Jens Waltermann, 58, hatte mit seinen Mitstreiterinnen 2009 den Förderverein für das Herrschinger Gymnasium gegründet. Der Jurist war für die Bertelsmannstiftung tätig, hatte eine Unternehmensberatung mitgegründet, arbeitete lange für eine stark sozial engagierte Privatschulgruppe und engagiert sich jetzt für das Baumpflanzprojekt Plant for the Planet. Foto: Gerd Kloos

„Mit der Staatsregierung haben wir ziemlich gekämpft“

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Noch 20 Tage bis zum ersten Schulgong///

Der Erfolg hat viele Väter, aber einem darf man die kollektive Vaterschaft auf keinen Fall abstreiten: Dem Förderverein des neuen Gymnasiums mit seinem Vorsitzenden Jens Waltermann. 16 Jahre lang haben er und seine Mitstreiterinnen für Herrschings neuen Bildungstempel gekämpft, sogar vor dem Kultusministerium demonstriert. „Die Einstellung hatte sich dann zum Glück geändert, als aus dem Finanzminister der Ministerpräsident Söder geworden war“, erzählt Waltermann im herrsching.online-Interview. Dass die Staatsregierung das Gymnasium schließlich absegnete, sei vielleicht ein Trostpflaster für den Umzug der Finanzschule nach Franken, vermutet Waltermann. Der „Chef-Lobbyist“ für Herrschings schönstes Großprojekt hadert aber immer noch mit den vielen Verzögerungen – zum Beispiel durch den Bürgerentscheid „Zehn Jahre früher hätte man für 50 Millionen billiger gebaut.“

herrsching.online: Wird aus Herrsching am 16. September 2025 eine andere Gemeinde werden? Oder anders: Wird aus einer Landpomeranze eine High Potential Community?

Waltermann (lacht): Beides ist wohl etwas überzeichnet. Unser Ziel als Förderverein war nie, auf eine High Potential Community hinzuarbeiten oder ein Elitegymnasium zu schaffen. Das Gymnasium ist die dominante Schulform in Bayern mit den meisten Absolventen. Ich persönlich bin zwar der Meinung, dass es bessere Alternativen zur getrennten Beschulung im Gymnasium, der Realschule und der Mittelschule gibt und dass alle Schüler profitieren, wenn sie länger gemeinsam etwa in eine Gemeinschaftsschule gehen. Aber man muss sich mit den Gegebenheiten abfinden, die es in Bayern nun mal gibt, und so haben wir uns für dieses Gymnasium eingesetzt.  Natürlich hoffen wir, dass das Gymnasium die Gemeinde belebt, dass es die Schüler in der Gemeinde hält. Aber nein, von High Potential würde ich nicht sprechen.

herrsching.online: Welche Auswirkungen erwarten Sie auf das soziale, das kulturelle und politische Klima in der Gemeinde?

Waltermann:  Ich gehe davon aus, dass sich Schüler, die in Herrsching bleiben und nicht in Gilching oder Germering ins Gymnasium gehen, hier auch noch stärker engagieren. Wir haben in Herrsching schon viele junge Menschen, die bereit sind, sich einzubringen und Verantwortung zu übernehmen.  Das sieht man an großartigen Sportvereinen und in tollen Initiativen im Bereich Nachhaltigkeit. Eine Schule, die die Schüler im Ort hält, fördert politisches und soziales Engagement vor Ort.  Aber meine Hoffnung ist auch, dass sich das Gymnasium darauf konzentrieren wird, soziales und politisches Engagement gezielt zu fördern. Das muss eine wesentliche Aufgabe höherer Schulen sein.

herrsching.online: Ist das nicht schon im pädagogischen Konzept des neuen Gymnasiums angelegt?

Waltermann:  Das Konzept beinhaltet, die Schüler noch stärker als in anderen Gymnasien zu selbstständigem Denken und Arbeiten zu erziehen. Aber man muss das nicht nur im akademischem Alltag, also im Unterricht, umsetzen, die Schule muss das auch mit Zusatzangeboten unterstützen, die soziales, politisches und auch sportliches Engagement fördern. Hier bietet der Ganztag viele Möglichkeiten.

