• Regisseur, Schauspieler und Dramaturg: Alexander Tropschug als Kaminkehrer, der viel Dreck unter den Teppich kehrt. Fotos: Gerd Kloos
  • Vollversammlung beim Wirt Prostecker (Robert Brack; links) mit Bürgermeisterin (Renate Bartsch), Bürgermeister (Rainer Bartsch), Viehhändlerin (Ulli Hanisch), Großbauer (Andreas Stamp), Schneider und Weiberheld (Christian Diusztus), Landrätin (Claudia Czasny) und Finanzrat (Uli Nett).
  • Bürgermeister Graxndroger in der Midlife Crisis: Rainer Bartsch
  • Die Überstunden des liebestollen Girgl Graxndroger bei der Frau Landrat (Claudia Czasny)
  • Viel Beifall für das Ammerseer Ensembles: „Bürgermeisterin" Renate Bartsch schafft die tiefste Verbeugung.

Hormone statt Harmonie: Ein Dorf dreht durch

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Vor Schlüsselromanen schicken die Autoren den alles entschuldigenden Satz voraus: „Die Handlung und alle handelnden Personen sind frei erfunden, jede Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen wären rein zufällig.” Der neugierige Leser wird dann sofort nach Parallelen im wahren Leben suchen. Im neuen Stück des Ammerseer Bauerntheaters „Da Lumpenhunderter” tanzt eine Gemeinde um das Goldene Kalb (hier eine Milchkuh) und den Johnannistrieb wuschiger Witwen und hormonell übersteuerter Honoratioren. Alexander Tropschug führte zum ersten Mal allein Regie, Robert Brack als schlitzohriger Wirt und Claudia Czasny als lebenslustige Landrätin bilden das verlässliche Rückgrat eines erprobten Ensembles.

Alexander Tropschug hat den Anfang und den Schluss des Stücks von Peter Landstorfer modifiziert und ein bisschen Moralin entfernt. Er besetzt sich selbst in einer Doppelrolle als Kaminkehrer und Kommentator der Handlung, ähnlich dem Chor in den antiken Tragödien. Augenzwinkernd macht er sich über die kleinen Gaunereien und Lumpereien des Großbauern, der Viehhändlerin, des Bürgermeisters und seines Finanzrats, vulgo Kämmerers, lustig. In raffinierter Zweideutigkeit lässt er offen, ob die moralischen Schwachstellen der Figuren allzu menschlich sind oder einfach verabscheuungswürdig. Vielleicht können sich Autor und Regisseur auch nicht entscheiden zwischen Belehrung und Belustigung.

Der Plot des Stücks ist überschaubar und kommt ohne Dramen, Tote und Helden aus. Den Pfeffer, mitunter die Chilischote, steuern die Sprüche und Witze bei. Die dürfen dann schon mal leicht schlüpfrig sein, aber das gehört zur bayerischen Folklore. Der Bürgermeister (Rainer Bartsch) braucht eine neue Steuer in der Gemeinde, weil er die Pensionen der Rathausmitarbeiter erhöhen will. Und warum gerade jetzt, fragt sein Finanzrat (Uli Nett)? Na ja, weil der Bürgermeister nächstes Jahr in Pension geht. Die Witwe des Landrats (Claudia Czasny) hat eine neue Leidenschaft für Mode entdeckt, weil der Schneider (Christian Diusztus) ein talentierter Einfädler ist. Die Viehhändlerin und glückliche Witwe (Ulli Hanisch) will den Großbauern (Andreas Stamp) „dupfn”, aber der jubelt der unerfahrenen Dealerin eine ausgemergelte Kuh unter. Und der Wirt (Robert Brack) mit dem Talent zum unerlaubten Lebensmittelrecycling verspricht dem Bürgermeister Diskretion wegen eines Seitensprungs, dafür muss das Rathaus die nächste Weihnachtsfeier bei ihm ausrichten. Beschwerden über das abgestandene Bier kontert er: „Wenn du ein Bier von heute willst, musst du morgen wieder kommen.” Und der Großbauer rechtfertigt seinen Alkoholismus mit der Lebensweisheit: „Im Bier is no koaner gstorbn, im Wasser aber scho viele.” Schließlich besticht die Bürgermeisterin den Großbauern, der Großbauer den korrupten Finanzrat, der Finanzrat den Bürgermeister und so weiter. Und so macht das Geld die Runde und hält die Wirtschaft in Gang. Man könnte fast glauben, dass kleine Gaunereien ein probates Konjunkturprogramm sind.

Kaminkehrer Tropschug, im Stück feinsinnig als „Firstl” benannt, hat die Herrschinger Aufführung sogar mit ein bisschen Lokalkolorit versehen. Der Großbauer verkauft seinen Schnaps auch an den „Michi im Bahnhof”, und ein „Wirt, der nicht jammert, ist wie Herrsching ohne Baumschutzverordnung”. Alles wie im richtigen Leben. (Bühnengestaltung: Katrin und Werner Liebel, Dieter Veicht und Aktive des Vereins; Technik: Michael Seitz, Dieter Veicht und Jakob Lishek).

Weitere Aufführungen: Freitag/Samstag 26./27. April, Freitag/Samstag 3., 4. Mai; Eintritt: 11 Euro; Vorverkauf 08152/9060-40)

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