Dies irae, dies illa: Einen Tag des Zorns, einen Tag der Umweltsünden proklamierten Künstlerinnen des Künstlerkreises Ammersee auf einem Stück brachial gerodeter Natur. Die Grafikkünstlerin Michaela Bauer hielt – schwarz gekleidet wie eine trauernde Witwe – Grabreden auf 15 Bäume, die am Fendlbach einem neuen Weg weichen mussten. „Wir stehen hier für 15 Bäume, die ein Teil unserer Zukunft hätten sein können, weil sie Kohlendioxid-Speicher waren, weil sie uns Sauerstoff lieferten.“ Begleitet wurde sie von Kunstkolleginnen, Umweltaktivisten und Presse-Vertretern, die eine solche Umwelt-Performance in Herrsching noch nie erlebt hatten.
Wo ein Grüner ist, ist auch ein Radweg – diesem Gedanken folgten Gemeinderäte im Bauausschuss und genehmigten für einen Pedelec-Highway die Rodung von 15 Bäumen hinter der Polizeiinspektion Herrsching. Der Weg soll den Oberen Stocketweg mit dem neuen Kinderhaus am Fendlbach verbinden.
Dieser Weg muss – eine DIN-Norm dient wieder als Planierraupe kommunalen Goodwills – 3,5 Meter breit werden. Und die Firma Treeconsult (ein Beobachter: „Wenn ich ein Baum wäre, würde ich diese Firma nicht konsultieren“) stellte fest, dass die Wurzeln der Anrainer-Bäume die Belastungen eines Radweges nicht ertragen würden. Die Bäume sind also selber schuld, wenn sie sich mit ihren Wurzeln in kommunale Planungen einmischen. Letzte Woche rückten ein kleiner Bagger und eine Art Harvester an, rupften eine Thujenwand raus und stutzten die stolzen, gesunden Bäume auf Barhocker-Niveau.

Michaela Bauer entwarf ein provokantes Plakat, auf dem sie „in stiller Trauer Abschied nahm von alten Bäumen am Fendlbach, die im Januar 2022 für einen überdimensionierten Fuß- und Radweg sterben mussten“.
Den Hinterbliebenen, also obdachlos gewordenen Vögeln, Eichhörnchen, Mäusen, Käfern, Spinnen und anderen Freunden flocht sie noch Efeu ums Grabkreuz.
Auf der symbolischen Trauerfeier, an der auch Silvana Prosperi, Thomas Prosperie, die Bildhauerin Marianne Schweigler, R . Hirtl, die ehemalige Bürgermeisterin Christine Hollacher, der Fotograf Jörg Reuther, Umweltaktivist Aigner und Hans-Jürg Schweigler teilnahmen, sah man keinen Kommunalpolitiker.
Ein Vertreter der Kulturszene in Herrsching ließ sich kurzfristig entschuldigen. Bei dem Happening liefen Gerüchte um, dass es politischen Druck auf Kulturfunktionäre gegeben habe. Der Bürgermeister war’s nicht – der weilt in Urlaub. Die Performance-Künstlerin Michaela Bauer scheute sich nicht, das delikate Thema vor der Presse anzusprechen: „An diesem Baumstamm möchte ich daran erinnern, dass es Leute gibt, die Angst haben, Angst haben vor dem Gemeinderat, Angst vor Repressalien.“

In vertraulichen Gesprächen mit Mitgliedern des Bauausschusses äußerten Gemeinderäte Zweifel an dem Radweg-Beschluss. Ein Rat, selbst kein Angehöriger des Ausschusses, meinte nach dem Echo aus der Bürgerschaft: „Ein schmaler Fußweg hätte genügt.“ Und ein anderer Rat war tatsächlich ratlos, warum er für den Radweg gestimmt hat.
Links zu diesem Thema:
Hallo zusammen, warum trauert eigentlich niemand um die Bäume die der Rodungsaktion im Biotop auf dem Gelände des zukünftigen Gymnasiums im Mühlfeld zum Opfer gefallen sind ??!!
Vielleicht bringt ja jemand mal Licht ins Dunkel, was das mit dem Kulturverein auf sich hat. Im Artikel werden Schwierigkeiten leider nur angedeutet, und wenn man kein Insider ist, versteht man das nicht.
