Der Chef der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, referierte im Andechser Hof über die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr. Gerhartz war auf Einladung der CSU-Vorsitzenden Fromuth Heene und des Arbeitskreises Außen- und Sicherheitspolitik gekommen. Links der Bezirksvorsitzende der ASP, Peter Staudt. Foto: Gerd Kloos

Luftwaffenchef plädiert für soziales Dienstjahr

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„Ich komme jetzt öfter nach Herrsching, da bekomme ich mehr Beifall als in Berlin“, scherzte der Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, als ihn die CSU-Vorsitzende Fromuth Heene und ein voller Saal dankbar verabschiedeten. Heene war mit dem Vortrag des Luftwaffenchefs der Coup des Jahres gelungen. Falls Putin ein Ohr im Saale hatte, wird er vielleicht die zentrale Botschaft des Generals vernehmen: Die Luftwaffe ist einsatzbereit. Szenenapplaus bekam Gerhartz, als er sich für ein soziales Dienstjahr nach der Ausbildung einsetzte. Bei der Frage nach der Wehrpflicht hielt sich der General bedeckt. Mit großer Sachlichkeit beantwortete er eine Dreiviertelstunde lang Fragen aus dem überwiegend fachkundigen Publikum.

Nicht vom Fach war eine besorgte Bürgerin, die den General nach der nuklearen Bedrohung durch die Russen fragte. Ob sie die Antwort von Gerhartz beruhigte, wissen wir nicht, aber der General sagte nichts, was neue Ängste schürte: Er glaube nicht, dass Putin Atomwaffen einsetze. Als der Kreml-Kriegsherr seine Nuklearstreitkräfte in erhöhte Alarmbereitschaft versetzte, habe die Nato sehr besonnen reagiert und die nukleare Eskalation nicht mitgemacht. Ein jüngerer Zuhörer wollte wissen, ob durch Zwischenfälle im baltischen Luftraum ein Konflikt entstehen könne. Gerhartz, der als Kampfpilot Eurofighter, Tornados und sogar MIGs fliegen darf, beruhigte den Fragensteller: „Meine Piloten im Baltikum sind hochprofessionell und sehr besonnen. Die zeigen sich, wenn sich Russen dem Nato-Luftraum nähern, aber sie lassen sich nicht provozieren.“

Die CSU-Ortsverbandsvorsitzende Fromuth Heene hatte den Luftwaffenchef mit der Bemerkung, dass die vom Kanzler verkündete „Zeitenwende“ noch stocke, herzlich begrüßt. Und der Bezirksvorsitzende des Arbeitskreises Außen- und Sicherheitspolitik in der CSU, Peter Staudt, meinte sarkastisch, dass man Putin fast dankbar sein müsse, weil sein Krieg mehr Zusammenhalt in der NATO und mehr Geld für die Bundeswehr gebracht habe.

Der Luftwaffenchef Ingo Gerhartz besitzt eine beeindruckenden Expertise am Steuerknüppel von Kampfjets mit insgesamt 2500 Flugstunden. Er begann seine Rede mit einer politischen Einschätzung der explosiven Weltlage: „Die Amerikaner sagen uns: Ihr in Europa müßt mehr Verantwortung übernehmen, schließlich habt Ihr den Krieg vor Eurer Haustür.“ Und die Politik habe nun ein Stück weit reagiert. Seit der Wende sei es abwärts gegangen mit der Verteidigungsfähigkeit. Aber es habe sich vieles gebessert: „Die Lage der Bundeswehr ist besser, als sie in den Medien dargestellt wird. Wir sind – trotz des nach wie vor anstehenden Modernisierungsbedarfs – einsatzbereit.“ Als er 2018 als Inspekteur der Luftwaffe angetreten sei, habe die Einsatzbereitschaft bei 35 Prozent gelegen. Heute haben wir 80 Prozent.“ Flapsig gestand der General aber ein: „Ja, wir haben auch noch altes Zeug auf dem Hof stehen.“ Als Beispiel hoher Einsatzbereitschaft nannte er die Verlegung von 6 Eurofightern am Tag des Kriegsbeginns. Die Maschinen seien 3 Stunden nach dem Einsatzbefehl nach Rumänien unterwegs gewesen. Die Luftwaffe habe in der Krise geliefert. Sie sei nun täglich im sogenannten Air Policing (Luftraum-Polizei) über dem Baltikum unterwegs.

Dass auch er persönlich „liefern“ kann, erzählte er beiläufig und nicht ganz ohne Stolz: Gerhartz hat einen Eurofighter in 8 Stunden von Singapur nach Japan geflogen. Auf dem Rückflug mit der Lufthansa habe er zur Flugbegleiterin gesagt, er gehe nun einmal stündlich zur Toilette, einfach weil man das hier könne… Solche Episoden aus dem Fliegerleben haben die Zuhörer hörbar genossen – als kleine Ablenkung von großen Themen.

Auch an der Verlegung von 100 amerikanischen Kampfjets nach Deutschland hatte sich Gerhartz beteiligt. Er habe den amerikanischen Kollegen nach Neuschwanstein eingeladen, sei mit ihm eine Runde im Eurofighter geflogen und habe ihm anschließend noch eine Lederhose geschenkt. Ok, meinte der Kollege, ihr kriegt die 100 Flugzeuge.

Woher die Bundeswehr aber fähiges Personal bekomme, das sei eine schwierige Frage. Da kam dann schnell die Frage nach der Wehrpflicht auf. Gerhartz scheint aber kein großer Fan von zwangsverpflichteten Soldaten zu sein. Bei der Luftwaffe jedenfalls, so deutete der General an, habe man für nicht ausgebildete Wehrpflichtige kaum Verwendung. Aber ein allgemein verpflichtendes soziales Dienstjahr würde er sehr begrüßen, gab Gerhartz zu Protokoll und bekam dafür viel Beifall aus dem Publikum. Die applaudierenden Damen und Herren im Saale müssten diesen Dienst freilich nicht mehr leisten – die meisten haben schon die Pensionsgrenze überschritten.

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