Nikolai Holzach ist eigentlich Bildhauer. Beim Riva-Project aber sind Form und Farbe vorgegeben.
So könnte sie mal aussehen: Die Riva-Diva im feinsten Mahagonikleid.
Schicht für Schicht legte Holzach frei, er muss sich wie ein Pathologe gefühlt haben.
Die Braut ist noch nicht „geschminkt", aber man ahnt die kommende Schönheit: Nikolai Holzach und die „Gefährtin" der 500 einsamen Stunden. Fotos: Gerd Kloos
Unter einer Plane schlummert der kraftvolle Sechszylinder. Eine Riva wird bis zu 41 Knoten schnell (70 km/h).

Auferstanden aus Ruinen: Wie eine Riva wieder eine Diva wird

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RIVA, das ist Alta Moda im Mahagonikostüm, das sind 823 Zentimeter Eleganz in Edelholz. Und wenn hinten, da wo der Sechszylinder Volvo sitzt, statt eines metallenen Sounds die rauchige Stimme von Paolo Conte aus den Auspüffen kommen und ein Vai con me hauchen würde, wen würde es wundern? Mit einer Riva übers Wasser zu schweben, angeschoben von 300 PS, ist der Luxus der Schönen und Reichen: Schon Sean Connery hatte den Gashebel einer Riva in der Hand, Richard Burton versank in den weißen Ledersesseln, und Gunter Sachs glaubte, eine Riva sei ein Statussymbol wie der Bugatti im Yachthafen.

Im nächsten Jahr soll eine Riva über den Ammersee gleiten, am Steuer kein Börsenglücksritter und kein Reichensöhnchen, sondern der Künstler, Bildhauer, Interimsgastronom und Maler Nicolai Holzach. Und das Schiff fiel ihm nicht zu wie einem Millionär ein Spielzeug, die Riva Ariston hat der Mann mit den begabten Händen aus Ruinen auferstehen lassen.

2021 las der Herrschinger eine Kleinanzeige bei Ebay, dass eine Riva Ariston einen neuen Besitzer suche. Dazu muss man wissen, dass von dieser Baureihe zwischen 1950 und 1979 nur 800 Stück am Lago d’Iseo gebaut wurden, eine Rarität unter Kennern. Holzach kaufte das Boot am Telefon, ohne zu wissen, wie abgetakelt der Kahn war. Tatsächlich hatte der Vorbesitzer – Riva-Kenner würden sagen, es war Blasphemie – den Rumpf mit einer Kunststoffschicht überzogen, das Holz lag „unter einem Leichenhemd“, wie Holzach das nennt. Ein solcher Frevel ist etwa so, als würde man einen Botticelli übermalen. Dieses „Leichenhemd“ musste Holzach zuerst entfernen, um an das versiegelte Holz zu kommen. Mit dem GFK-Mantel hätte er nicht einmal die Originalmaße der Planken ermitteln können. Von den Spanten, die das Gerippe eines Schiffes bilden, war nur noch jedes dritte Stück brauchbar. Die Diva war eigentlich ein Wrack, das zwar noch schwamm, aber nicht mehr lebte.

Holzach hatte bei einem Hobbyschiffsbauer, der zur Zeit einen hölzernen Ausflugskahn wiederbelebt, einen Platz in einer Breitbrunner Scheune gefunden. Es war etwa so, als würde man aus einem Dino-Skelett wieder einen Tyrannosaurus zum Leben erwecken wollen. Die Planken, die für die Außenhaut millimetergenau ausgesägt werden mussten, haben auf sieben Meter Länge keine Naht. Aber eine Riva-Diva hat keinen plumpen Rumpf wie ein griechisches Fischerboot, sondern verläuft im Rumpfbereich konkav, um das Wasser ohne große Widerstände zu teilen. Und im Heckbereich plustert sich der Rumpf konvex nach außen auf.

Diese Planke ohne Naht, das Markenzeichen der Baureihe, verlangt höchste Präzision . „Wenn man sich vorne um ein paar Millimeter vertut, wächst sich das hinten zu einem Zentimeter-großen Spalt aus“, erzählt Holzach. Diesen kompromisslosen Qualitätsanspruch hat er offensichtlich mit dem Kauf des Kahns übernommen. Qualität wird hier rigoros, ja brutal verwirklicht: „Der Werftbesitzer Carlo Riva ging abends durch die Werft und hat alle Nähte kontrolliert. Wenn er mit der Arbeit nicht zufrieden war, soll er die Planke mit dem Hammer zertrümmert haben“, erzählt Holzach voller Bewunderung. Dieser Anspruch gefällt ihm offensichtlich auch. Eine Riva ist ja auch eine Diva, eine Künstlerin. Passt zu Holzachs Selbstverständnis: „Ich bin ja eigentlich Bildhauer.“ Da liegt kein plumpes Boot auf Kiel, hier liegt ein Kunst-Stück, das, Achtung Feuilleton, „die Gravität des Wassers spiegelt“.

Ein altes Schiff wieder aufzubauen, braucht aber nicht nur zwei geschickte Hände, qualifiziertes Handwerkzeug und profundes Wissen, man sollte auch detektivisches Geschick mitbringen: Wenn Instrumente verrottet sind oder der Tank erneuert werden muss, dann muss man weltweit suchen. Die neuen Instrumente hat sich Holzach in den USA machen lassen, einen Ersatztank fand er in einer Ebay-Anzeige.

Wann aber wird das schöne Stück denn nun seinen Stapellauf erleben? Am Eingang der Werkshalle haben Besucher Wetten ans Tor gepinselt. Holzach selbst hat sich auf 2026 festgelegt. Vorher aber müssen noch 20 Schichten Bootslack aufgetragen werden. Das bedeutet: Pinseln oder Spritzen, anschleifen, und wieder pinseln, bis der Lack dick genug ist und trotzdem einen ungetrübten Blick auf die Mahagoni-Maserung freigibt.

Und was wird dann aus der gravitätischen Schönheit? Setzt sich der Künstler selbst ans Steuer? Holzach kann sich das wohl nicht vorstellen: „Ich passe nicht mit dem Handwerkerdreck unter den Fingernägeln auf ein solches Schiff“, sagt er voller Selbstironie, „und ich bin kein Typ, der mit hochgestelltem Polokragen und Sonnenbrille über den See schippert.“

Sind also alle, die Polokragen, saubere Fingernägel und das nötige Kleingeld haben, einladen, mitzubieten?

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