Sonst klingt das nämlich arg nach Verschwörungstheorie, und davon hatten wir in letzter Zeit wahrlich genug.
Frau Böckelmann, bitte werden Sie genauer und bringen Sie konkrete Beispiele für Verschwörungstheorien. Sie beklagen „leider nur angedeutet“, machen es aber genau so.
Passend dazu hat der Kulturverein seinen Instagram Post von letzter Woche gelöscht. Cancel Culture in Herrsching? Der neuen Bastion der Meinungsfreiheit? NIEMALS.
Ein Bürgermeister geht übrigens niemals in den Urlaub ohne eine Vertretung zu benennen.
Ein Gemeinderat sollte wissen dass der Bürgermeister laut Geschäftsordnung zwei Stellvertreterlnnen hat. Tatsächlich hat er sich am Ende der Sitzung am 24.01.2022 mündlich in den Urlaub verabschiedet und auf seine Stellverteterin verwiesen.
Hans-Jürgen Böckelmann GR
Nichts anderes habe ich gesagt.
Das macht Ihren Kommentar allerdings NOCH unverständlicher….
Tut mir leid, aber eine Trauerfeier für gefällte Bäume hat für mich etwas Blasphemisches. Genauso gut müsste man „Trauerfeiern“ für all die Tiere veranstalten, die Tag für Tag für Ernährungszwecke geschlachtet werden. Auch im Hinblick auf die Gedenkfeiern, die dieser Tage aus gegebenem Anlass stattfanden, drängt sich mir die Frage nach der Verhältnismäßigkeit auf.
Es gibt momentan so einen Trend, alles, was in der Gemeinde geschieht, schlecht zu reden, ohne sich mit den Hintergründen wirklich befasst zu haben. Wer selbst mal im Gemeinderat war, hat erlebt, unter welch schwierigen Umständen und unter Berücksichtigung entgegengesetzter Interessen manche Beschlüsse gefällt werden müssen.
Mit den Beschlüssen im Gemeinderat ist es so eine Sache. Es gibt auch so einen Trend, dass diese am Besten einstimmig zu erfolgen haben. Egal, wie sich ein Gemeinderat aber letzten Endes entscheidet. Er muss immer mit dem Zorn der Bürgerschaft rechnen und wir sollten NIE WIEDER zwischen „ehrbaren“ und „unerwünschten“ Protestaktionen unterscheiden. Das ist Demokratie und eine Kommune ist deren Keimzelle (Achtung Wortspiel), die es zu Erhalten gibt.
Ich empfehle die Lektüre des aktuellen Buchs von Dirk Neubauer: https://www.dirkneubauer.de/das-buch-rettet-die-demokratie/
Wir können weiterhin sagen, das passiert nur im Osten, das betrifft uns nicht. Ich sehe leider andere Tendenzen.
Hier war nicht die Rede von einer „unerwünschten“, sondern von einer in meinen Augen geschmacklosen Protestaktion, Herr Keim.
Man muss schließlich nicht alles machen, was machbar erscheint.
Sorry, Frau Böckelmann, es hindert Sie niemand daran für die vielen geschlachteten Tiere zu trauern. Bitte überlassen Sie uns, in welcher Form wir unseren Protest vortragen, der niemanden verunglimpft hat. In unseren Augen ist es ein Trauerspiel, was in Punkto Baumschutz bzw. Klimaschutz in Herrsching passiert.
So gesehen, müsste man allerdings noch viele „Trauerfeiern“ veranstalten – um das Ortsbild, um jeden Garten, der mit einem Neubau zugepflastert wird, um jedes Stück altes Herrsching, das verschwindet….
Frau Böckelmann, es ehrt Sie, wenn Sie den Gemeinderat ständig in Schutz nehmen. Kann man also auch davon ausgehen, dass die Zerstörung des Biotops auf dem Gelände des zukünftigen Gymnasiums Ihr Wohlwollen findet? Schließlich hat der Gemeinderat dafür gestimmt. Und allen Akteuren voran hat Herr Schiller das Vorhaben massiv unterstützt.