Schönes Ambiente, düstere Aussichten: Dr. Helene Falk und Constanze Gentz vom Bund Naturschutz, Insektenforscher Dr. Andreas Segerer, Günter Schorn, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz vor dem Zentrum in Wartaweil. Foto: Gerd Kloos

15 Millionen Gärten könnten Öko-Oasen werden

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Die meisten Redner versprechen prima Unterhaltung, der Insektenforscher Dr. Andreas Segerer dagegen drohte seinen Zuhörern: „Es wird kein sehr lustiger Abend werden.” Trotzdem lief niemand weg im Wartaweiler Naturschutzzentrum. Der Präsident der Entomologischen Gesellschaft München begann seinen Vortrag über das Insektensterben mit einer scheinbar frohen Botschaft: Das Weltklima pegelt sich schon wieder ein – in ein paar tausend Jahren. Die größere Bedrohung für die Erde sei das Artensterben. Vor den Fenstern des unfassbar schön gelegenen Naturschutzzentrums ging die Sonne glutrot unter, im Saale klopfte die Apokalypse an.

Kein Stuhl war unbesetzt im holzgetäfelten Saal des Naturschutzzentrums, als die Seefelder Ortschefin des Naturschutzbundes, Constanze Gentz, den prominenten Redner begrüßte. Bekannt wurde Andreas Segerer durch das populäre Standard-Werk Das große Insektensterben. Der anwesende Bürgermeister von Pöcking, Rainer Schnitzler, hatte in der anschließenden Podiumsdiskussion erwähnt, dass er das Segerer-Buch an alle Gemeinderäte Pöckings verteilen ließ.

Segerer, auch stellvertretender Direktor der Zoologischen Staatssammlung München, breitete dann seine Wissenschafts-basierte Horrorvision anschaulich und gut verständlich aus: Neben dem Klima sind gleich 8 wichtige Systeme auf der Erde gestört. Seine besondere Sorge gilt als Biologe natürlich dem Artensterben („Ich wünschte mir, dass wir mit der gleichen Intensität dagegen vorgehen, wie wir es beim Klimawandel machen.”) Inzwischen sprechen Wissenschaftler vom sechsten Massensterben in der Geschichte der Erde.

Konkret lässt sich das an den Schmetterlingen festmachen, von denen wir in Bayern rund 3000 Arten hatten – 300 sind bereits verschwunden, 1400 stehen auf der roten Liste der bedrohten Arten. Als eine der Hauptursachen benennt Segerer die „chemische Keule” durch Pestizide,  Insektizide und Düngemittel der Landwirtschaft: Der Kolateralschaden sei unglaublich hoch. Aber nicht nur Bayer & Co bedrohen die Arten, auch die „ausgeräumten Landschaften ohne Hecken” mit ihren Monokulturen und der Flächenfraß setzen Insekten und damit auch den Vögeln zu. Denn ohne die Kleinstlebewesen würden die Vögel schlicht verhungern.

Aber auch dem Menschen geht’s an den Teller: Wenn die Insekten als Bestäuber ausfallen, dann darbt auch die Landwirtschaft. Ein Effekt, an den man früher gar nicht dachte: Pflanzen, die durch chemischen Einfluss anders duften als natürliche Blüten, locken keine bestäubenden Bienen mehr an. Am schlimmsten, so Segerer, seien die sogenannten Neonicotinoide, Nervengifte, die Bienen süchtig machen wie Zigaretten die Raucher.

Gag am Rande: Apfelputzen schaden Eichhörnchen

Als Gag streute Segerer noch ein, dass es verboten sei, einen Apfelbutzen wegzuwerfen – der Apfel könnte ja chemisch behandelt worden sein, folglich bedrohe der Butzen die Eichhörnchen, die sich darauf stürzen. Wie fürsorglich doch Behörden sein könn(t)en.

Die artenreichsten Lebensräume sind übrigens die nährstoffarmen Flächen, Dünger sei Gift für die Artenvielfalt auf der Wiese. Aber selbst wenn niemand einen Giftcocktail über Wiesen und Feldern ausbreite, seien die Arten bedroht – der Wind verteilt die Chemie großflächig auch dorthin, wo sie niemand haben will.

Dr. Segerer Ratschläge für konsequentes Verhalten

Segerer entließ seine tapferen Zuhörer aber nicht mit einem Gefühl der Ohnmacht: Wir können alle etwas gegen das Artensterben machen. „Es gibt in Deutschland 15 Millionen Privatgartenbesitzer, die eine Fläche von rund 930 000 Hektar betreuen. Das sind sagenhafte 67 Prozent der Gesamtfläche aller Naturschutzgebiete.”

Und wie merken natursensible Gartenbesitzer, dass sie auf dem ökologisch richtigen Weg sind? „Je lauter Nachbarn wegen eines Naturgartens schreien, desto besser ist es.” Den Humor hat Segerer noch nicht verloren.

Wenn Sie Ihren Garten naturharmonisch gestalten wollen, hat der Insektenforscher folgende Tipps für Sie

• Wildblumen säen und einheimische Stauden pflanzen

• Verzichten Sie auf Mährobotor

• Nur ein bis zweimal im Jahr mähen (Mähen muss sein, weil sonst Verbuschung droht und die Gräser überhand nehmen)

• Wilde Ecken wild sein lassen (gerne auch mit Totholz)


• keinen Dünger verwenden (Wildblumen mögen magere Böden)


• Für Nist- und Überwinterungsplätze sorgen (zum Beispiel verwelkte Königskerzen stehen lassen) ist sinnvoller als Insektenhotels aufstellen

1 Comment

  1. Es macht richtig Freude, dass die Tipps zum naturharmonischen Garten in allen Punkten die Naturgartenkriterien des Bayerischen Landesverbandes für Gartenbau und Landespflege deckt. Der Gartenbauverein Breitbrunn hat in den letzten 3 Jahren bereits 8 Naturgarten zertifizieren können und so ergänzen wir Gartenbauvereine im Starnberger Landkreis uns in unseren ökologischen Bemühungen mit dem Bund Natur Schutz. Es ist gut für die Zukunft unseres blauebn Planeten, dass sich viele politischen und nicht politischen Gruppen an einen Tisch setzen und zusammenarbeiten. Schade, dass der BN nicht im Herrschinger Arbeitskreis sitzen darf. Da würde eine Chance vergeben. Heidi Körner Gartenbauverein Breitbrunn

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