Der Architekt und Gemeinderat Christoph Welsch setzt sich für mehr Flexibilität bei der Stellplatzsatzung ein Foto: Gerd Kloos

„Könnte mir aufgeständertes Gebäude über S-Bahn-Parkplatz vorstellen”

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Den städtebaulich originellsten Vorschlag brachte Gemeinderat Christoph Welsch in die politische Diskussion: Er will den S-Bahnparkplatz überbauen. Damit könnte auch das Bofrost-Gelände, im Augenblick noch eine gemeindliche Abstellkammer, mit bezahlbaren Wohnungen bebaut werden. Welsch will außerdem mehr Flexibilität in der Pkw-Stellplatz-Satzung. Dass die Baupreise wieder fallen werden, glaubt Welsch im Gespräch mit herrsching.online nicht.

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Ungünstige Bedingungen machen Bauplatz Bofrost architektonisch spannend

herrsching.online: Man müsste bei einem Wohngebäude für Menschen, die es nicht so dicke haben, die Vorgaben für die notwendigen Auto-Stellplätze hinterfragen. Könnte doch sein, dass die Mieter keine 2 Autos in der Familie abstellen müssen.

Welsch: Leute, die diese Wohnungen in Anspruch nehmen, müssen nicht zwangsläufig weniger Auto fahren. Oft erfordert es das Arbeitsumfeld, flexibel mobil zu sein.

herrsching.online: Trotzdem muss man die Herrschinger Stellplatz-Satzung vor dem Hintergrund der neuen Umweltsensibilität auf den Prüfstand stellen.

Welsch: Das passiert ja demnächst. Die Überarbeitung der Parkplatz-Vorschriften ist ein erklärtes Ziel mehrere Fraktionen im Gemeinderat. Die Verpflichtung im Neubaufall für Wohnungen ab 50 Quadratmetern Wohnfläche zwei Stellplätze zu errichten, auch wenn gar kein oder nur ein Auto vorhanden ist, ist problematisch. In der Schweiz zum Beispiel muss man bei einem Neubau keinen Stellplatz nachweisen. Erst wenn man ein Auto zulassen will, ist dies erforderlich.

Den exklusivsten Stellplatz hatte sich ein 86-jähriger Autofahrer ausgesucht: Er fuhr ins Untergeschoss eines S-Bahnhofs. Foto: Bundespolizei

herrsching.online: ...in Freiburg gibt es Quartiere, in denen es keinen einzigen Autostellplatz gibt…

Welsch… ja schön, aber wenn dann doch einer ein Auto benötigt, wo steht der Wagen dann? Auf der öffentlichen Straße. Und genau da gehört er nicht hin. Eine neue Satzung sollte auch Carsharing-Situationen berücksichtigen. Solche Modelle der Mobilität wird es in Zukunft vermehrt geben.

herrsching.online: Er könnte den Stellplatz ablösen, sich also freikaufen. Das wäre doch sinnvoll.

Ablöse wäre eine Alternative

Welsch: Das sieht unsere Satzung ja bereits vor. Allerdings wird dies bisher nur im Rahmen einer Nachverdichtung im Bestand genehmigt. Die Ablöse wäre also durchaus eine Alternative.

herrsching.online: Wenn man den Stellplatz überbaut, dann gibt’s Wohnraum und Parkraum zusammen…

Welsch: Das hatten wir ja mal für das Projekt „Bezahlbarer Wohnraum” am Mitterweg vorgeschlagen. Hat natürlich auch Nachteile. Wenn das Baurecht mit der Geschossflächenzahl gleich bleibt, hat man das ganze Erdgeschoss verloren.  Statt Möbel stehen dann dort Autos.

herrsching.online: Aber der Gemeinderat hat ja die Planungshoheit. Er könnte ja das Baurecht ausweiten, wenn es um seine eigenen Projekte geht.

