Sündenpfuhl der Kommunalpolitik oder ökologisch wertvolle „Kinderstube" für Vogelfutter-Mücken?

„…dann schenkt er uns auch Mücken.“

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Nach dem Schlagabtausch zwischen den Mücken-Bekämpfern aus Lochschwab und Bürgermeister Schiller artikulieren Gemeinderäte ihre Meinung zum Stechmücken-Problem. Hier ihre Statements.

Wolfgang Schneider, SPD

Meiner Meinung nach gibt es keine Möglichkeit, etwas isoliert zu bekämpfen. Es wird immer „Beifang“ geben, auch wenn man es vielleicht nicht sofort sieht. Fördern wir also lieber unsere natürlichen Insektenvernichtungsmaschinen wie Schwalben und Fledermäuse und bringen speziell den Kindern bei, wie nützlich solche Tiere sind. Und warum sie unbedingt geschützt werden müssen. Außerdem kann jede/jeder in seinem eigenen Garten darauf achten, keine Mückenbrutpfützen zu haben. In Fernost gibt es mittlerweile Kontrolleure des Verbots von mückenfördernden Wasserflächen, und es drohen sogar empfindliche Geldbußen. Mein Fazit also: Schützen wir uns durch entsprechende Kleidung und Mückensprays und greifen nicht ständig in die Natur ein.

Alexander Keim, FDP

Nachdem sich bisher nur die Gegner einer Populationskontrolle aus dem Gemeinderat geäußert haben, möchte ich den besonders betroffenen Bürgern aus Lochschwab, anderen Ortsteilen aber auch unseren geschätzten Gästen versichern, dass die Initiative in mir einen ausgesprochenen Befürworter hat. Meine Familie und vor allem unsere 2019 geborene Tochter erfahre  es am eigenen Leib, dass die Mückenplage jedes Jahr (2021 ist eine Ausnahme) spürbar zunimmt und auch Ortsteile und Gastronomieaussenbetriebe beeinträchtigt, die bisher verschont waren. Ich begrüße den Vorstoß der Bürger, dem Problem mit wissenschaftlichen Methoden auf den Grund zu gehen. Des Weiteren brauchen wir ein grundlegendes Verständnis unseres lokalen spezifischen Ökosystems. Ich höre zu viele Gegenargumente á la „Aber DIE Fische und DIE Vögel sind auf DIE Mücken als Nahrung angewiesen.“ oder „Wir müssen aber was gegen DAS Artensterben tun“. Wenn man sich die Nahrungsketten und Gesamtpopulationen anschaut und die Erfahrungen anderer Regionen und Länder mit Populationskontrolle genau ansieht, kann man auch zu der Erkenntnis kommen, das man die Lästlinge (auch bekannt als gemeine Überschwemmungsmücke) erfolgreich im Zaum halten kann ohne ein weiteres Artensterben auszulösen oder andere Lebewesen in ihrem Habitat zu beeinträchtigen. Dabei geht es nicht um den pauschalen Einsatz von Bioziden, sondern um die gezielte Eindämmung außergewöhnlich starker Belastungen der Menschen durch Mückenstiche. Diese können sich entzünden oder zu Krankheiten führen. Die Tatsache, dass die Gruppe um Bürgermeister Schiller bereits zur Mittagszeit attackiert wurde, kann ein Hinweis darauf sein, dass wir es bereits mit invasiven Arten zu tun haben könnten. Dies herauszufinden und einzudämmen ist legitim und sollte auf Dauer nicht nur die Aufgabe der Betroffenen sein, sondern durch Herrsching und andere Gemeimden am Ammersee unterstützt werden. Wir fordern Solidarität in so vielen anderen Bereichen. Warum nehmen wir dann diese Bürger und ihre massiven Einschränkungen nicht ernst?

Gerd Mulert, Grüne

Jetzt haben wir schon August und von einer Mückenplage gibt es keine Spur. In kritischen Jahren sind die Mücken schon zwei Wochen nach Pfingsten da. Die paar Mücken, die doch den Weg ins Haus oder auf die Terrasse finden, sind wahrlich keine Plage. Auch in mückenintensiveren Jahren helfen dann in den wenigen relevanten Wochen eine gute Jeans, ein Mückennetz oder Geduld, bis nach Sonnenuntergang mit dem Terrassenbesuch zu warten. Alle diejenigen, die im zweiten Stock leben, oder die umgeben von Straßen wohnen und arbeiten, betrifft das Thema sowieso nicht.  

Christiane Gruber, BGH

Angesichts der erneuten Forderung, die „Mückenplage“ mit dem Einsatz von BTI zu bekämpfen, wollen wir daran erinnern, dass sich der Gemeinderat 2017 ausführlich mit der Thematik befasst hat. Eingeladen waren Bürgervertreter, Fachleute von der Uni, die den Einsatz von BTI am Rheinufer begleitet und ein Wissenschaftler, der dies eher kritisch sieht. Nach ausführlicher Diskussion beschloss der Gemeinderat damals, sich der Initiative nicht  anzuschließen, ebenso wie die Gemeinden Dießen und Utting. „Wir können nicht einerseits Artenvielfalt vermissen, Insekten schützen, Rückgang von Schwalben und Mauerseglern beklagen und dann eingreifen in die Nahrungskette“ befand die Mehrheit. Wenn ich mich in einem Verlandungsgebiet ansiedle, muß ich damit rechnen, dass mir „die Natur“ nicht nur schöne Sonnenuntergänge, sondern eben auch Mücken beschert. Viel gravierender ist, dass wir einen signifikanten Rückgang der Vögel, Fledermäuse und Frösche feststellen. Mücken am See gibt es wohl schon immer. Um Christian Morgenstern zu zitieren:

„Der Himmel will nie vollständig beglücken,
schenkt er uns einen Sommertag, dann schenkt er uns auch Mücken.“

Anke Rasmussen, Grüne

Wir leben hier in einer absolut privilegierten Landschaft, umgeben von viel Wasser und noch viel Natur. Da gehören kleine Lebewesen, wie auch Mücken, einfach mit dazu. Ein Eingreifen in die Ökologie ist daher auf allen Ebenen äußerst kritisch. Die Larven der Mücken und die Mücken sind ein Teil dieser sensiblen Ökologie, genau wie Fledermäuse, Bienen oder Molche.

1 Comment

  1. Sehr gut. Kompliment an den Gemeinderat. Es ist geradezu peinlich , wie hier in der Gegend die BTI Lobby Vertreter mit einer nachweislich wissenschaftlichen nicht mehr haltbaren “Harmlosigkeits-Argumenten” und in Eching auch üble Beschimpfungen des Bürgermeisters und der Gemeinderäte agieren. BTI ist nach neueren wissenschaftlichen Untersuchung alles andere als so naturverträglich, wie man immer behauptet.

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