Die Bürgerinitiative Pro Natur kriegt ihre Eingebungen nicht von oben – trotzdem war sie im letzten Jahr die kommunalpolitisch aktivste Gruppe in Herrsching. Foto: Jörg Reuther

Denkanstöße für die da oben

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Ein Polizist hat ermittelt, eine Grafikerin gestaltet, ein Ingenieur gerechnet, ein Künstler geklebt, ein Versicherungsmakler gemakelt, eine Filmregisseurin Regie geführt, eine Ex-Bürgermeisterin beraten, und eine Kauffrau hat sich die Finger wund geschrieben:  2023 zerrte eine bunte Truppe von Naturbewegten die Herrschinger Kommunalpolitik aus dem Hinterzimmer auf die Bühne: Die Bürgerinitiative Pro Natur hat das Rathaus mit einer Baumschutzverordnung aufgeschreckt, der CSU den Wahlkampf für den Bürgerentscheid vermasselt. Und bei der Kienbach-„Sanierung” will sie die  Kettensägen einbremsen. „Man darf den Mächtigen den nötigen Widerspruch nicht verweigern”, sagte ein legendärer CSU-Minister. Es könnte das Motto der Bürgerinitiative sein.

Bäume wählen nicht, Bäume spenden nicht (na ja, Schatten schon) und Bäume klatschen nicht Beifall. Trotzdem kümmert sich ein Dutzend Aktivistinnen und Aktivsten um das Wohl der Bäume. Pro Natur hat eine Baumschutzverordnung ausgearbeitet, 400 Unterschriften gesammelt für ein Bürgerbegehren und unter Gemeinderäten Werbung für verordneten Baumschutz gemacht. Der Gemeinderat beschloss deshalb mit knapper Mehrheit, dass eine Baumschutzverordnung ausgearbeitet werden muss.

Die CSU hat dann die Axt an diesen Beschluss gelegt und durchgesetzt, dass Herrschings Bürger über den Baumschutz abstimmen sollten (Bürgerentscheid). Dieses Ratsbegehren war aber – das hat ein Bürger, nicht das Landratsamt herausgefunden – rechtswidrig.

Obwohl Baum- und Naturschutz urgrüne Themen sind, haben nicht die Grünen in Herrsching, sondern die Pro-Natur-Baumfreunde eine beispiellose Werbekampagne in Herrsching „Ja zur Baumschutzverordung” entfesselt: 

• Hunderte von Plakaten wurden geklebt,

• Banner an  Zäune geheftet,

• ein Bürgerforum mit Fachleuten hat alle Argumente für und gegen eine Baumschutzverordnung diskutiert.

Der Kern der Pro-Natur-Initiative besteht aus:

Karin Casaretto, 57, Filmemacherin und Fernsehjournalistin, Co-Sprecherin der Initiative und Vorsitzende des Vereins Pro Natur Herrsching.

Ihr „Damaskus-Erlebnis” hatte sie, als am Kienbach 5 riesige Bäume gefällt wurden. Da wurde ihr klar, dass „Bäume in Herrsching vogelfrei sind, gesetzlos der Kettensäge ausgeliefert, weil es seit 2018 keine Baumschutzverordnung mehr gibt. Ab diesem Zeitpunkt habe ich beschlosen, das kommunalpolitische Geschehen in Herrsching aktiv mitzugestalten.”

Eines ihrer großen Themen ist das Wassermanagement: „Straßen werden ohne Rigolen oder Begleitgrün gebaut, viele Böden und Plätze sind wasserundurchdringlich versiegelt.”

Beim  Baumschutz benennt sie die Gegner klar: „Der rechtswidrige, von oben verordnete Bürgerentscheid war ein Antrag der CSU, unterstützt von Bürgermeister Schiller und der FDP. Die CSU wollte verhindern, dass eine Baumschutzverordnung ausgearbeitet wird, so wie es der Gemeinderat Anfang des Jahres mehrheitlich beschlossen hat.” Sie will durchsetzen, dass der  Gemeinderat, wie beschlossen, bis April eine rechtskräftige Baumschutzverordnung erarbeitet. Und wie geht sie persönlich mit persönlichen Angriffen um? „Ich sehe mich durch solche Angriffe bestätigt.”

