Claudia von Hirschfeld: „Mäßigungsgebot für Gemeindearchivarin ist kleinlich und deplatziert“

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Diskussion im Gemeinderat über eine Veranstaltung der Bürgergemeinschaft mit der Gemeindearchivarin Dr. Friederike Hellerer: Wie berichtet, lädt die Bürgergemeinschaft Herrsching am Sonntag, 16. Juni, um 16 Uhr ins Kino Seefeld ein. Gezeigt wird der Film The Zone of Interest. Gegen 18 Uhr treffen sich die Kinogänger dann im Bräustüberl zur Diskussion mit der Historikerin Hellerer. Der Bürgermeister wies in der Gemeinderatssitzung auf Nachfrage von Gemeinderätin Hannelore Doch darauf hin, dass es Bediensteten der Gemeinde nicht erlaubt sei, sich an politischen Veranstaltungen zu beteiligen. Schiller sagte, die Archivarin werde sich „bedeckt halten“, was die Umbennung der NS-belasteten Straßennamen Ploetz-, Erich-Holthaus- und Madeleine-Ruoff-Straße betrifft.

Erstmals nach ihrem Ausscheiden aus dem Gemeinderat meldet sich bei herrsching.online die Ex-BGH-Rätin Claudia von Hirschfeld mit einem Kommentar in der Öffentlichkeit. „Schade, dass bürgerschaftliches Engagement in Herrsching wieder einmal von „offizieller Stelle” zunächst mit Argwohn beäugt wird. Ist es nicht Aufgabe von Parteien und Bürgervereinigungen, die Teilhabe der Gemeindebewohner am kommunalpolitischen Leben zu fördern? Ist es nicht gerade nach dieser Europawahl, in der eine rechtsextreme Partei wie die AfD zur zweitstärksten Kraft in Deutschland gewählt wurde, eine dringend gebotene Aufgabe, mit Fachleuten zu unserer NS-Vergangenheit ins Gespräch zu kommen, dieses Fachwissen damit einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und gemeinsam ins Gespräch zu kommen?“ 

Die Sprecherin der BGH-Fraktion, Christiane Gruber, bekräftigte noch einmal, „dass wir uns die Veranstaltung am Sonntag in Seefeld nicht nehmen lassen“. Frau Dr. Hellerer sei die kompetenteste Gesprächpartnerin zu diesem Thema. Die Gemeindearchivarin ist von der Gemeinde als „geringfügig entlohnte Beschäftigte“ angestellt (offizielle Entlohnung: 538 Euro pro Monat).

Claudia von Hirschfeld ergänzt in ihrem Kommentar: „Wer Frau Dr. Hellerer kennt, der weiß, dass sie als Historikerin, die 2014 über das Thema „Die NSDAP im Landkreis Starnberg – von den Anfängen bis zur Konsolidierung der Macht 1919 – 1938” promoviert hat, für das Thema brennt und äußerst engagiert zum Thema des Nationalsozialismus Ausstellungen erarbeitet, in Schulen Vorträge hält, historische Spaziergänge anbietet und sogar auf Demonstrationen spricht. Wie kleinlich und deplatziert erscheint da aktuell der Einwand eines beamtenrechtlichen  „Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebots” seitens des Bürgermeisters vor dem Hintergrund vorübergehend auf Eis gelegter Anträge zu Straßennamen mit NS-Bezug.” 

Friederike Hellerer hatte Herrschings braune Vergangenheit während der NS-Diktatur dokumentiert. Um ihre Forschungsergebnisse ins kollektive Gedächtnis der Gemeinde zu rufen, hatte sie auf Einladung der SPD die besonders NS-belasteten Plätze in Herrsching bei einer Führung vorgestellt. Die damalige Veranstaltung wurde nicht beanstandet. Auch an der Diskussion in Seefeld, so Gruber, beteilige sie sich in ihrer Freizeit und nicht als Gemeindearchivarin.

13 Comments

  1. Ich darf daran erinnern, dass die Bürger zum Thema NS belastete Straßen in Herrsching in den Gemeinderatssitzungen ausgeschlossen wurden. Gilt das für Frau Dr. Hellerer nicht, wenn sie als Bürgerin an einer Veranstaltung zur NS Zeit privat teilnimmt? Ich meine damit nicht, dass sie ihre Vorträge und ihr Wissen im Rahmen solcher Veranstaltung nicht einsetzen darf. Im Gegenteil.
    Wenn es jedoch speziell um das Thema Straßen geht, kann man durchaus eine Zurückhaltung bzw. Mäßigung, insbesondere in laufenden Verfahren, erwarten.

