent der Stimmen geholt und lagen knapp hinter der CSU. Im Gemeinderat sitzen 7 Räte, die auf der Grünen-Liste ihr Mandat geholt haben. Haben die Grünen im Gemeinderat grüne Themen besetzt und erfolgreich durchgesetzt?

Mulert: Besetzt haben sie die Themen, durchgesetzt leider nicht im gewünschten Umfang.

herrsching.online: Welche Themen waren das?

Mulert: Zum Beispiel die Baumschutzverordnung…

herrsching.online:… eine Initiative von Pro Natur…

Mulert: Widerspruch, das Thema wurde von den Grünen auch gepusht. Dann haben die Grünen das wichtige Thema Energiewende und Erneuerbare ständig in Erinnerung gehalten. Bei jedem Bau hat Gerd Mulert sich für Photovoltaik eingesetzt und es gab Erfolge…

Es braucht auch eine wohlwollende Verwaltung im Rathaus

herrsching.online: … richtig. Trotzdem ist Herrsching im Ranking der Erneuerbaren Schlusslicht im Kreis. Erfolg sieht anders aus.

Mulert: Wundert mich schon, aber es braucht auch mehr Mitstreiter und eine wohlwollende, mitarbeitende Verwaltung. Aber die Grünen haben auch ökologische Bausünden wie eine Tiefgarage für den Kindergarten Fendlbach verhindert. Sie haben die Reform der Stellplatzsatzung betrieben…

herrsching.online:…die das Landratsamt dann gestoppt hat…

Die Grünen wollen preiswerte Wohnungen auf dem Bofrost-Gelände

Mulert… die Grünen haben vorgeschlagen, im Gewerbegebiet auf die Flachbauten Wohnungen draufzusatteln. Und sie wollen, dass auf dem Gelände der Bofrosthalle endlich einfacher Wohnraum für Menschen geschaffen wird, die wenig Geld haben.

herrsching.online: Wenn ich helfen darf: Es gibt 2 Fahrradstraßen, die auch auf Betreiben der Grünen geschaffen wurden…

Mulert: Eine wunderbare Sache. Dass nicht mehr gelungen ist, liegt auch an Gemeinderäten, die bei einigen grünen Themen nicht mitgezogen haben – und dabei meine ich nicht nur die CSU. Außerdem haben wir bei den Grünen keinen Fraktionszwang.

herrsching.online: Welche Ziele haben die Grünen für die restlichen eineinhalb Jahre?

Mulert: Es wird eine Agenda für diese Zeit geben, und das wird auch unser Wahlprogramm werden. Ein wichtiges Thema wird der Radverkehr in Herrsching werden.  Es müssten noch viel mehr Fahrradwege gesichert werden. Ein weiteres zentrales Thema ist der Bahnhof. Es gibt dafür längst Pläne für Cafes, den freigelegten Kienbach und eine grüne Lunge.

herrsching.online: Wie wär’s noch mit der Vision einer Flaniermeile in der Bahnhofstraße, die zu einem sanierten und wiederbelebten Bahnhof führt?

Mulert: Eine Bahnhofstraße als Einbahnstraße mit sozialen Begegnungsräumen wäre eine wunderbare Sache. Dass man wieder Lust hat, zu Fuß durch den Ort zu gehen. Und dann scheitern die schönen Bahnhofspläne an der Deutschen Bahn, die Grundstücke um das Gebäude herum nicht verkaufen darf. Manches ist schon frustrierend.

Es könnte auch eine grüne Bürgermeisterin werden

herrsching.online: Weil wir bei der Bahn sind: Nächstes Jahr soll die Machbarkeitsstudie für eine Bahnunterführung Rieder Straße vorliegen. Das wird wieder jahrelange Diskussionen auslösen?

Mulert: Ich bin ganz energisch gegen ein solch monströses Vorhaben. Eine Bahnunterführung würde den Ort trennen und dem Verkehr trotzdem nicht helfen, weil der sich dann halt wo anders staut. Ganz zu schweigen von dem vielen Geld, das da in Beton gegossen würde. Warum wurde die Schrankentechnik noch nicht optimiert, warum bleiben die Schranken so lange geschlossen? 

herrsching.online: Stellen die Grünen einen eigenen Bürgermeister-Kandidaten auf bei der nächsten Kommunalwahl?

Mulert: Soweit sind wir noch nicht. Es könnte aber auch eine Bürgermeisterin sein.

herrsching.online: Wir bedanken uns für das Gespräch.

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Aktuellste Meldungen

Anzeige