Die eiserne Kralle packt zu: Fällungen an der Fischergasse

Baum- und Bachfreunde gründen Bürgerinitiative

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Herrsching brodelt: Nach dem Kahlschlag an der Fischergasse und der brachialen Rodung am Fendlbach wehren sich Umweltschützer, Baumfreunde und Naturbach-Liebhaber gegen kalte Technokraten-Logik. Die Umweltaktivistin Christine Voit gründet nun eine Bürgerinitiative für den Erhalt des Kienbachs als „grünes Kleinod“. Die studierte Geografin hat inzwischen viele Unterstützerinnen und Freunde aktiviert. Die Kommunalpolitiker in Herrsching werden es mit einer rührigen Umweltlobby zu tun bekommen. In herrsching.online zeigt die bestens vernetzte Herrschingerin Optionen für eine grünere Gemeinde auf.

Christine Voit

herrsching.online: Die Kienbach-Sanierung entwickelt sich zum kommunalpolitischen Topthema. Was könnte sich aus der Sanierung des Kienbachs bestenfalls und schlimmstenfalls entwickeln?

Voit: Die Gemeinde steht in dieser Frage tatsächlich an einem Scheideweg. Schlimmstenfalls käme es dabei zu Lagerbildung und Konfrontation.

Es ist zu hoffen, dass der Wunsch nach Schutz der Natur auf der einen Seite nicht  gegen den berechtigten  Wunsch nach Hochwasserschutz ausgespielt  wird. Die Natur haben wir nicht zum Gegner, sondern als Verbündete, wenn wir es klug anstellen im Wissen, dass in der Natur alles vernetzt ist und brachiale Eingriffe  mittelfristig eher das Gegenteil bewirken. CO2 Speicher im Namen des Hochwasserschutzes zu fällen, bedeutet, einen Klimawandel mit Erwärmung und Überschwemmungen zu befördern.

„Kleinod statt seelenloses Schussgerinne“

Es gibt viele gute Beispiele, wie Hochwasserschutz mit der Natur gelingt. Bestenfalls kommt es zu gemeinschaftlichem Engagement aus Bürgerschaft und Gemeindeverwaltung, die sich beim Wasserwirtschaftsamt nachdrücklich für einen naturnahen Ausbau des Kienbachs einsetzen. Es wäre schön, wenn viele Herrschingerinnen und Herrschinger erkennen, welches Kleinod sich  durch ihre Gemeinde schlängelt (die Touristen wissen das schon lang). Und dass sie ein Auge darauf werfen, dass am Ende der Ausbaumaßnahmen nicht ein seelenloses  „effektives Schussgerinne“ steht, wie das Wasserwirtschaftsamt es nennt.

Der Kienbach – Herrschings grüne Lunge: Wollen Behörden die Ufer zubetonieren? Foto: Gerd Kloos

herrsching.online: Politisch akut wurde die Sanierung durch die Fällung der 5 Bäume am Ufer der Fischergasse. War die Fällung Ihrer Ansicht nach technisch geboten und juristisch sauber begründet?

Voit: Die Fällung Ende Januar, veranlasst durch das Wasserwirtschaftsamt, war ein monströser Eingriff in die Natur an prominenter Stelle im Ort. Niemanden, der dabei war, hat es kaltgelassen, wie große, gesunde, ortsprägende Bäume, in denen so viel Leben war, mit Kränen entfernt wurden und wie am Fließband in kurzer Zeit zu Kleinholz gemacht wurden – als ob es sie nie gegeben hätte. Nur die Vögel flogen am Abend auf der Suche nach ihren gewohnten Schlafplätzen ins Leere.

„Bürgerinitiative ist gerade im Werden“

So traurig es ist, diese Fällung, die so viele aufgeschreckt hat, sie könnte auch ein Wendepunkt sein. Denn unter diesem Eindruck entstand die Idee der Gründung einer Bürgerinitiative, die gerade im Werden ist. Bei unserem Verteiler melden sich täglich neue Interessierte, Leute, die sehen, dass dem ökologischen Kahlschlag begegnet werden mus, der  in den letzten Wochen nicht nur am Kienbach stattfand.

Ich bin weder Juristin noch Wasserbauingenieurin, hab aber ein Geographiestudium mit Schwerpunkt Hydrologie. Ohne mir also explizite Fachkenntnisse anzumaßen,  zeigen doch unzählige Aufnahmen von Anwohnern  am Kienbach vor der Fällung, dass maximal einer der 5 Bäume mit dem Wurzelwerk etwas in die Mauer eingedrungen war. Eine akute Gefahr ist dadurch schwer begründbar. Es war außerdem ein Sonderfall, dass auf privatem Grund gefällt wurde, und dass genau diese Bäume auf diesem Grundstück alle eine Gefahr dargestellt haben sollten. Wir sind da dran, Licht ins Dunkel zu bringen. Eine Anwohnerin hat diesbezüglich an Herrn Raab vom Wasserwirtschaftsamt eine Liste von Fragen geschickt, die sich sowohl auf die fachliche als auch naturschutzrechtliche Begleitung der Fällaktion beziehen.

