Demo-Plakat bei der Kundgebung in Seefeld. Der Bund Naturschutz als Veranstalter hatte mindestens 1000 Teilnehmer auf die Beine gebracht. Wieviele Demonstranten können die beiden Kirchen in Herrsching mobilisieren? Foto: Gerd Kloos

Kirchen erwarten 700 Teilnehmer auf der Demokratie-Demo

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Auf keinen Fall zu früh kommt die Demo für Demokratie und Menschenrechte in Herrsching: Nach der kraftvollen Kundgebung vor 4 Wochen in Seefeld zeigt jetzt auch die Seegemeinde am Samstag, 16. März, um 14.30 Uhr Flagge. See und Flagge sind gute Stichworte: Die Demo marschiert vom Alten Sportplatz auf der Promenade zum Kurpark. Auf der Abschluss-Kundgebung kommen der Autor Gert Heidenreich (Seefeld) und die Historikerin Dr. Friederike Hellerer zu Wort. herrsching.online hat mit der Gemeinde-Archivarin und Forscherin zur NS-Zeit in Herrsching über die Ziele der Kundgebung gesprochen.

Gemeinde-Archivarin Dr. Friederike Hellerer

herrsching.online: Sie sind so etwas wie das historische Gewissen der Seegemeinde. Ist Ihnen die Rolle  zugefallen, oder haben Sie die Rolle gesucht?

Friederike Hellerer: Ich bin nicht das historische Gewissen Herrschings. Ich weiß durch meine Forschung viel über die Geschichte der Gemeinde. Und das fällt einem nicht zu, sondern da bemüht man sich darum. Ich höre zu, ich frage, und das seit 25 Jahren.

herrsching.online: Ohne Ihre Forschung wäre die braune Vergangenheit Herrschings nicht so detailliert aufgedeckt worden.

Hellerer: Das Thema ist von alleine an die Oberfläche gekommen. Fast zwangsläufig sind dann natürlich die Fragen an mich herangetragen worden. Der Erich Holthaus ist mir zum Beispiel bei einer Arbeit an der Dissertation auf die Füße gefallen. Beim Fall der Madeleine Ruoff habe ich gezielt weiter gesucht und bin dann auch auf die Arisierungen gestoßen.

herrsching.online: Vier Wochen nach der kraftvollen Demo in Seefeld zieht Herrsching mit einem Zeichen für Demokratie und Menschenrechte nach. Ist das nun eine demokratische Pflichtübung oder ein Erwachen, hallo,  wir in Herrsching wollen uns jetzt auch mal zeigen?

Hellerer: Sehr viele Bürgerinnen und Bürger haben nur darauf gewartet, dass das mal jemand in die Hand nimmt. In Seefeld waren sehr viele Herrschinger dabei, ein Zeichen dafür, dass die Bereitschaft, sich für Demokratie einzusetzen, auch hier groß ist. Aber keiner hat den Hut aufgesetzt, bis die Pfarrer Haberl und Rapp die Initiative ergriffen haben.

herrsching.online: Ist das nicht ein Armutszeugnis für die politischen Parteien in Herrsching, dass die Kirchen die Initiative ergreifen mussten?

Friederike und ihr Mann Heinz Hellerer mit Uli Spindler bei der Demo in Seefeld. Spindler ist Mitglied des Katholischen Pfarrgemeinderats in Herrsching. Aus diesem Kreis ist die Idee für eine Demo in Herrsching gekommen. Foto: Gerd Kloos

Hellerer: Das ist nicht meine Sache, das zu beurteilen. Aber die Parteien machen ja alle mit. Außerdem hätte die Gefahr bestanden, dass bei einer Partei-Initiative die anderen Parteien nicht mitgezogen hätten. Deshalb ist die Veranstaltung doch bei den Kirchen, die ja politisch neutral sind, besser aufgehoben.

herrsching.online: Nun sind sprachliche Grenzüberschreitungen ja nicht nur eine Spezialität der extremen Rechten, auch in der Mitte der Parteien war die Tonalität mitunter ausgrenzend. Wäre da nicht auch ein Mea Culpa bei der einen oder anderen Partei  angebracht?

Hellerer: Das hat jetzt mit dieser Demo gar nichts zu tun…

herrsching.online.. na ja, alle Parteien außer der AfD und der Freien Wähler stehen als Unterstützer auf dem Veranstaltungsplakat.

Hellerer: Wir wollen bei der Veranstaltung klar kommunzieren, dass wir nicht gegen, sondern für Demokratie, für Bunt und Menschenrechte sind. Wir sind nicht gegen irgendwas oder irgend jemanden. Deshalb sind auch alle Parteien außer der AfD dabei. Und parteipolitische Äußerungen sind nicht erwünscht.

herrsching.online: Ihre Forschungen haben aufgedeckt, dass Herrsching in der Nazizeit sehr braun war. Hat Herrsching seine Vergangenheit gut bewältigt?

Hellerer: So gut oder so schlecht wie der ganze Landkreis, wie Bayern oder Deutschland. Man wollte halt auch hier gerne vergessen.

herrsching.online: Der Demo-Zug geht über die Promenade zum Kurpark. Herrsching will sich wohl den Titel als schönste Demonstrationmeile Deutschlands sichern? Nein, im Ernst: Gehört eine Demo nicht in die Mitte einer Gemeinde, so wie in München an die Feldherrnhalle oder in Seefeld auf die Hauptstraße?

Hellerer: Was wäre die Alternative? Eine Absperrung des Durchgangsverkehrs auf der Staatsstraße wäre sehr schwierig. Außerdem ist die Promenade am Samstag voller Ausflügler. Da wird unser Anliegen sichtbar vorgetragen. Die zweite Demo in München fand auf der Theresienwiese statt.

herrsching.online: Mit wievielen Teilnehmern rechnen Sie?

Hellerer: Wir haben 700 Teilnehmer angemeldet.

herrsching.online: Was werden Sie den Teilnehmern auf der Abschluss-Kundgebung im Kurpark sagen?

Hellerer: Das weiß ich noch nicht. Aber die Rede wird sich ganz sicher mit der Geschichte befassen und keine „Nie Wieder Ist Jetzt”-Parolen  wiederholen.

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