Namensgeberin sollte eine Frau sein

herrsching.online: Solche Anliegen könnten sich doch auch im Namen für das neue Gymnasium ausdrücken. Haben Sie Anliegen, Wünsche, Vorschläge für eine Namensgebung?

Waltermann:  Meine Hoffung wäre, dass es nicht wieder ein Männername wird, und dass wir mal einer Frau die Ehre geben. Bei den Straßennamen in Herrsching sind ja Frauennamen eher die Ausnahme. Ich unterstütze den Vorschlag der neuen Direktorin, Frau Dr. Weingandt, gerne, den Namen mit den Schülern und den Lehrern, also der gesamten Schulfamilie,  zusammen auszusuchen. Der Förderverein sieht sich da nicht in einer besonderen Rolle. 

herrsching.online: Von den hehren Bildungszielen zu ganz iridischen Dingen – den Kosten für die Schule. Einige Bürgerinnen und Bürger hadern mit den Kosten, vor allem aber mit den Kostensteigerungen von rund 40 Millionen auf jetzt 110 Millionen. Sind solche Summen in Zeiten extrem angespannter Haushalte noch zu rechtfertigen?

Waltermann: Ja, diese 110 Millionen müssen einem schwer im Magen liegen.  Das ist ein sehr teures Projekt. Man muss sich allerdings auch klarmachen, dass die Schule durch die wahnsinnige Verzögerung so teuer geworden ist. Die Verzögerungen waren einer der wesentlichsten Kostentreiber…

In den 16 Jahren sind die Baukosten massiv gestiegen

herrsching.online… Sie meinen die politischen Querschüsse bestimmter Herrschinger Bürger?

Waltermann: …. auch die. Das Projekt hat nun 16 Jahre bis zur Realisierung gedauert.  In diesen 16 Jahren sind die Baukosten massiv gestiegen. Freude macht uns das auch nicht.  Wir hatten gehofft, dass das Gymnasium zehn Jahre früher 50 Millionen billiger gebaut würde. 

herrsching.online: Wie ist eigentlich die Idee eines Fördervereins für das Gymnasium entstanden? Was hat Sie persönlich motiviert, dem Projekt soviel Lebenszeit zu widmen? Und welche spektakulären Aktionen haben Sie unternommen, um das Gymnasium aufs Gleis zu setzen?

Waltermann:  Ich bin ein Überzeugungstäter, was die Gründung von Schulen angeht.  Das sind die wichtigsten Investitionen in unsere Zukunft.  Nicht nur wegen der beruflichen Qualifikation unserer Jugend, sondern auch  wegen des demokratischen Engagements, des sozialen Engagements. Das schafft man, wenn man eine Schule als Katalysator für dieses Engagement in einem Ort hat. Seit wir 2002 nach Breitbrunn kamen, habe ich in vielen Gesprächen gehört, dass es zum einen früher schon Überlegungen für ein Gymnasium in Herrsching gab und dass viele Schüler Herrsching täglich verlassen haben und ihre Freunde auch deshalb ausserhalb von Herrsching hatten. Bei der Gründung unseres Fördervereins im Andechser Hof sind 2009 rund 80 Leute gekommen, was uns gezeigt hat, dass es wirklich einen großen Bedarf gibt. 

herrsching.online: Hatten Sie damals die Hoffnung, dass Sie Ihre Kinder auch mal auf ein Herrschinger Gymnasium schicken können?