Obwohl die Gemeinde im Vorfeld das Aufstellen von Halteverbotsschildern über eine längere Srtaßenstrecke genehmigt hatte, will sie von den anstehenden Fällungen nichts gewußt haben, wie Gemeinderäte auf Anfrage erfuhren.

Zusätzlich gab es ja im Vorfeld widersprüchliche Auskünfte; mal war von 1 bis 2, dann von 2 bis 3 zu fällenden Bäumen die Rede. Schließlich wurden es 5.

Noch während der Fällung haben aufgeschreckte Beobachterinnen versucht, die verantwortlichen Stellen  und einen Stopp der Fällungen zu erreichen, was  leider nicht gelang. Es war auf alle Fälle ein denkbar schlechter Start, den das Wasserwirtschaftsamt da hingelegt hat.

herrsching.online: Sie haben inzwischen mit allen maßgeblichen Behördenvertretern gesprochen und korrespondiert. Nun sind Sie auch in Kontakt mit dem vom Wasserwirtschaftsamt beauftragten Ingenieurbüro Kokei? Muss man befürchten, dass dort Beton-Fans sitzen, oder darf man auch auf ökologische Lösungsansätze hoffen?

„Ein durchgängiges Betongerinne scheint nicht die Option zu sein“

Voit: Wenn ich ehrlich bin, hatte ich da anfangs große Befürchtungen, als ich mir auf der Homepage des ausführenden Büros die „Referenzobjekte“, wie den Kankerausbau in Garmisch, ansah. Inzwischen, einige Mails und Telefonate später, habe ich den Eindruck, dass der Leiter  des Projekts, ein gebürtiger Herrschinger, sich der Sensibilität der Aufgabe bewusst ist. Er spricht davon, dass es sicher auch viele hydraulisch unproblematische Gebiete im Ort gebe wie zum Beispiel den Bereich um die Kienbachbrücke an der Fischergasse, wo letzte Woche die prächtigen Silberweiden auf Torsi zurückgestutzt wurden. Er könne sich Bereiche vorstellen, wo man dem Bach auch mehr Raum läßt. Ein durchgängiges Betongerinne scheint nicht die Option zu sein.

Man darf aber bei allem nicht vergessen, dass das Wasserwirtschaftamt der Auftraggeber ist, und, wenn man sich die Pressererklärung von letzter Woche durchliest, dann wurde da ein anderer Ton angeschlagen, der Bach wird hauptsächlich  unter technischen Gesichtspunkten als zu optimierendes effektives „Schussgerinne“ gesehen. Das Projekt steht noch ganz am Anfang, wird voraussichtlich nicht vor Mitte der 20er Jahre fertig sein.

herrsching.online: Warum beziehen die Ämter nicht auch den Kienbach auf Andechser Gemarkung in ihre Überlegungen mit ein? Das würde doch die mögliche Gefahr an der Wurzel packen?

„Warum wird nicht von der Quelle bis zur Mündung untersucht?“

Das Hochwasser 1999: Das Problem kam aus der Ammer, nicht aus dem Kienbach

Voit: Das ist eine gute Frage. Natürlich wäre da oben mehr Platz für Versickerungsflächen und Flutmulden. Laut Planungsbüro würden die Maßnahmen allerdings nicht für den Ortsbereich Herrsching „durchschlagen“. Ich wundere mich auch, dass man bei der Hochwasserplanung nicht das ganze Ökosystem von der Quelle bis zur Mündung einbezieht, sondern nur die zwei Kilometer in Herrsching. Ich nehme an, das ist auch eine Frage der Zuständigkeit. Der Teil des Kienbachs, der als Wildbach gilt, könnte eventuell gesondert behandelt werden, das wäre eine Erklärung.

herrsching.online: Anwohner berichten, dass selbst beim Pfingst-Hochwasser von 1999 der Kienbach nicht über die Ufer getreten sei. Anrainer, die kurz vor der Mündung gegenüber des Kurparks wohnen, berichten aber, dass dort das Wasser schon bis knapp unter die Brücke gestiegen sei. Gibt es tatsächlich Gefahrenstellen?

Voit: Das hat ja kürzlich auch ein Vertreter der Feuerwehr in Herrsching, die sich  nun wirklich gut mit Hochwassergefahren auskennt, im Interview mit herrsching.online gesagt. Gefahr geht nicht vom Kienbach selbst aus, sondern vom Rückstau, auch des Grundwassers, wenn der See vollläuft. Der Kienbach ist das letzte Mal im 19.Jahrhundert ausgeufert, da waren die Verhältnisse noch ganz anders,

Nicht einmal beim Pfingsthochwasser 1999 ist er über die Ufer getreten. In der jetzigen Planung wird das Pfingsthochwasser plus 15 Prozent zugrundegelegt.