    Natürlich sind die in Rede stehenden Straßen nicht im Privatbesitz der betroffenen Anwohner, die haben sich aber nun mal mehrheitlich gegen die Umbenennung ausgesprochen. Wenn die Mehrheit entscheidet, dann erwarte ich auch, dass die Mehrheit die Kosten übernimmt, in dem Fall die Gemeinde. Die Anwohner können schließlich auch nichts dafür, dass sie in diesen NS belasteten Straßen wohnen. Im Falle der Umbenennung sind aber dann auch Grundstücksschenkungen rückgängig zu machen, aus (doppel)-moralischen Gründen.
    Und nein, meinen Klarnamen gebe ich aus persönlichen Gründen nicht preis.

  2. Liebe Frau Boeckelmann, ich beziehe mich mit meiner Meinung zur Verantwortung des gesamten Gemeinderates auf den Beitrag von Frau von Hirschfeld. Sie spricht sogar von einer gemeinsamen Verantwortung der Wissenden in der Sache Faschismus und braune Vergangenheit in Herrsching.
    Nun zur Verantwortung der einzelnen Gemeinderäte in der Gruppe als gesamter Gemeinderat. Die Abstimmungen in den Versammlungen sind immer Gruppenentscheidungen zu denen jeder mit seiner Einzelentscheidung beiträgt. Das Merkmal dieser Gruppenentscheidungen ist, dass das endgültige Ergebnis nicht von der Einzelperson bestimmt wird, sondern einer kollektiven Anstrengung der Gruppen mitglieder (Gemeinderäte) entspricht. Jeder einzelne Rat sollte sich bewußt sein, dass er für dieses Ganze steht und die Gesamtheit des Ratsbeschlusses dem Bürgermeister beratend helfen soll. Ich freue mich schon auf morgen und komme zur Diskussion nach Seefeld.

  3. Schade, dass bürgerschaftliches Engagement in Herrsching wieder einmal von “offizieller Stelle” zunächst mit Argwohn beäugt wird. Ist es nicht Aufgabe von Parteien und Bürgervereinigungen die Teilhabe der Gemeindebewohner am kommunalpolitischen Leben zu fördern? Ist es nicht gerade nach dieser Europawahl, in der eine rechtsextreme Partei wie die AFD zur zweitstärksten Kraft in Deutschland gewählt wurde, eine dringend gebotene Aufgabe, mit Fachleuten zu unserer NS-Vergangenheit ins Gespräch zu kommen, dieses Fachwissen damit einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und gemeinsam ins Gespräch zu kommen?

    Wer Frau Dr. Hellerer kennt, der weiß, dass sie als Historikerin, die 2014 über das Thema “Die NSDAP im Landkreis Starnberg – von den Anfängen bis zur Konsolidierung der Macht 1919 – 1938” promoviert hat, für das Thema brennt und äußerst engagiert zum Thema des Nationalsozialismus Ausstellungen erarbeitet, in Schulen Vorträge hält, historische Spaziergänge anbietet und sogar auf Demonstrationen spricht.

    Wie kleinlich und deplatziert erscheint da aktuell der Einwand eines beamtenrechtlichen “Mäßigungs- und Zurückhaltungsgebots” seitens des Bürgermeisters vor dem Hintergrund vorübergehend auf Eis gelegter Anträge zu Straßennamen mit NS-Bezug.

    Um die Frage zu beantworten:

    Ja, es ist richtig und wichtig, dass Frau Dr. Hellerer ihr Wissen mit möglichst vielen Menschen teilt und wir gemeinsam Verantwortung für unsere Gemeinde, damals wie heute, übernehmen.

  4. Die Schmierenkomödie um Herrschings NS-Vergangenheit wird immer absurder. Sich selbst hat der Gemeinderat verordnet, das Thema „ruhen zu lassen“. Da soll wohl stillschweigend ein Deckmäntelchen über die braune Vergangenheit gebreitet werden. Aussitzen, verschweigen, vergessen, ist das der Plan? Informationsangebote an die Bevölkerung: nicht so erwünscht. Gut, dass nicht alle das Denken freiwillig einstellen.
    Wer sonst, wenn nicht die erwiesene Expertin zu diesem Thema in Herrsching sollte hier informieren?
    Das rechtsextreme Spektrum ist politisch auf dem Vormarsch und Vertreter:innen des Gemeinderats monieren ein Info- und Diskussionsangebot zu Herrschings NS-Vergangenheit. Ich finde diese Nummer einfach nur höchst peinlich für Herrsching und mir wird Angest und Bange, wenn ich an das irgendwann kommende Abstimmungsergebnis zu den Straßennamen denke.

