Gemeinderätin Christiane Gruber (BGH)

Baumschutz: „Wir wünschen uns mehr Kontrollen”

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Halbzeit in der Kommunalpolitik: Was gelang in den 3 Jahren zwischen 2020 bis 2023, was blieb liegen? herrsching.online hat die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat zur Halbzeitbilanz gebeten. Die Sprecherin der Bürgergemeinschaft Herrsching, Christiane Gruber, eine der Wortführerinnen der sogenannten „Fortschrittskoalition” im Gemeinderat, bekennt sich in diesem Interview zu einer

• Baumschutzverordnung

• zum Bau bezahlbarer Wohnungen in Herrsching

• zu Fahrradwegen nach Andechs und Breitbrunn

• zu einer neuen Aufbruchstimmung in der Gemeinde

herrsching.online: Wie empfinden Sie die Stimmung im Ort? Es regt sich auch außerhalb der Parteien Widerstandsgeist. Macht sich da eine politische Kraft breit, die mehr fordert als die Verwaltung des Status Quo?

Gruber:  Ich begrüße, dass sich Leute kümmern wollen. Es ist schön, dass der Bach erlebbar werden soll. Wir haben jetzt eine Diskussion mit dem Wasserwirtschaftsamt, die es so nicht gäbe, wenn sich Bürger dafür nicht eingesetzt hätten. Ich erhoffe mir natürlich auch, dass es für die Arbeit im Gemeinderat mehr Respekt gibt. Das kann dem Zusammenleben in der Gemeinde nur zugute kommen.

herrsching.online: Würden Sie es sogar begrüßen, wenn die Natur-Freunde eine eigene Liste für die nächsten Kommunalwahl aufstellen würden?

Gruber: Das wäre schade, denn es ist für eine politische Gruppierung immer schwierig, 24 Kandidaten auf einer Liste zur Wahl zu stellen. Das trifft besonders die Bürgergemeinschaft Herrsching, in der sich die Bürger ja nur für die Gemeinde engagieren können.

herrsching.online: Der Zeitgeist, der ja Umwelt- und Naturschutz viel stärker im Fokus hat, müsste sich doch auch in der Kommunalpolitik zeigen. Rein rechnerisch aber gibt es im Gemeinderat ein Patt zwischen der Fortschrittskoalition und den Konservativen. Warum haben es grüne Themen im Gemeinderat so schwer?

Gruber: Herrsching war immer konservativ. Manchmal konnte man diese konservative Stimmung aufbrechen. Aber das ging nur, wenn sich die Konservativen gestritten hatten. Aber zur Begriffsklärung: Grün kann auch bewahrend konservativ sein. Die Beschäftigung mit der Zukunft des Ortes, mit den Visionen fürs nächste Jahrzehnt, das vermisse ich in Herrsching. Es gibt immer noch ein Festhalten an Dingen, die schon immer so waren und so bleiben müssen. Ich aber wünsche mir mehr Aufbruchsstimmung in der Gemeinde.

herrsching.online: Dann fangen wir beim Thema Aufbruch gleich mal bei Ihnen an: Was steht für die nächsten 3 Jahre auf der Agenda der Bürgergemeinschaft?

Gruber: Wir erwarten uns von dem Grünplaner, der jetzt vom Gemeinderat bestellt wurde, einiges. Das betrifft das Thema Baumschutz. Wir unterstützen die Forderung nach einer Baumschutzverordnung, weil sie die einzige Möglichkeit bietet, dass 4 Augen auf einen Baum schauen. Natürlich wird es auch mit einer Baumschutzverordnung möglich sein, einen Baum zu fällen. Und die Verkehrssicherungspflicht wird weiterhin Priorität haben. Aber mit einer Baumschutzverordnung wird dann auch über Ersatzpflanzungen gesprochen. Und wir wünschen uns Kontrollen, die bisher überhaupt nicht stattfinden. Niemand kontrolliert, ob Ersatzpflanzungen überhaupt stattfinden. Deshalb sind wir auch froh über die neue halbe Stelle im Umweltreferat.

herrsching.online: Heißt das, dass Sie der von Pro Natur vorgelegten Baumschutzverordnung zustimmen?

Gruber: Die ist sehr streng, aber Ja, ich würde ihr zustimmen. Ich finde sie sehr gut vorbereitet. Diese Arbeit wird bisher zu wenig gewürdigt. Ich würde mir aber wieder mehr Sachlichkeit in der Diskussion wünschen. Der Antrag der Bürgerinitiative bedeutet nun, dass wir genau diesem Verordnungsentwurf zustimmen. Das würde ich gerne machen. Es kann aber auch sein, dass im Verlauf der Debatte noch einzelne Punkte diskutiert werden. Aber ich würde eine Baumschutzverordnung sehr befürworten.

herrsching.online: Warum eigentlich stemmt sich der Bürgermeister mit aller Kraft gegen eine neue Baumschutzverordnung?