Waltermann:  Ja, ich habe schon erwartet, dass meine fünf Kinder mal in Herrsching das Gymnasium besuchen können. Der erste Junge war im Kindergarten, als wir den Verein gegründet haben,  mittlerweile hat er seinen Bachelor abgeschlossen. Aber es dauert nun mal länger, ein öffentliches Gymnsium auf den Weg zu bringen als private Projekte. Aus der Erwartung wurde dann die Hoffnung, dass wenigstens eines meiner Kinder auf das Herrschinger Gymnasium gehen kann.  Und diese Hoffnung erfüllt sich dann auch am 16. September, wenn der Jüngste in die neunte Klasse aufgenommen wird.

herrsching.online:  Das Gymnasium wird pünktlich zum Beginn des Kommunalwahlkampfs den Betrieb aufnehmen. Schöner Zufall für Politiker, die sich jetzt alle mit Verdiensten um das Gymnasium schmücken können? Wem würden Sie als Förderverein einen Blumenstrauß als Dank für seinen Einsatz überreichen? Herrn Spänle und Herrn Söder vermutlich nicht?

Waltermann: Dieser Erfolg hat viele Väter und Mütter.  Auch in der Politik, insbesondere aber in der Kommunalpolitik.  Der damalige Landrat Roth hatte am Beginn des Projekts eine wichtige Rolle. Er ist einer, dem ich einen Blumenstrauß überreichen würde. Und auch seiner Kreiskämmerin Eva John, die uns  früh ermutigt und  unterstützt hat.

Mit der Staatsregierung haben wir ziemlich gekämpft. Die war zunächst nicht bereit, den Bedarf für ein Herrschinger Gymnasium anzuerkennen, zum Beispiel Kultusminister Spänle, aber auch der damalige Finanzminister Söder. Wir haben damals demonstriert – in Herrsching und in München vor dem Kultusministerium. Später hat sich die Einstellung zum Glück geändert, als aus dem Finanzminister der Ministerpräsident Söder geworden war. 

Das Gymnasium als Trostpflaster für den Umzug der Finanzschule?

herrsching.online: Der Vorstand des  Fördervereins, also Sie und Frau Dr. Sulzmaier, hatten doch ein legendäres Treffen mit Horst Seehofer in Andechs. 

Waltermann:  Das wurde eingefädelt von der Landtagsabgeordneten Dr. Eiling-Hütig. Bei der CSU-Versammlung in Andechs standen mit uns auch die Protestierer gegen die Windräder vor der Tür – wir waren für etwas, die gegen etwas.  Wir wurden dann zum Ministerpräsidenten reingebeten und konnten ihm das Projekt Gymnasium Herrsching vortragen.  Er versprach, es zur Chefsache zu machen, und einige Wochen später haben wir tatsächlich das Schreiben bekommen, in dem die grundsätzliche Genehmigung für ein Gymnasium Herrsching verkündet wurde. Im Hintergrund allerdings spielte wohl auch die Finanzschule in Herrsching eine Rolle. Ein Teil der Schule sollte nach Franken umziehen, dafür bekam Herrsching vom Oberbayern und Ministerpräsidenten Horst Seehofer, vielleicht als eine Art Trostpflaster, ein neues Gymnasium.

herrsching.online: Aber damit war noch nichts gewonnen, schließlich gab es auch Widerstände im Kreis?

Waltermann: Damals gingen Diskussionen im Kreistag los, wo es keine überzeugenden Mehrheiten für ein Herrschinger Gymnasium gab und sich Widerstand vor allem auch bei Bürgermeistern aus Gemeinden regte, die ihre Gymnasien schon vor der Haustüre hatten. Manchen unserer vielen Mitstreiter im Förderverein liefen damals auf der Empore des Kreistages vor Wut die Tränen.  Und schließlich kamen in Herrsching nach vergeblichen Bemühungen um Grundstücke an der Seefelder Strasse auch noch die Bürgerbegehren gegen den Standort des Gymnasiums. Ich bin bis heute sicher, dass wir, wenn der Standort damals abgelehnt worden wäre, heute gar keine Gymnasium hätten.

herrsching.online: Und wem bringen Sie noch einen virtuellen Blumenstrauß mit?

Waltermann:  Sicher auch dem Landrat Stefan Frey,  der das Projekt sehr schnell zu seiner eigenen Herzensangelegenheit gemacht hat und seinem Kreiskämmerer und Bauchef Stefan Pilgram. Und natürlich unserem Bürgermeister Christian Schiller, der es von Anfang an mit vorangetrieben hat und später viel hat erdulden müssen wegen des Gymnasium-Projekts gerade in der Diskussion um die Bürgerbegehren.  Er hat nicht nur einen Standort gefunden, sondern das alles politisch und menschlich durchgestanden und sich nie abbringen lassen. 

