Eigentlich ging’s um Macht und Ohnmacht des Pfarrers. Aber lebhaft wurde die Diskussion erst beim Thema Nummer eins in der katholischen Kirche: dem Missbrauchskomplex. Pfarrer Simon Rapp gab sich in einer öffentlichen Diskussion mit den Gläubigen einerseits zerknirscht („die Kirche ist moralisch vom höchsten Ross gefallen“), andererseits forderte er Anerkennung für die Aufklärungs- und Präventionsarbeit der Kirche. Rapp distanzierte sich in einer Veranstaltung in der Heilig-Geist-Kirche in Breitbrunn überraschend klar vom Hirtenbrief des Augsburger Bischofs („Jeder blamiert sich auf seine Weise“).
Das Ergebnis der Kirchenkrise: Im letzten Jahr sind in Herrsching 100 Mitglieder aus der Kirche ausgetreten. In diesem Jahr, so eine Rathaus-Sprecherin, seien jetzt schon 43 Vorgänge bearbeitet worden. Dazu kämen noch weitere 13 Anfragen nach Terminen im Standesamt. Damit ist nach 45 Tagen schon die Hälfte der Austritte des letzten Jahres erreicht worden. Die evangelische Kirchengemeinde dagegen trifft es nicht so hart: Sie registrierte nur 4 Austrittswillige.

Die Frontfrau der Herrschinger Maria2.0-Bewegung, Uli Spindler, hatte bemängelt, dass der Augsburger Bischof in seinem Hirtenbrief mit keinem Wort den Missbrauchskomplex und das aktuelle Gutachten erwähnt hatte. Rapp erzählte, dass die Dekane des Bistums ihrem Chef dringend abgeraten hatten, auf der Verlesung des letzten Hirtenbriefs zu bestehen. Doch der Bischof habe auf dem Brief bestanden. Rapp kommentierte das lakonisch: „Jeder blamiert sich auf seine Weise“.
Das brachte einen Zuhörer in Wallung: „Im Glaubensbekenntnis ist von der heiligen katholischen Kirche die Rede. Ich glaube schon lange nicht mehr an die „heilige“ Kirche.“
Rapp trat für seine Oberen aber nicht nur im Büßergewand auf: „Keine andere Institution, seien es Vereine, Feuerwehren oder andere Verbände mit Jugendlichen, haben soviel in Prävention und Aufklärung investiert wie die Kirche“, meinte Rapp, „wir haben in der Kirche kein Aufklärungs- sondern ein Umsetzungsproblem.“ Rapp verwies auch auf die schwierige Situation der Pfarrer in der Jugendarbeit: „Wir sind Freiwild, wir werden verurteilt von der Öffentlichkeit, auch wenn wir völlig unschuldig sind.“ In der Jugendarbeit habe man neue Umgangsformen lernen müssen, um keinen Verdacht zu erregen. Inzwischen müsse jeder Mitarbeiter, der Kontakt mit Jugendlichen habe, eine Präventionsschulung mitmachen.
Der Missbrauchsskandal sei für manche Kirchenmitglieder, die jetzt ausgetreten seien, der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe. Mitunter würden sich Neubürger, die nach Herrsching ziehen und sich auf dem Rathaus anmelden, den Termin gleich für einen Besuch beim Standesamt nutzen. Ein Katholik sei wegen großer Steuernachzahlungen ausgetreten, nach einem Jahr aber wieder eingetreten. Rapp bietet jedem Austrittswilligen ein klärendes Gespräch an.
Aber nicht nur der Missbrauchskomplex, auch die Gottesdienstordnung brachte die Diskussion in Fahrt: „Sie haben mir den Sonntagsgottesdienst gestohlen“, schleuderte eine resolute Breitbrunnerin ihrem Pfarrer entgegen. Grund der Erregung war die Verlegung der Sonntagmorgen-Messe auf den Samstagabend. Rapp verteidigte sich mit dem Hinweis, dass er zwar einen Vorschlag für die Gottesdienstzeiten in Herrsching, Inning, Breitbrunn und Widdersberg gemacht habe. Abgesegnet hätten ihn die Pfarrgemeinderäte. „Ich lade Sie ein, organisieren Sie halt einen Wortgottesdienst am Sonntagmorgen in Breitbrunn“, forderte Rapp die Kritiker auf . „Man muss halt auch mal die Macht der demokratischen Gremien nutzen und den Pfarrer überstimmen“, empfahl der Pfarrer.
Berichtigung.
Mein Beitrag zur Diskussion lautete nicht, dass Herr Pfarrer Rapp bei der Neuorganisierung der Gottesdienstordnung mir den Sonntwgsgottesdienst mit der Breitbrunner Gemeinde gestohlen, sondern genommen hat. Meinen Vorschlag die Vorabendmesse vom Samstagabend auf den Sonntagabend zu verlegen, griff Herr Pfarrer Rapp nicht auf. Die katholische Kirche aber hat den Sonntag immer geehrt und in Herrsching finden auch zwei Sonntagsgottesdienste statt. Der Vorschlag des Wortgottesdienstes als Ersatz für die eucharistische Messe scheint mir dagegen nur bedingt eine Lösung zu sein. Aber wenn das dann demokratisch so beschlossen wurde, dann ist mir das dann halt recht. Heidi Körner