Gruber: Er führt viele Gründe gegen eine Verordnung an  und verweist auf die Mehrzahl bayerischer Gemeinden, die auch keine Baumschutzverordnung erlassen haben. Es gibt auch Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat, die drohen, dass sie vor dem Erlass einer Baumschutzverordnung zur Axt greifen und ihren Baum umhauen. Das Thema ist sehr emotional. Dass er sich auf die Seite der Verordnungsgegner stellt, ist ihm ja auch unbenommen. Mich stört nur, dass der Bürgerinitiative Emotionalität vorgeworfen wird, wenn man selbst mit so vielen Emotionen ins Thema geht.

herrsching.online: Wenn es zu einem Bürgerentscheid käme – würde der für oder gegen eine Baumschutzverordnung ausfallen?

Gruber: Wenn man die Diskussion in der Gemeinde betrachtet, würde ich sagen: Die Hälfte der Herrschinger wünscht sich eine Baumschutzverordnung. Baumschutz sollte nicht nur ein Thema für die Gemeinde sein, sondern auch für jeden einzelnen Bürger. In einigen Mehrfamilienhäusern kommt ein Baum in den Gärten gar nicht mehr vor. Aber zumindest im öffentlichen Raum sollten Bäume erhalten bleiben.

herrsching.online: Die Bürgergemeinschaft ist Herrschings kleinste Partei. Sie hat 26 Mitglieder und 4 Gemeinderäte. Die Grünen haben 44 Mitglieder und 5 Parteimitglieder im Rat. Der Fraktion gehören 7 Mitglieder an. Die BGH ist damit wohl die erfolgreichste Gruppierung in Herrsching.

Gruber: Wir sind quasi überparteilich und können uns auf Herrschinger Themen konzentieren. Wir nehmen einen Jahresbeitrag von 15 Euro. Man muss nicht einmal Mitglied sein, sondern kann sich themenbezogen zu uns gesellen.

herrsching.online: Wenn man Ihr Wahlprogramm liest, könnte man den Eindruck bekommen, die BGH sei eine grüne Gruppierung ohne Gendersternchen und Frauenquote. Richtig?

Gruber: Ich gendere ganz gerne. Aber wir haben mit grünen Themen schon Leute abgeholt. Zum Beispiel Wähler, die das grüne Engagement vermisst haben. Wir sind nicht grüner als die Grünen, aber wir bearbeiten teilweise dieselben Themen. Da gibt es offensichtlich Defizite, die es auszugleichen gilt.

herrsching.online: Welche Ziele haben Sie für die zweite Hälfte der Wahlperiode?

Gruber: Wir wollen das Thema Energie und Umwelt vorwärts bringen. Der Arbeitskreis Umwelt soll nun Ergebnisse liefern. Und wir haben das Thema Wohnraum. Nachdem der soziale Wohnungsbau auf dem Bofrostgelände leider nicht geklappt hat, müssen wir dringend weiter nach bebaubaren Grundstücken suchen. Das Projekt Bezahlbarer Wohnraum am Mitterweg, das auf unsere Idee zurückgeht, soll unbedingt vorwärts gebracht  werden. Es ist ja geplant, dass wir 2024 mit dem Bau beginnen, wenn die Finanzierung steht. Die angedachten 12 Euro Miete pro Quadratmeter werden aber wahrscheinlich nicht zu halten sein. Der Bahnhof ist leider ein längerfristigeres Projekt, dafür bekommen wir ja irgendwann den Pfarrsaal in der alten Nikolauskirche.  Ein anderes Thema ist die Beschäftigung mit unserer Gemeindegeschichte. 2026 feiern wir ein Jubiläum in Herrsching, und da muss man über belastete Straßennamen nachdenken. Ich wäre eigentlich dafür, dass man die Ploetz-, die Madeleine-Ruoff- und die Erich-Holthaus-Straße umbenennt.

herrsching.online: Wollen Sie sich auch dem Thema Stellplatzordnung widmen?

Gruber: Die Anzahl der Stellplätze, die in der gültigen Satzung vorgeschrieben wird, ist tatsächlich nicht mehr zeitgemäß. Ich glaube, dass die Stellplatzsatzung für ein Mehrfamilienhaus, das 300 Meter vom Bahnhof entfernt liegt, anders ausgelegt sein könnte als bei einem Haus in Widdersberg fernab des ÖPNV. Bei dem Miet-Siedlungsprojekt der Gemeinde Utting konnte der Stellplatzschlüssel angepasst werden.

herrsching.online: Über die Stellplatzsatzung entscheidet ja der Gemeinderat und nicht irgendein Landesgesetz…

Gruber: Ja, da sollten wir schon drangehen.

herrsching.online: Das würde dann vielleicht auch weniger Verkehr auf die Herrschinger Straßen bringen. Ein Verkehrskonzept, das den Individualverkehr nicht mehr privilegiert, könnte viele Probleme lösen?

