Breitbrunn ist nicht nur ein Herrschinger Villenvorort – das Dorf mit seinem malerischen Kirchlein überm See ist ein sprudelnder Kulturbrunnen: Neuester Beweis: das rauschende Konzert der Jazzsängerin Elle Czischek. Im Innenhof des Meindl-Anwesens sang die ehemalige Schauspielerin eigene Songs zu den Melodien alter Jazz-Klassiker. Elle plaudert im Interview mit herrsching.online über ihre bewegte Karriere, ihre Musik und über die Breitbrunner, „die außerordentlich freundlich und entspannt sind“.

herrsching.online: Jazzelle, ein origineller Name – wie kamen Sie auf diesen Namen, seit wann gibt es ihn, und vor allem: Was soll er dem Publikum vermitteln?
Elle: Marelle, Elle & Kapelle und Elles Disco Sause sind die Namen meiner anderen Bands hier in Bayern, da fand ich für ein Jazz-Programm Jazzelle sehr naheliegend. Ich hoffe, jeder denkt gleich: klarer Fall, Jazz mit Elle.
herrsching.online: Jazz ist ja ein weiter Begriff mit ungefähr 100 verschiedenen Ausprägungen. Welchem Stil fühlen Sie sich verpflichtet? Und durch welche Stilelemente ist er gekennzeichnet?
Elle: Ja, ein weites Feld! Und dann kommt noch dazu, dass jede Person zum Begriff Jazz etwas anderes abgeheftet hat. Immer wieder treffe ich Leute, die denken bei Jazz an anstrengende mathematische Musik aus überwiegend dissonanten Tönen. Das ist nicht so meine Tasse Tee. Ich liebe die Schnittstelle zu BossaNova! Ich kann eigentlich nicht sagen, dass ich mich einem Stil verpflichtet fühle, mir ist einfach nur wichtig, dass das, worum es in einem Song geht, tatsächlich rüberkommt. Wozu ich mich allerdings definitiv verpflichtet fühle ist, das Publikum auf eine Reise mitzunehmen. Und diese ist im besten Fall unterhaltsam, abwechslungsreich, tiefgründig, lustig und inspirierend.
herrsching.online: Ihre Texte haben viel mit Liebe, Herzschmerz, Altern, Weiblichkeit, vielleicht auch Feminismus zu tun. Stammen die Texte aus Ihrer Feder? Welche Stücke covern Sie gerne, wo machen Sie Anleihen?
Elle: Ja, meine deutschen Texte schreibe ich alle selber. Das Jazzelle- Programm, bestehend aus von mir neu betexteten alten Jazzklassikern, sogenannten Jazzstandards, ist ursprünglich aus ganz praktischen Gründen entstanden: Mitte 2015 kam ich, ganz ohne musikalische Kontakte, frisch von der Westküste/USA, nach Bayern, dem Land meiner Kindheit. Meine sämtlichen heimatvertriebenen Großeltern, Großtanten, Großonkels lebten hier, und meine Tante Edda ist immer noch im Norden von München zu Hause. Der Plan war, so schnell wie möglich eine Band aufzubauen. Die Musiker wollte ich auf Jazzsessions kennen lernen.
Ich dachte mir, bevor ich denen dann lang erkläre, dass ich auch Texte schreibe, und zwar auf deutsch, singe ich doch einfach zu den einschlägig bekannten Melodien meine eigenen Lyrics.
Das Finden von ja teilweise ganz neuen Inhalten für die Songs hat mir dann soviel Spaß gemacht, dass ein ganzer Abend daraus entstanden ist.
Ich habe die alten Melodien rauf und runter gesummt und ausprobiert, welches Thema zu der jeweiligen Musikstimmung passt, bei den Originalen geht es ja fast nur um Liebeskummer und die quasi antiken Sichtweisen darauf teile ich auch nicht unbedingt.
Übrigens: Meine beiden fantastischen Musiker Ralf Tafazofa, mit dem ich auch schon bei Elle & Kapelle und bei Elles Disco Sause zusammen gespielt habe,
und der großartige Christian Benke, mit dem ich hier das erste Mal zusammen arbeite, sind dann doch auf ganz anderen Wegen zu mir gekommen…

herrsching.online: Wie verlief bisher Ihre Karriere, wann haben Sie begonnen, wo geben Sie Konzerte?
Elle: Ich bin ja eine ganz klassisch ausgebildete Schauspielerin, habe meine Anfängerjahre an den Bühnen der Stadt Köln verbracht und war danach festes Ensemblemitglied am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Sowohl an diesen beiden Häusern, als auch in den Produktionen danach, bei denen ich freiberuflich mitwirkte, habe ich viel gesungen und zwar quer durch alle Genres: Da gab es am Hamburger Schaupielhaus die Operette ‚Der kleine Faust‘, in der ich das Gretchen war, dann tourte ich mit der einzigartigen Irm Hermann und der Produktion ’Sekretärinnen’, einem Stück, in dem kein Wort gesprochen wird, alles wird über Songs erzählt. Als ich in Berlin lebte, schrieb ich mir selber eine musikalische OneWomanShow und spielte sie dort am BKA. Neben dem Theater habe ich auch in TV- und Kino-Produktionen mitgewirkt. Dann verlegte ich für einige Jahre meinen Lebensmittelpunkt in die USA, um mich dort auch mit spirituellen Themen und Emotionen zu beschäftigen, was spannend und bereichernd war. Jetzt genieße ich es, genau hier am Ammersee zu leben, die Menschen in Breitbrunn sind außerordentlich freundlich und entspannt.

herrsching.online: Wie sehr hat Sie die Corona-Krise getroffen, welche Auftritte sind durch die Krise ins Wasser gefallen?
Elle: Die Corona-Krise war ein Volltreffer mit der Abrissbirne. Wir hatten für 2020 tolle Auftritte auf dem Zettel. Die langen Nacht der Musik fiel ins Wasser, natürlich auch unser Auftritt im Gasteig. Manche Termine wurden mehrfach verschoben, dann ganz gekippt, einige Veranstalter gibt es mittlerweile gar nicht mehr.
Es war ja eigentlich das Jahr, in dem wir grössere Kreise ziehen wollten. Wie viele andere KünstlerInnen waren wir komplett ausgebremst. Natürlich gaben wir dann auch mal ein Online- Konzert, aber der direkte Kontakt zum im selben Raum anwesenden Publikum ist einfach durch nichts zu ersetzen.
So beschlossen wir also. uns auf unsere CD zu konzentrieren und sind seit letztem Jahr so oft es geht im Studio.
Das Konzert letzte Woche haben wir umso mehr genossen!
Als nächstes spielen wir zum Abschluss des Fünf-Seen-Filmfestivals bei der Verleihung des Hannelore Elsner Preises an Birgit Minichmayr, da freuen wir uns schon sehr drauf.