„Pfingsthochwasser plus 15 Prozent“

Nach den Hochwasservorkommnissen an der Ahr und in NRW im Sommer 2021 sind natürlich alle verantwortlichen Behördenvertreter und Politiker in Gefahr, haftbar gemacht zu werden, wenn nachgewiesen werden kann, dass nicht alles getan worden ist, um Hochwassergefahren abzuwenden.

Dennoch ist es wichtig, einen Blick auf die Realität zu werfen und  den Kienbach nicht generell zu einer Gefahr hochzureden. Es gibt sicher Engstellen wie den Durchlauf unter der Mühlfelder Straße oder die Brücke weiter oben beim Heine-Gelände. Dazu braucht es aber  keinen Totalausbau, sondern lokale Maßnahmen.

Auf alle Fälle bedarf es während des ganzen Prozesses der Aufmersamkeit der Bevölkerung.

Es haben sich bereits Anwohner an die Gemeinde gewandt. Und viele, die sich bisher gemeldet haben, äußern, ihnen sei die grüne Oase am Bach wichtig. Sie wünschen sich die Gemeinde dabei an ihrer Seite im Einsatz für den Erhalt des Kienbachs als lebendige Wasserader. Oder wie es eine Anwohnerin so treffend ausdrückte, der Kienbach dürfe nicht „vogelfrei“ sein, in keiner Hinsicht.

5 Comments

  1. Herr Herz, ich könnte Sie ja mal auf unser Grundstück mit seinem (mindestens) 65 Jahre alten Baumbestand einladen – Sie würden sehen, dass wir durchaus ein Herz für diese Bäume haben, die wir hegen und pflegen, obwohl sie uns viel Sonne wegnehmen.
    Aber ein Gymnasium hätten wir halt auch gern in Herrsching, und das nicht erst in 20 Jahren. Von der Möglichkeit einer Umplanung, von der Herr Wirth schreibt, ist mir nichts bekannt.

  2. Auch ich begrüße die Gründung der Bürgerinitiative. Ich habe erfahren, dass auch ein Gemeinderat der Grünen beigetreten ist. Frage: warum? Schließlich hat die gesamte Fraktion der Grünen mit dazu beigetragen, dass das Biotop auf dem Gelände des geplanten Gymnasiums zerstört wurde und weiter zerstört wird. So wurden heute, 15.2.2022, mindestens 3 hohe Bäume innerhalb des inzwischen umzäunten Biotops gefällt.

    • Tja, Herr Wirth. Die Alternative wäre gewesen: KEIN Gymnasium.
      Tausende von Schülern aus Herrsching und Umgebung hätten weiterhin in die überfüllten Gymnasien andernorts pendeln müssen.
      Aber es ist klar, dass die unmittelbaren Anrainer nicht begeistert sind über eine Schule in ihrer Nachbarschaft. Da kommen ein paar Bäume, die sie für schützenswert erachten, doch gerade recht, um hier noch einmal nachzuhaken.

      • Nachtrag: KEIN Gymnasium stimmt einfach nicht, und das wissen Sie und der Gemeinderat sehr wohl. Mögliche konkrete Umplanungen wurden verworfen. Dass ein Gebäude um ca. 1 Meter versetzt wurde, war lächerlich.

  3. Was für ein Lichtblick und Hoffnungsschimmer! Die Herrschinger Bürgerinnen und Bürger wollen nicht weiter tatenlos zusehen, wie Bäume, Wiesen, Büsche und Blumen, eine Augenweide für Jeden und die Heimat vieler Tiere, vernichtet werden! Für das hässliche Zubetonieren und Versiegeln von immer größeren Bodenflächen! Oder jetzt sogar möglicherweise von Flussläufen!
    Der Weckruf kam, wie überall zu lesen war, durch das Fällen von 15 gesunden herrlichen Bäumen am Fendlbach auf Gemeindegrund. Gefolgt von fünf gesunden wunderschönen Bäumen auf Privatgrund am Kienbach! Damit nicht genug, ging es kurz danach den drei Silberweiden am Kienbach auf Gemeindegrund an den Baumstamm. Das Entsetzen der Herrschingerinnen und Herrschinger war groß! Und damit die Bürgereinitiative zur Rettung der Natur und der in ihr lebenden Tiere, wie das Interview zeigt, Dank großem Einsatz einiger Umweltaktivistinnen, geboren. Die Teilnehmerzahl steigt erfreulicher Weise von Tag zu Tag!
    Meine große Hoffnung ist, dass dieser Weckruf auch unseren Bürgermeister Christian Schiller und alle Gemeinderätinnen und Räte im Herrschinger Rathaus zu mehr Handeln für Naturschutz und Naturerhalt in Herrsching bringt! Dazu gehört auch, dass endlich wieder eine neue Baumschutzverordnung verabschiedet wird!
    Bei Greenpeace war kürzlich in ähnlichem Wortlaut zu lesen: Die Natur braucht uns Menschen nicht, um zu überleben. Aber wir Mensschen brauchen die Natur, um leben zu können.

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