Niemand hat die Absicht, eine Baumschutzverordnung zu erlassen

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Kommentar zur turbulenten Gemeinderatssitzung am Montag:

Liebe Gemeinderäte, bevor Ihr Euch zu sehr über Euren Sieg vom Montagabend freut, solltet Ihr mal das Wort „Pyrrhussieg” googeln. Der Feldherr Pyrrhos hatte nach einer erfolgreichen Schlacht gestöhnt: „Noch einen solchen Sieg …, dann sind wir vollständig verloren.“

Wenn im Sommer wieder die Wälder brennen, die Flüsse zu nassen Gräbern werden, die Bäume den Hitzetod sterben, die Fische verenden und die Zerkarien Badedermatitis bei kleinen Kindern verursachen, wenn Stürme über den Ammersee fegen und Bäume knicken, dann erinnern sich vielleicht Herrschingerinnen und Herrschinger daran, wie im Herbst und Winter die Kettensägen heulten, wie Dutzende von Bäumen privatem Gewinnstreben, Laub-phobischer Ordnungswut oder dem Wunsch nach freiem Seeblick zum Opfer fielen.

Stimmt, diese Bäume hätten die Welt nicht gerettet, aber sie hätten unsere Gemeinde in der Hitze des Hochsommers ein bisschen gekühlt. Pfarrer Ulrich Haberl reimte in seiner Narrenpredigt: „Die Bäume zu beschützen, würde der Welt schon mal viel nützen.” Das ist keine Ökoromantik, sondern Wissenschaft. Der Dresdner Forstwissenschaftler Prof. Andreas Roloff hat belegt, dass für einen Baum mit 20 Meter Kronendurchmessser 400 Jungbäume gepflanzt werden müssten. Ersatzpflanzungen für einen alten Baum sind meist Greenwashing, Gewissens-Sedierung, Wissenschaftsignoranz. „Eine Fällung ist immer ein Verlust für Luftfilterung, Beschattung, Kühlung und CO2-Speicherung”, sagt der Herrschinger Landschaftsingenieur Konrad Herz. Wieviel Zeit gibt uns der Klimawandel noch?

Ersatzpflanzungen sind also bestenfalls eine Prothese nach einer Amputation. Wie sagte Dr. Eckhart von Hirschhausen? „Der beste Zeitpunkt, einen Baum zu pflanzen? Vor 30 Jahren.” Martin Klimesch, Rechtsanwalt, Spezialist für Verwaltungsrecht und bekennendes CSU-Mitglied, sagte im Interview mit herrsching.online: „Ohne Baumschutzverordnung sind die Bäume Freiwild.” Am 1. Oktober beginnt wieder die Jagdsaison.

Ach so, 99 Prozent der Herrschinger Grundstücksbesitzer sind Baumfreunde, sagt der Bürgermeister. Und die CSU. Ist also jede Baumfällung so etwas wie ein Freundschaftsdienst?

Gerd Kloos

4 Comments

  1. Ich interpretiere das letzte Abstimmungsergebnis so, dass der Gemeinderat mehrstimmig eine Baumschutzverordnung zu erarbeiten, endgültig abgelehnt hat. Es wird jetzt von einem “Baumschutz” ohne Verordnungscharakter gesprochen. Ich bin gespannt, was dieses Wort inhaltlich für uns Baumbesitzer bedeutet und wie die Gemeinde ihren Baumbesitz in Herrsching haendelt. Aber, und die Sorge habe ich inzwischen, die widersprüchlichen Abstimmungsergebnisse setzen sich im Herrschinger Gemeinderat fort und verwirren uns Bürger endgültig. Bitte, liebe Gemeinderäte, ändert euere Meinung nicht immer von einer Gemeinderatssitzung zur nächsten und verzettelt euch nicht in Nebenschauplaetzen. Es gibt da ein Sprichwort: Jemand sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr…

  2. Die Überschrift erinnert (sicher beabsichtigt) an Herrn Ulbrichts Spruch „niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten“.
    Wie man weiß, kam die Mauer dann doch.
    Dann kann man für die Baumschutzverordnung ja vielleicht doch noch hoffen….

  3. Am nördlichen Ende des Sitzungssaals muss ein starker Magnet oder ähnliches verbaut sein.
    Es gibt kaum eine andere Erklärung dafür, dass GemeinderäteInnen in dessen Nähe komplett dem Kompass verlieren.
    Erst am südlichen Ende des Tisches scheint das Magnetfeld nicht mehr zu wirken oder die BGH leitet die Feldlinien in Vernunft um?

    • Leider ist die Umleitung der Feldlinien in Vernunft nur bei der BGH wirksam. Bei den Fraktionen von SPD und FDP die neben der BGH am Ratstisch sitzen ist davon nicht zu spüren.

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