Norbert Wittmann, Bundespolizeibeamter a. D., 67

Dem Spezialisten für Kriminalprävention war eine klimafreundliche Umwelt ein grundsätzliches Anliegen. „Das Engagement hat sich allerdings durch einige Entscheidungen der Herrschinger Kommunalpolitiker massiv gesteigert”, erzählt er. Wittmann ist auch Co-Autor des Entwurfs für eine neue Baumschutzverordnung. Diese Fassung hatte der Gemeinderat allerdings mit den Stimmen der Grünen verworfen, weil sie als sehr rigide galt. So hatte der Pro-Natur-Entwurf den Schutz eines Baumes schon ab 80 Zentimeter festgelegt, in Starnberg war man großzügiger. Wittmann ist der „Ermittler” in der Gruppe: Was einmal über Natur und Baumschutz ins Netz gelangte, dass bleibt ihm nicht verborgen. Auch die bayerische Gemeindeordnung hat in dem ehemaligen Bundespolizei-Kommissar einen kundigen Freund.  Er arbeitet, wenn’s um Paragafen geht, mindestens auf Augenhöhe mit der Verwaltung.  Persönliche Anfeindungen erlebt er selten, weil er sich nicht ins Rampenlicht drängt. Und wenn sie kommen, bleibt er entspannt: „Nach Jahrzehnten im Polizeidienst hat man gelernt, gelassen damit umzugehen.”

Christine Hollacher, ehemalige Bürgermeisterin von Herrsching

Mit den Freien Wählern hat sie längst fertig, in einer Partei mit Hubert Aiwanger könnte man sich die geschliffen formulierende Kommunalpolitikerin nicht vorstellen. Hollacher ist in der Pro-Natur-Gruppe die Spezialistin fürs Verwaltungsrecht. Und wenn es gilt, eine Dienstaufsichtsbeschwerde zu formulieren, stammt sie meist aus ihrer Feder. So hatte sie die rechtliche Zulässigkeit des Ratsbegehrens der CSU in einem Schreiben an die Kommunalaufsicht in Starnberg bezweifelt. Die zuckte mit den Schultern und wies die Beschwerde förmlich ab. Die Begründung, dass der Bürgerentscheid rechtsfehlerhaft sei, war allerdings ebenso unzutreffend wie die Ablehnung der Beschwerde. Dass der Bürgerentscheid rechtswidrig ist, entdeckte ein Anonymus mit dem Decknamen Peter Grono. Es gehen Wetten um, ob „Herr Grono” auch zu Pro Natur gehört.

Konrad Herz, 61, selbstständiger Landschafts-Ingenieur

Herz und seine Statements sind gefürchtet – oft von aphoristischer Qualität. Seine Ironie ist manchmal auch mit einem Schuss Sarkasmus gewürzt. Zur Umweltbeauftragten im Rathaus pflegt er ein ambivalentes Verhältnis und kritisiert mitunter schon mal „Denkgrenzen” der Verwaltung. Gerne attestiert er der Gemeinde, dass sie „in die falsche Richtung abbiegt”. Das Engagement für die Natur sei ihm schon in die Wiege gelegt worden, sagt er: „ Wir  Menschen stehen nicht außerhalb der Ökosysteme, sondern sind eine Teil davon. Meine gesamte Familie besteht aus GärtnerInnen und/oder BauingenieurenInnen. Mein Großvater war mit Herbert Gruhl befreundet” (CDU-Politiker und Autor des Buches „Ein Planet wird geplündert”). Bei der Frage nach einer Baumschutzverordnung bricht aus Herz wieder der Philosoph hervor: „Wenn wir im Großen alle die Antagonisten sind, wie soll ich glauben, dass im Kleinen das Tier Mensch zum Protagonisten wird? Ich hoffe auf mehr Wahrheit und Einsicht.” Warum er sich den Zank und Streit ums Grüne antut? Einfache Antwort: „Ich habe Kinder.” Persönliche Angriffe wehrt er mit einem Zitat von Helmuth Karasek ab: „Ich habe mir fest vorgenommen, mich nicht unter meinem Niveau zu ärgern.“

Uli Spindler, 62, Industriekauffrau

Die Umwelt war zwar immer ein wichtiges Thema für sie, aber  „die Entwicklungen und Entscheidungen der letzten Jahre im Herrschinger Gemeinderat haben dazu geführt, dass ich aktiv geworden bin”. Und wie sie aktiv ist: Zusammen mit Norbert Wittmann hat sie den Entwurf der Baumschutzverordnung erarbeitet – „kostenfrei”, wie sie sagt. Der Entwurf sei von 2 anerkannten Expertinnen geprüft worden und basiere auf 2 rechtlich einwandfreien und geltenden Baumschutzverordnungen. „In unserem Vorschlag sind die Anforderungen nochmals nutzerfreundlich zusammengestellt. Wer sich bisher schon an diese Regeln gehalten hat, hat eigentlich keinen Grund, sich gegen die Verordnung  auszusprechen.” Warum nun tut sie sich das alles an? „Wenn man den Mund nicht aufmacht, macht man sich mitschuldig.
Es ist aber durchaus frustrierend zu sehen, wie Machtpositionen ausgenutzt werden und Korrektive aus welchen Gründen auch immer nicht funktionieren.”