Welsch: Ja sicher. Die Gemeinde kann über Bebauungspläne das Baurecht festlegen. Kritisch sehe ich, wenn sich die Gemeinde für ihre Projekte von der Stellplatz-Satzung befreit, dies aber von einem privaten Bauherrn verlangt.

herrsching.online: Also müsste man die Stellplatzsatzung endlich den Zeiten der modernen, Zukunfts-orientierten Verkehrspolitik anpassen?

Welsch: Tatsächlich wird die Stellplatzsatzung ein Thema werden. Unsere Mobilität wird sich in Zukunft verändern durch Homeoffice, Carsharing, verbesserten öffentlichen Nahverkehr und Bevorteilung des Fahrradverkehrs gegenüber dem KFZ-Verkehr.

Die GEWOFAG Wohnunbsbaugesellschaft München hat einen öffentlichen Parkplatz überbauen lassen. Foto: Martin Randelhoff

herrsching.online: Anderes Thema, gleiches Problem: In der ehemaligen Bofrost-Halle stehen Marktbuden und Gerätschaften des Bauhofs, auf dem Wohnungsmarkt stehen Menschen ratlos vor Mieten, die sie sich nicht leisten können. Können wir es uns leisten, solche Grundstücke als gemeindliche Lagerfläche zu nutzen?

Welsch: Die Thematik der Bahnunterführung schwebt über dem Bofrost-Projekt, weil das Grundstück für den Bau einer Unterführung unter Umständen benötigt wird. Insbesondere die Einfahrt in die Ladestraße kann ohne Bebauung besser beplant und angepast werden. Auch als Fläche für die Baustelleneinrichtung ist ein freies Grundstück sehr hilfreich.

herrsching.online: Der Verband Wohnen, dem der Gemeinderat gerne das Bofrost-Grundstück für eine Wohnbebauung schmackhaft machen wollte, hat signalisiert: Wirtschaftliches Bauen ist auf dem Grundstück nicht möglich. Ist das Projekt jetzt tot?

Ich habe das Wohnprojekt Bofrosthalle noch nicht aufgegeben

Welsch. Ich persönlich habe das Wohnprojekt an der Bofrosthalle noch nicht aufgegeben. Es kann sein, dass der Zweckverband Wohnen dieses Projekt nicht wirtschaftlich und kostendeckend darstellen kann. Die Gemeinde muss aber nicht kostendeckend arbeiten. Letztendlich ist die Frage, in welchem Umfang sie ein Wohnprojekt bezuschussen will und kann. Auch das Wohnbauprojekt am Mitterweg kostet die Gemeinde ja Geld, das durch die günstige Vermietung letztendlich nicht erwirtschaftet werden wird.

herrsching.online: Kann man auf der Grundstücksgröße der Bofrosthalle wirtschaftlich bauen?

Welsch: Welche Auflagen durch die Nähe zur Bahn auf die Gemeinde zukämen, bedarf einer eingehenderen Prüfung. Tatsächlich steht aber kein Wohnhaus so nahe an den S-Bahn Gleisen wie die ehemalige Bofrosthalle. Ich gehe davon aus, dass hier Schallschutzmaßnahmen notwendig werden würden. Auch wäre das Thema Stellplätze zu klären. Der Verband Wohnen hat ja verlautbart, dass er viergeschossig bauen müsste, was aber angesichts der Parkplatzsituation problematisch wäre.

herrsching.online: Sie hatten in der Gemeinderatssitzung die Idee ins Spiel gebracht, auch den Park & Ride-Parkplatz für eine Wohnbebaung zu nutzen. Wie könnte denn die Überbauung dieses eindimensional genutzten Geländes am Bahnhof aussehen?

Parkplatzüberbauung: Könnte mir aufgeständertes Gebäude vorstellen

Welsch: Ich könnte mir ein aufgeständertes Gebäude, wenn möglich auch über dem gesamten restlichen Parkplatz vorstellen. Im Erdgeschoß würden die bestehenden PKW-Parkflächen erhalten bleiben.  So könnte eine kostenintensive Tiefgarage vermieden werden.  

herrsching.online: So ähnlich, wie es beim Parkplatz am Dantebad in München geschehen ist?