Das Lernhauskonzept ist über zehn Jahre alt

herrsching.online:  Wenn das Gymnasium schon zehn Jahre früher gebaut worden wäre, hätten wir dann 08/15-Gymnasium nach bewährtem Muster bekommen?

Waltermann: Nein, das glaube ich nicht, das Lernhauskonzept ist über zehn Jahre alt und wird in München schon seit längerem gebaut. Deshalb wissen wir, dass es auch in der Praxis funktioniert. Es ist ein Konzept, das Schüler jahrgangsübergreifend bündelt,  das ihnen eine Heimat innnerhalb der Schule gibt und für einen sehr viel persönlicheren Betrieb zwischen Lehrern und Schülern sorgt.

herrsching.online: Wie entstand dann der Plan, dieses Konzept in Herrsching zu realisieren?

Waltermann: Wir vom Förderverein hatten den Schulexperten Dr. Seidl mit der Erstellung eines pädagogischen Konzeptes beauftragt. Seidl war lange Jahre im deutschen Privatschulwesen unterwegs. Aber genauso wichtig wie das räumliche Konzept war der inhaltliche Ansatz, der auf eigenständiges und digital unterstüztes Lernen, alleine, in Gruppen und im Klassenverband setzt.  Wenn Schüler ihr Lernen selbst gestalten können,  wenn sie Prüfungen im Lernfluss ablegen können und  keine Angst mehr haben vor unangekündigten Abfragen, wenn Lehrer sie dabei unterstützen und den Lernfortschritt jedes Schülers systematisch begleiten, dann kommt Lernen wirklich voran…

herrsching.online: Unter großem Beifall hatte die Dirketorin Dr. Weingandt angekündigt, dass es keine unangekündigten Exen mehr geben werde, aber inzwischen ist sie wohl ein Stückchen zurückgerudert…

Waltermann:  Ich nehme ihr ab, dass sie unangekündigte Exen wirklich nicht machen möchte. Wir begrüßen das, aber die bayerische Staatsregierung hat sich öffentlich anders positioniert. Ich traue Eva Weingandt trotzdem zu, dass sie sehr viel von ihrem persönlichen Konzept realisieren wird. Gute Schule braucht Führung mit Überzeugung. 

„Der Schülersog ist schon da“

herrsching.online: Glauben Sie, dass es einen Schülersog nach Herrsching gibt, weil die Pädagogik hier neue Wege geht? Bei der Lehrerschaft gab’s ja in der Anwerbephase schon eindeutige Präferenzen.

Waltermann:  Der Schülersog ist schon da.  Alle Züge werden mit vier Klassen besetzt sein.  Und aus der fünften und sechsten Klasse mussten  traurigerweise viele Schüler, die ans Herrschinger Gymnasium wechseln wollten,  abgelehnt werden. Der Sog entstand auch durch das pädagogische Konzept von Eva Weingandt, diese neue Form des Lernens spielt eine wesentliche Rolle.

herrsching.online: Wenn sich Lehrer in Herrsching ansiedeln, gibt es zusätzlichen Druck auf den Wohnungsmarkt. Hat Herrsching genügend qualifizierten Wohnraum für eine neue akademische Kundschaft?

Waltermann: Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Aber wo ein Wille ist, werden wir auch Lösungen finden.

herrsching.online: Persönliche Frage: Wenn es eine Zeitmaschine gäbe, würden Sie noch einmal hier gerne zur Schule gehen?

Waltermann: Wenn ich noch mal Schüler wäre, würde ich sehr gerne an diese besondere neue Schule gehen. Aber ich bin auch froh, dass diese Phase meines Lebens abgeschlossen ist und ich jetzt Schulprojekte anstossen und begleiten kann, statt sie als Schueler zu besuchen.

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