Ela Bauer, 70, ehemalige Gymnasiallehrerin (Kunstpädagogik) und freie Grafik-Designerin,

hat das Gesicht der Baumschutz-Kampagne mit ihren Postern, Flyern und Bannern geprägt. Diese grafische Arbeit hätte sich die Gruppe auf dem freien Markt für mehrere tausend Euro einkaufen müssen – Bauer arbeitete gratis. „Weil jeder vor seiner eigenen Tür kehren sollte, engagiere ich mich auch im Verein Pro Natur Herrsching, der als Bürgerinitiative gestartet ist.” Und wie motiviert man sich nun für diese Arbeit? Bauer: „Mit offenen Augen durch Herrsching zu gehen, motiviert allein schon! Die konstruktive Mitgestaltung des eigenen Wohnortes sollte jedem Bürger ein Anliegen sein.” Andere von seinem Anliegen zu überzeugen, ist oft ein mühseliges, mitunter sinnloses Unterfangen. Wie geht man damit um? „Ich diskutiere, wenn es Sinn macht. Bei verhärteten Positionen hoffe ich, dass die Zeit und die Entwicklung der Dinge, zum Beispiel die Klimaveränderung, die Menschen zu Einsichten und verändertem Handeln führen wird. Ich bin aber auch realistisch und weiß, dass die meisten leider nur auf Druck reagieren.”

Regula Fey, 71, Physiotherapeutin, Craniosacraltherapeutin

Die Schweizerin ist eine erprobte Demonstrantin, die schon 1975 auf einer Anti-AKW-Demo bei Basel gegen Atomkraft demonstriert hat – mit Erfolg, das AKW wurde nie gebaut: „Ich bin seit über 45 Jahren Mitglied beim Bund Naturschutz Bayern. Energieeinsparung, Müllvermeidung, regionale Produkte, Fahrrad statt Auto sind seit Jahrzehnten Themen in unserer Familie.” Dass sie dann in Herrsching Freunde gefunden hat, die genau so ticken wie sie, macht sie „froh”. Sie habe nun in Herrsching bei Pro Natur Mitstreiterinnen und Mitstreiter gefunden, um überparteilich Einfluß nehmen zu können in der Lokalpolitik. Ihre Ziele sind klar umrissen: „Gemeinsam mit Pro Natur und dem Gemeinderat eine Möglichkeit finden, um einerseits die wunderschönen alten Bäume zu schützen und möglichst viele neue Bäume zu pflanzen. Wir brauchen unterschiedlichste Strategien, um den Wasserabfluß bei Starkregen zu verlangsamen und gleichzeitig Wasservorräte zu haben bei langer Trockenzeit – Prinzip Schwammstadt. Für die Sanierung des Kienbaches wünsche ich mir ein möglichst natur – und baumschonendes Konzept.”

Karl-Heinz Wirth, ehemaliger internationaler Versicherungsmakler,

ist gestaltende Kraft im Hintergrund. Für den neuen Verein „Pro Natur Herrsching” stellte er sich als Kassierer zur Verfügung, dabei gibt er nicht mit klingender Münze raus, sondern mit scharfer Zunge. Seine Kommentare zu herrsching.online-Artikeln sind von entwaffnender Klarheit: „Kooperative Projektarbeit wäre geboten, aber mit der aktuellen Rathausspitze nur sehr schwer vorstellbar. Im übrigen war es doch Herr Schiller, der in der Gemeinderatssitzung Fragen zur Rechtmäßigkeit (des Ratsbegehrens; Red.) vollmundig mit dem Hinweis abtat, es sei doch alles rechtlich geprüft. Er muss sich dazu jetzt öffentlich näher erklären.”

Mitbegründet wurde die Bürgerinitiative von Christl Voit und Wolfgang Aigner, die Herrsching verlassen werden.

1 Comment

  1. Für mehr Infos zu PRO NATUR HERRSCHING: http://www.pronaturherrsching.de
    Dort findet man auch die Vereinssatzung und den Mitgliedsantrag. Unsere arbeitsintensiven Projekte stemmen wir ehrenamtlich; für die Umsetzung sind wir aber auf Spenden (steuerlich absetzbar) angewiesen. Wir freuen uns über jede Unterstützung – mit Rat und Tat oder finanziell.

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