Welsch: …ein Projekt, das sehr gehypt wird, als Beispiel einer Aktivierung von bestehenden innerstädtischen Brachflächen für Wohnnutzung.

herrsching.online: Werden die Baupreise in absehbarer Zeit wieder fallen?

Welsch: Ich schätze, nicht wirklich. Zwar wird sich der Markt wieder etwas entspannen, weil aufgrund des höheren Zinsniveaus weniger gebaut wird. Die Material- und Energiepreise werden allerdings eher hoch bleiben. Die Firmen werden auch in Zukunft nur schwer motivierte Mitarbeiter finden. Und die Inflation ist natürlich auch im Baubereich spürbar.

Wo bitte sollen Krankenschwestern und Busfahrer wohnen?

herrsching.online: Wenn in Herrsching gebaut wird, dann für den Gutverdiener. Wo aber sollen die Busfahrer, die Krankenschwestern, die Bauarbeiter und Verkäuferinnen wohnen?

Welsch: Der Verdienst eines einfachen Arbeiters reicht tatsächlich nicht mehr aus, die in Herrsching verlangten Mieten zu bezahlen. Firmen im Baugewerbe bauen inzwischen Mitarbeiterwohnungen, weil sie sonst keine Arbeitskräfte mehr finden. Auch die Gemeinde Herrsching hat große Probleme, Angestellte im Bauhof, im Kindergarten oder in der Verwaltung zu finden.

Oder schauen Sie sich unseren Kindergarten in Breitbrunn an. Früher wohnte die Kindergärtnerin im Ort. Heute fahren die Mitarbeiter teilweise 20 bis 50 Kilometer täglich, weil das Wohnen im Ort zu teuer ist.

herrsching.online: Umso mehr rücken Flächen wie das Bofrost-Gelände in den Fokus, zumal es ja städtebaulich auch kein Schmuckstück ist.

Welsch: Das Bofrost-Gelände ist durch die direkte Nachbarschaft der Bahngleise, den schmale Zuschnitt und die geringe Grundstücksgröße nicht optimal geeignet für eine Wohnbebauung. Aber manchmal sind es auch die ungünstigen Bedingungen, die ein Projekt architektonisch spannend machen.

Ich könnte mir an dieser Stelle eine Überbauung des bestehenden Parkplatzes mit einem modularen Wohngebäude über zwei oder drei Ebenen vorstellen.

2 Comments

  1. Wann wird sich die Einsicht endlich durchsetzen, dass, nachdem sich die Fertigstellung der der 2. Stammstrecke realistisch noch Jahrzehnte hinziehen wird, auch kein extrem teures, umweltschädliches, mobilitätsfremdes Monsterbauwerk S-Bahn-Unterführung kommen wird!
    Damit macht es keinen Sinn, dass Bofrost-Grundstück dafür vorzuhalten.
    Oberste Priorität muß in Herrsching endlich die Schaffung von Wohnraum sein.
    Deshalb befürworte ich eine Überbauung des bestehenden Parkplatzes mit einem modularen Wohngebäude über zwei oder drei Ebenen unter Einbeziehung des Bofrost-Grundstückes.

  2. Ich habe den Neubau des Wohngebäudes am Dantebad in seiner Bauphase an der Waisenhausstrasse interessiert mitverfolgt und bin vom Ergebnis auch positiv überrascht. Hinter dem Gebäude erstreckt sich das weite Badegelaende mit Wiese und vor dem Bau die breite, auf zwei Fahrbahnen zurück gebaute ehemals vierspurige Waisenhausstrasse. Da durch die Fahrbahnverengung sehr viele neue Parkplätze entstanden sind und ein sehr breiter Fußweg und breiter Radweg geschaffen wurde, ist es tatsächlich sehr gelungen. Wird das auf die sehr beengte Situation in Herrsching zu übertragen sein. Es wäre eine Lösung. Heidi Körner

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