Diplom-Ingenieurin Angela-Burkhardt-Keller

„Großreinemachen beim Laub ist schlecht für die Natur”

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„Wer das Verbot der Inbetriebnahme von Laubbläsern und Laubsaugern nicht einhält, kann mit einer Geldstrafe bis zu 2.180 Euro bestraft werden…” So steht es in einer Verordnung für die Stadt Graz. Luzern hat ein eigenes Laubkonzept erarbeitet, um so wenig Laub wie möglich wegfahren zu müssen. Starnberg verzichtet weitgehend auf Laubbläser, und die Gemeinde Wörthsee warnt: „Laubbläser verursachen ökologische Schäden und gefährden Ihre Gesundheit.” Herrsching aber bläst weiter, als sei Laub der Erzfeind im bunten Tarnanzug. Ein Laubbläser verbrennt übrigens bis zu 1,4 Liter Benzin in der Stunde. herrsching.online hat die Diplom-Ingenieurin und zertifizierte Baumkontrolleurin Angela Burkhardt-Keller vom BUND gefragt, wie schädlich die flächendeckende Laubentfernung wirklich ist.

Foto: Gerd Kloos

herrsching.online: Alle wollen Bäume, keiner will das Laub. Sind die bunten Blätter lästiger Bioabfall oder generell ein biologischer Segen für die Natur?

Burkhardt-Keller: Die Natur hat es so eingerichtet, dass Bäume im Herbst in die Winterpause gehen, ihren Saftfluss einstellen und ihre Blätter verlieren. Im Winter würden die Bäume sonst erfrieren. Das kann man sich vorstellen wie eine gefrorene Gartenwasserleitung. Die stellen wir im Winter ja auch ab. Das Laub enthält noch viele Nährstoffe, die den Bäumen wieder zugeführt werden, wenn das Laub vor Ort liegen bleibt, zersetzt wird und verrottet. In den nächsten Jahren kann über den Nährstoffkreislauf der Baum diese Stoffe wieder aufnehmen. Außerdem ist Laub Nahrungsgrundlage und Lebensraum vieler Tiere wie z.B. Insekten und auch Säugetiere. Denken wir nur an den Igel. Laub ist also fester Bestandteil des Kreislaufs der Natur. 

herrsching.online: Besonders Kommunen kämpfen gegen das Laub einen teuren Kampf. Welche Bereiche und Zonen müssen vom Laub befreit werden, und wo in Städten und Gemeinden sollte Laub in Ruhe verrotten dürfen?

Burkhardt-Keller: Laub auf Geh- und Fahrradwegen kann gefährlich werden, wenn es nass und rutschig wird und die Gefahr besteht, dass Menschen dort stürzen und sich verletzen. Ähnlich gilt das auch auf Straßen. Eine dicke Laubschicht auf Wiesen oder Rasen kann dazu führen, dass das Gras abstirbt, weil es kein Licht mehr bekommt. Daher kann es hier sinnvoll sein, einen Teil des Laubs zu entfernen. Unter Hecken und Sträuchern sollte das Laub aber unbedingt liegen bleiben. Es gibt Kommunen, die gezielt Baumstandorte im Siedlungsbereich mit Stauden unterpflanzen, damit sich dort das Laub fängt und hilft, Feuchtigkeit zu speichern und die Nährstoffe aus den Blättern durch die Zersetzung dem Baum wieder zuzuführen. Die Devise sollte sein: Soviel wie unbedingt nötig entfernen und soviel wie möglich belassen. Viele Kommunen neigen im Herbst zum Großreinemachen in Sachen Laub. Das ist nicht nur teuer, sondern auch schlecht für die Natur.

herrsching.online: Wie sieht denn die Öko-Bilanz der Laubbläser aus? Was machen sie kaputt?

Burkhardt-Keller: Laubsauger sind meist mit konventionellem Kraftstoff betrieben. Das bedeutet: Sie produzieren CO². Außerdem sind diese Maschinen oft sehr laut. Die wenigsten Kommunen und Hausmeisterservices arbeiten mit Akkugeräten. Der Lärm stört viele Menschen. Laubbläser blasen das Laub zusammen. Dabei wird Feinstaub aufgewirbelt, der für uns Menschen sogar gesundheitsgefährlich sein kann. Außerdem werden alle kleinen Lebewesen, die sich im Laub befinden, auch mit zusammengeblasen. Wir beklagen das Insektensterben und damit den Rückgang der Vogelwelt in der freien Landschaft. Dass im Herbstlaub in unseren Städten und Dörfern viele Insekten leben, die auch Teil der Nahrungskette sind, ist vielen nicht bewußt. 

herrsching.online: Das Argument vieler Kommunen: Mit konventionellem Werkzeug brauche man dreimal soviel Personal wie mit den Krachmachern. Es gibt aber Meldungen aus Graz und anderen Orten auch im Kreis Starnberg, dass dort kein zusätzliches Personal nötig war, obwohl auf Laubbläser verzichtet wurde. Wie sieht das der BUND?

Burkhardt-Keller: Kommunen sollten sich genau überlegen: Wo ist Laub aus Sicherheitsgründen unbedingt zu entfernen und wo kann es einfach liegenbleiben. Kommunen sollten sich vom herbstlichen Großreinemachen verabschieden und in Sachen Laub mehr Gelassenheit an den Tag legen. Außerdem sollte überlegt werden: Welche Strukturen können wir im innerstädtischen Grün schaffen, die Laub in der Fläche halten, damit ein teurer Abtransport des Laubs vermieden werden kann.  

Anmerkung der Redaktion: Kommentare zu diesem Artikel und zum Thema dieses Artikels sind willkommen. Beiträge, die persönliche Verunglimpfungen enthalten und den sozialen Frieden in der Gemeinde stören könnten, werden von der Redaktion gelöscht. Es gibt genug Hass in der Welt, lassen Sie uns gesittet diskutieren.



4 Comments

  1. Liebe Silvana Prosper, v1ielleicht kümmern sich in der nächsten Zeit ein paar umwelt- und heimatverantwortliche Gemeinderäte um die Sache mit dem Boden und dem Laub. Übrigens liegt seit einiger Zeit viel Laub auf den Plastikmatten im Obst-und Spielplatzgarten in Breitbrunn. Dieses Laub liegen zu lassen, macht aber keinen Sinn. Frage an die Chefs des Bauhofes und das Bauamt, die die Einsatzplaene machen… WISSEN SIE WARUM? Ich denke, dass derjenige, der mir diese Frage beantworten kann, alles verstanden hat. Jetzt bitte aber mit dem Besen und Rechen zusammenkehren. Die Kinder freuen sich, rutschen dann auf dem nassen Laub nicht aus und maschinelle Energie wurde auch gespart.

  2. Der Laubbläser – der Rüssel des Mannes – oder wurden schon irgendwo Frauen damit gesichtet?
    Es spricht alles dagegen, die Argumente sind bekannt, warum passiert nichts?

  3. Ergänzung… Die Ortsvorstaende der Gartenbauvereine in Bayern wurden mit den zuständigen Kreisverbanden schon vor Jahren gebeten, über die schädlichen Laubblaeser aufzuklären. Wenn schon die Chefs des Bauhofes dies nicht verstehen wollen, warum stellt sich Bgm. Schiller und einige Gemeinderatsmitglieder gegen die Abschaffung? Ich denke, dass das Problem in der letzten Sitzung nicht gelöst wurde und im nächsten Jahr 2023 erneut für Ärger sorgt. Heidi Körner 1. Vorstand, Gartenbauverein Breitbrunn

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