Gräben und Mulden können das Wasser von Sturzfluten vorübergehend „aus dem Verkehr ziehen" und Überschwemmungen verhindern. In Lochschwab gibt es solche Wasserstauräume. Nachteil: Hier entwickeln sich auch Stechmücken, die der Biologe Matthias Galm (Foto) mit BTI bekämpft.

Stauraum für überschüssigen Regen

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Bürgerin beantragt Konzept für eine „Schwammstadt”/Bürgerversammlung nahm Antrag an//

Viele Herrschinger haben noch nie etwas von einer Schwammstadt gehört – jetzt muss sich sogar der Gemeinderat damit befassen. Die Film-Journalistin Karin Casaretto hatte in der Bürgerversammlung den Antrag gestellt, dass Herrsching für eine Schwammstadt sogar ein Ortsplanungskonzept entwickelt. Konkretes Anliegen: Ein Zuviel an Regenwasser soll nicht durch die Straßen fließen, sondern in grünen Stauräumen wie Moosdächern gebunkert werden. Der Antrag wurde in der Bürgerversammlung angenommen. herrsching.online hat bei der Kienbach-Anliegerin nachgefragt, was sich hinter dem Antrag verbirgt.

herrsching.online: Schwammstadt – hört sich etwas quietschig an. Nun haben wir bei Eckhart von Hirschhausen gelernt, dass moderne Städte „Stauraum” fürs Regenwasser schaffen. Braucht Herrsching auch mehr Schwämme?

Antragstellerin Karin Casaretto

Casaretto: Letzten Sommer bin ich auf dem Heimweg in einen Starkregen gekommen. Ich stand in einem Eingang und schaute auf die Straße. Sie hatte ein leichtes Gefälle. Ich konnte beobachten, wie die Regenmengen einfach über den Gulli hinweggeschossen sind. Der Gulli war nicht verstopft, aber die Wassermenge war einfach viel zu groß und hatte durch die leichte Hanglage eine enorme Fließgeschwindigkeit. Wenn sich solche Ereignisse dann addieren, schießt das Regenwasser wie 2016 sturzflutartig die Straßen herab.

In Schwammstädten wird darauf geachtet, dass Regenwasser möglichst da aufgefangen wird, wo es vom Himmel fällt und auch genau dort wieder dem Wasserkreislauf über die Verdunstung zugeführt wird. Das verhindert Sturzfluten in ihrer Entstehung.

herrsching.online: Und was bedeutet das konkret?

Casaretto: Das Problem sind Straßen, Dächer und große Asphaltflächen. Dort kann Wasser eben nicht direkt im Boden versickern. Dadurch können große Wassermengen in Bewegung kommen. Auf der Sturzflutrisikokarte, die gerade für Herrsching erstellt wird, können wir sehen, wo als erstes  Handlungsbedarf besteht.

herrsching.online: Lassen sich in Herrsching Maßnahmen für ein besseres Versickerungspotenzial durchsetzen?

Casaretto: Ja. Ein begrüntes Blechdach beispielsweise kann zum Insektenparadies werden. Gleichzeitig speichert es Regenwasser und verringert den sturzflutartigen Abfluss ganz wesentlich. Nach dem Regen kann das Wasser verdunsten und fördert das Mikroklima. Und auf dem Dach wird neuer Lebensraum geschaffen.

herrsching.online: Aber das kann ja noch nicht alles sein?

Casaretto: Schwammstädte bestehen immer aus einer Kombination von verschiedenen Maßnahmen, wie Dachbegrünungen, Sickermulden und Rigolen (unterirdisches Auffangbecken für Regenwasser; Red.), Grünflächen, manchmal auch künstlich angelegten Seen oder Feuchtbiotopen. Wir könnten beispielsweise auch um den Bahnhof herum den Kienbach nutzen, indem wir ihn öffnen, verzweigen und Retentionsraum…

herrsching.online: … also Rückhalteraum…

Casaretto: …schaffen. Beim Straßen- und Stellplatzbau gibt es einen ganzen Katalog an sinnvollen Maßnahmen. Das beauftragte Grünplanbüro könnte ein regeneratives Wassermanagement in seine Grünplanung integrieren und daraus Leitlinien für Herrsching entwickeln. Ob man das dann Schwammgemeinde nennt oder nicht, ist doch egal.