Gruber: Die Ursachen dafür liegen auch in der Vergangenheit. Zum Beispiel den Bahnhofsvorplatz als Begegnungszone auszugestalten, wurde sogar von der Polizei abgelehnt. Der preisgekrönte Entwurf sieht ja auch vor, dass nur noch Taxen und Busse auf dem Bahnhofsvorplatz fahren dürfen. Ich bin übrigens sehr gespannt, wie die neuen Fahrradstraßen in der Madeleine-Ruoff-, der Rudolf-Hanauer-, der unteren See- und der Summerstraße  funktionieren. Ich finde dieses Konzept super.

herrsching.online: Fahren die Herrschinger gerne und oft genug Rad?

Gruber: Ja. Ich bin aber immer wieder überrascht, wie begeistert Herrschinger von den Radfahrer- Infrastrukturen an der Ostsee, in Münster oder Oldenburg erzählen. Wenn aber radfahrende Urlauber an den Ammersee kommen, dann sind sie enttäuscht. Auf dem Weg nach Andechs oder nach Breitbrunn zum Beispiel fehlen straßenbegleitende Radwege. Ich bin sehr für diese Wege und fände es sehr schade, wenn das an den Grundstücksverhandlungen scheitern würde.

6 Comments

  1. Als Ureinwohner von Herrsching wundere ich mich schon, dass die BGH inkl. Frau Gruber hier gefeiert wird, obwohl u. a. auch diese Partei BGH inkl. Frau Gruber an der Zerstörung des Biotops, inkl. Beseitigung der großen Mengen an Torfschichten und damit verbundenen Freisetung von CO2 bei dem Neubau Gymnasium Herrsching tatkräftik als Gemeinderätin mit ihrer Zustimmung zum Bebauungsplan mitgewirkt hat! Ich darf davon ausgehen, dass Frau Gruber, wie auch die restlichen Befürworter des Bebaungsplanes für das Gymnasium im Gemeinderat, hier vollumfänglich wissend dieser Vernichtung des Biotops zugestimmt haben. Nix für unguat!

  2. Ob kommunalpolitisch interessiert oder nicht, können Herrschinger/innen froh sein, dass Frau Gruber im Gemeinderat mitwirkt. Im konkreten Einzelbeispiel ist es gleich, ob Wohnen, Flüchtlinge, Naturschutz oder Verkehrswende etc.; entscheidend ist der Bezug zur Vergangenheit und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen für die Zukunft.

    Die von herrsching.online identifizierten Gemeinderäte/innen einer sog. Fortschrittskoalition z.B. mit der FDP gibt es leider nicht. Das Interview mit Herrn Keim ist zwar für seine Klientel eine klare Orientierung. Aber Fortschritt kommt in seinen Ausführungen nicht vor.

    Solange inhaltliche Reflexe zu den o.g. Themen in der politischen Farbenlehre bestehen bleiben, wird der Druck auf den amtierenden Bürgermeister nicht hoch genug ausfallen.

    Gerade die CSU mit ihrer gerne proklamierten Bewahrung der Schöpfung – (dazu gehören neben unserer Spezies auch was sonst so wächst, kreucht und fleucht sowie flüchtet und ein Dach über dem Kopf benötigt) – sollte sich bei anstehenden Entscheidungen einen Ruck geben und zu der Erkenntnis kommen, dass die Bewahrung der„alten Verhältnisse“ direkt in die Katastrophe für bereit geborene Kinder, Enkel und Kindeskinder führt.
    Frau Kodisch- Kraft ist ja eine Mutmacherin bei der Phantasie.

  3. Deine gut fundierten Aussagen zu den brennendes aktuellen Themen hier in Herrsching haben mich sehr gefreut. Besonders die Bemerkung “Wir sind nicht grüner als die Grünen” zeigt mir als GRÜNEN, dass wir nur gemeinsam (auch mit aktiv werdenden Bürgern) die Zukunft gestalten können.

  4. Ich erlebe, dass sich die Gemeinderät*innen der BGH für Bürgerthemen engagieren und auch einen Blick für Visionen haben, die Herrsching in Zukunft gestalten könnten. Genau das braucht unsere Gemeinde dringend !!!
    Meinerseits größte Anerkennung dafür !

  5. Ein grossartiger Beitrag, finde ich! Hoffentlich wird er von Vielen gelesen! In der Bürgerversammlung in Widdersberg am 16.3. 2023 wurde übrigens ein Antrag für eine neue Baumschutzverordnung mit, wie ich mich zu erinnern glaube,
    16 zu 9 Stimmen angenommen. Vielleicht gibt es ja inzwischen auch in Herrsching eine grosse Anzahl von Bürger*innen, die das wollen? Dann würden doch die wenigen Herrschinger, die vorher ihre Bäume noch schnell fällen wollen, kaum noch ins Gewicht fallen, oder? Und das Ortsbild in Herrsching, Breitbrunn und Widdersberg verlöre nicht weiter an Charme und Schönheit? Auch Natur, Tier und Mensch könnten aufatmen?

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