  5. Es sollte von der Kommunalaufsicht in Starnberg geklärt werden, ob der von Herrn Schiller verhängte „Maulkorb“ rechtmäßig ist.

    • Das „Maessigungsgebot“ gilt für Beamte und den oeffentlichen Dienst nur im Amt. Ausserhalb und privat darf auch der Beamte sich, wie jeder andere Buerger, politisch und gesellschaftlich engagieren und auftreten. Welches Signal will die Herrschinger Gemeinde da eigentlich an uns alle aussenden? Sollen wir alle uns nicht für die Ortsgeschichte und damit auch die national sozialistische Zeit interessieren und möchte der Gemeinderat still und heimlich, ohne uns Bürger, entscheiden, wie man eine faschistische Zeit aufarbeitet? Warum sind unsere gewählten Vertreter in Herrsching gegenüber der Bevölkerung so misstrauisch? Ich denke, bei der naechsten Wahl sollen dann mal nicht wir die Vertreter wählen, sondern der Bürgermeister und die Gemeinderäte die Bürger und ein anderes Volk. Vielleicht klappt es dann mit der Demokratie.

      • Wieso „der Gemeinderat“? Warum werfen Sie alle Mitglieder dieses Gremiums in einen Topf???
        Davon abgesehen, gingen die Bedenken bezüglich der Teilnahme von Frau Hellerer meines Wissens allein vom Bürgermeister als ihrem „Dienstherrn“ aus.
        Tatsache ist leider auch, dass sich die große Mehrheit der Bewohner der betroffenen Straßen gegen eine Umbenennung ausgesprochen hat. Als nicht Betroffene(r) hat man es natürlich einfacher, dafür zu sein.

        • Hallo Frau Boeckelmann, worin sehen Sie genau die Betroffenheit der Umbenennung eines Straßennamens für die Anwohner? Sind Straßennamen der Besitz der Anwohner ueber die sie ganz privat, ohne die Ortsgemeinschaft bestimmen dürfen und sollen? Bedenken Sie doch, ob angesichts neuer rechtsradikaler und antisemitischer Tendenzen in unserer Gemeinschaft diese Umbenennung das richtige politische Zeichen ist. Übrigens sind mehrheitliche Entscheidungen des Gemeinderates immer auch in der Verantwortung aller Gemeinderäte und jeder Einzelne traegt gemeinsam die beschlossenen Inhalte. Sich da herauszuhalten scheint mir Selbstbetrug.

          • Antwort auf eine Mailanfrage an mein Statement… Gerd Kloos fragt mich, ob ich für oder gegen eine Umbenennung der nationalsozialistisch belasteten Straßennamen bin.
            Nun zur Erklärung. Ich bin für die Umbenennung. Aber ich toleriere, dass jemand die Namen beibehalten will. Was mich sehr verärgern ist aber, dass man Frau Hellerer in der Veranstaltung am Sonntag um 18 Uhr ein „Maessigungsgebot“ auferlegen will. Ich meine, dass wir Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst nur dann ein Redeverbot haben, wenn wir staatsgefaehrende, antidemokratische politische Ansichten öffentlich vertreten. Ein krasses Beispiel sind Reichsbürger, die als Juristen im Dienst sind.

          • Liebe Frau Körner, schade, dass aus meinem Kommentar nicht klar geworden ist, dass ich selbstverständlich eine Umbenennung der Straßen begrüßen würde. Selbst würde ich auch nicht länger einen belasteten Straßennamen in meiner Adresse haben wollen. Aber ich wohne nicht in einer dieser Straßen, und es gibt eben auch nachvollziehbare Einwände gegen die Umbenennung.
            Ihren letzten Satz verstehe ich leider überhaupt nicht („jeder Einzelne trägt gemeinsam die beschlossenen Inhalte……“ usw.)
            In einer Demokratie gelten Mehrheitsentscheidungen, die die unterlegene Minderheit, wenn auch manchmal zähneknirschend, zu akzeptieren hat. Wieso diese Minderheit dann für solche Mehrheitsbeschlüsse haftbar gemacht werden soll, erschließt sich mir nicht.

        • Die Bedenken gegen die Teilnahme von Frau Hellerer wurden zunächst von einer Gemeinderätin der CSU artikuliert. Woraufhin ein Gemeinderat der FDP ihr sofort beipflichtete. Erst dann folgten die Äußerungen des Bürgermeisters.

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