4 Comments

  1. Pro Natur Herrsching hat ein Jahr lang versucht mit den unterschiedlichsten Akteuren in Herrsching Kontakt aufzunehmen und in unregelmäßigen Abständen mehrfach auf das Thema der unzureichenden Entsiegelung hingewiesen.
    Leider ist es nie gelungen, mit den Ansprechpartnern der Gemeinde oder anderen Akteuren darüber in einen Austausch zu kommen.

    Die Gemeinde hat sich eine Stellplatzsatzung gegeben in der seit fast sieben Jahren geregelt ist, wie z.B. Entsiegelung in Zufahrten und Stellplätzen aussehen soll.
    Auf letzte Nachfrage im Januar dieses Jahres wurde aus der Stadtverwaltung mitgeteilt, dass die Überprüfung der Satzung u.a. aus Mangel an Kapazitäten nicht möglich sei.

    Wenn mit unserem Geld steuerfinanziert die Folgen des Mangels durch ein nachgelagertes Sturzflutmanagement bearbeitet werden sollen, ist die Frage warum die Gemeinde seit Jahren nicht den selbst auferlegten Verpflichtungen nachkommt?

    Auffällig ist, dass nahezu alle institutionellen Bauherren in der Lage sind, die Entsiegelung respektive Versickerung auf den Grundstücken zu gewährleisten.
    Wenn es aber an die ggf. strittige Auseinandersetzung mit dem privaten Grundstücksbesitzer geht (potentieller Wähler?!) die Gemeinde keine Anstalten macht, zu ihren Satzungsbedingungen Versiegelungen zu unterbinden.

  2. Vielleicht mögen Bürgermeister und Gemeinerätinnen und Räte Herrschings ja auch mal überdenken, was sie selbst zur Erhöhung der Gefahren von Sturzfluten beitragen, anstatt sie zu verhindern? Werden doch in den letzten Jahren, ohne Skrupel und Einschränkungen immer mehr Maximalbebauungen genehmigt? In Neuwiddersberg ist inzwischen, neben vielen anderen Neubebauungen, auch ein riesiger steiler Hang damit vollgepackt worden. Und da, wo einst ein Buchenwäldchen und herrliche Bäume, Wiesen und Sträucher den Regen aufnahmen, ist der Boden jetzt nur noch dicht an dicht mit grauen Betonklötzen plus riesigen Garagen und Schottergärten zugebaut und versiegelt.
    Viele Keller der alteingesessenen Bürgerinnen haben dadurch zum großen Ärger bereits jetzt schon bei Starkregen nasse Keller.
    Wo bleibt da bei den Baugenehmigungen ein vorausschauend geplanter Sturzflutenschutz?

  3. Wir befinden uns am Beginn des Klimawandels. Wetterereignisse werden in den kommenden Jahren noch extremer, so die Prognosen.
    Die Gemeinde Herrsching ist sich seit Jahren ihres erhöhten Sturzflutrisikos bewußt. Das Sturzflutrisikomanagement der FA Specter ist ein guter Ansatz, um Überschwemmungsrisiken zu lokalisieren.
    Aber mir persönlich reicht es nicht aus, wenn ich per App gewarnt werde, dass eine Sturzflut im Anmarsch ist. Letztlich möchte ich, dass mein Haus gar nicht erst überschwemmt wird.
    Die Gemeinde muss dort tätig werden, wo Sturzfluten entstehen.
    München ist seit 2021 Schwammstadt. Also – warum nicht auch in Herrsching !

  4. In München, auch in den Außenbezirken, ist es seit mehr als 20 Jahren so, dass jegliche Bodenversiegelung genauestens begründet und genehmigt werden muss. Wer schon mal erlebt, hat was es bedeutet, wenn der Keller unter Kanalniveau ist und bei Starkregen die Kanäle so gefüllt sind, dass es sogar die Kanaldeckel hochdrückt, der weiß, was “Rückstau” bedeuten kann.
    Nur wenn es gelingt, das Problem am Entstehungspunkt zu nivellieren, wird man diesem zunehmendem Phänomenen Herr werden. Die Natur hat nicht umsonst Böden saugfähig gemacht und Wiesen und Bäume entstehen lassen… Prio 1: Globale Erwärmung eindämmen, Prio 2: Starkregenereignisse dort abfangen wo sie entstehen, und wenn das alles nicht geht, dann vielleicht Kanäle vergrössern und Mauern erhöhen. Aber das ist sicher die schlechteste Lösung.

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