Auf dieser Autowerkstatt hat ein Hausbesitzer in Breitbrunn zusätzlichen Wohnraum geschaffen. Es wurde keine zusätzliche Bodenfläche versiegelt, und die Baukosten sind dramatisch niedriger, weil kein Grundstück benötigt wurde.

Bringt der Bauturbo neue Wohnungen im Gewerbegebiet?

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Die Bundesregierung hat im Oktober den Bauturbo gezündet: Bebauungspläne können umgangen werden, in Gewerbegebieten könnten neue Wohnungen entstehen. Auch Herrsching bräuchte dringend einen „Bauturbo“: Im letzten Jahr gingen in der Herrschinger Bauverwaltung zwar 7,1 Prozent mehr Bauanträge ein als im Vorjahr. Die Bau-Vorbescheide dagegen nahmen um 23 Prozent ab. Immerhin sprach ein örtlicher Bauunternehmer bei der Berufsmesse von vollen Auftragsbüchern. Er traut der Konjunkturschwalbe aber noch nicht so richtig: „Die Auftragslage kann sich schnell wieder ändern.“

Eigentlich, so sagen Fachleute, sind die neuen Bestimmungen im Baugesetzbuch zur Schaffung neuer Wohnungen kein Bauturbo, sondern ein Genehmigungsbeschleuniger. Sie erlauben nämlich Abweichungen vom Bauplanungsrecht, also von den Bebauungsplänen. Die Gemeinden dürfen nun die Zustimmung zu einem Bauvorhaben geben, wenn die Umwelt oder die Nachbarn nicht erheblich belastet werden. Schon nach einer dreimonatigen Prüfphase können zusätzliche Wohnungen genehmigt werden, ohne dass ein Bebauungsplan neu aufgestellt oder geändert werden muss. Dies schließt auch Bauen von Wohnraum ganz ohne Bebauungsplan mit ein.

Gemeinden können Lärmschutzvorschriften lockern

Außerdem soll der Lärmschutz, einer der schlimmsten Kostentreiber beim Wohnungsbau gelockert werden. Gemeinden können nun konkrete Immissionsgrenzwerte festsetzen und dabei in „begründeten Fällen“ von den Vorgaben der TA-Lärm abweichen.

Bebauungspläne verlieren teilweise ihre lenkende, also auch bremsende Wirkung, weil Wohnungen über die vorgegebenen Vorschriften hinaus gebaut werden können. So dürfen künftig ganze Straßenzüge nachverdichtet werden.

Und schließlich sollen Mietwohnungen auch künftig nicht ohne weiteres in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.

Neue Wohnungen im Herrschinger Gewerbegebiet?

Ganz spannend auch für Herrsching ist eine neue Bestimmung, die Gewerbegebiete schützt, wenn neue Wohnungen in der Nähe entstehen. Das könnte eventuell bedeuten, dass man im Herrschinger Gewerbebiet Wohnungen bauen oder auf bestehende Bauten draufbauen darf.

Im vorletzten Jahr hatte die grüne Gemeinderatsfraktion einen Antrag eingebracht, im Gewerbegebiet zusätzliche Wohnungen zu schaffen. Sie wollte, dass an der Gewerbestraße ein bis zwei Stockwerke auf bestehende Gebäude draufgesattelt werden dürfen. Vorbild war eine Werkstatt in Breitbrunn, über der mehrere Wohnungen gebaut wurden.

Der Bürgermeister verwies damals vor der Abstimmung darauf, dass der Antrag schlicht unzulässig sei: In einem Gewerbegebiet dürften keine Wohnungen gebaut werden – es sei denn, sie werden von „Aufsichts- und Bereitschaftspersonen“ bewohnt. Der Bürgermeister wies außerdem auf die fiskalische Bedeutung eines Gewerbegebietes, das es zu schützen gelte. Diese Argumente könnten obsolet sein, wenn die Betriebe durch das neue Baugesetz vor zusätzlichen Lärmbestimmungen geschützt wären.

Steuervorschriften behindern Bauherren

Das Thema beschäftigte nicht nur die Grünen, sondern auch die CSU. Gemeinderätin Hannelore Doch hatte bei einer Wahlveranstaltung die CSU-Abgeordnete Dr. Eiling-Hütig gefragt, wie man bezahlbaren Wohnraum schaffen könne. Eiling-Hütig kam in diesem Zusammenhang auf Werkswohnungen in Wohn-Gewerbe-Mischgebieten zu sprechen. Daran arbeite auch der Handwerkskammerpräsident, erzählte sie. Viele rechtliche Probleme ver- und behinderten den Bau von Mitarbeiterwohnungen: Billiger Werks-Wohnraum müsse als „geldwerter Vorteil“ versteuert werden. Zudem sei die Koppelung von Arbeitsvertrag und Mietvertrag rechtlich problematisch.

Tatsächlich haben sich schon viele Verwaltungsgerichte mit Wohnungen in Gewerbegebieten befasst. So hatte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg entschieden, dass eine Wohnung nur „bei einer funktionalen Zuordnung zum Gewerbetrieb“ erlaubt sei. Sprich: Ein Hausmeister oder Sicherheitspersonal dürfte überhalb des Arbeitsplatzes wohnen.

Im Zeichen des Arbeitskräftemangels sind Betriebswohnungen das beste Argument, um Personal zu akquirieren. Durch die Presse ging der Fall eines Busfahrers, den die Verkehrsbetriebe in Augsburg mit einer Werkswohnung aus dem Osten anlocken konnten. Man lernt aus solchen Fällen, dass Wohnungen in einem Gewerbegebiet den örtlichen Unternehmen eher nützen als schaden.

Die Grünen haben schon signalisiert, dass sie das Thema wegen der neuen rechtlichen Möglichkeiten wieder in den Gemeinderat einbringen werden.

1 Comment

  1. mir graut bei der Vorstellung, dass mit dieser neuen Gesetzgebung noch mehr schattenspendende, kühlende, gesund erhaltende Natur verschwinden könnte, die unterschiedlichen Tierarten Heimat bietet. Und immer mehr graue Maximalbebauungen für Grossverdiener entstehen. Wer wünscht sich denn so etwas? Dient es doch nicht den vielen Herrschingerinnen, die eine bezahlbare Wohnung brauchen? Wie hat der Gesetzesgeber für sie gesorgt?
    Solange Gewinnmaximierung bei uns Menschen im Vordergrund steht wäre doch hier viel Handlungsbedarf oder?

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