Gut gelaunt trotz schwieriger Haushaltsberatungen: Der Herrschinger Kämmerin Miryam Goodwin gelang ein ausgeglichener Haushalt. Foto: Gerd Kloos

„Bezahlbares Wohnen“ schlägt ins Kontor

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Das Haushaltsrecht ist das Königsprivileg jedes Parlaments: Deshalb waren am Montagabend zur Verabschiedung des Haushalts ’25 viele Zuhörer in den Rathaussaal gekommen, um den Gemeinderäten über die Schulter zu schauen. Dabei gab es eher weniger schöne Nachrichten: Die Pro-Kopf-Verschuldung in Herrsching steigt zwar von 150 auf 709 Euro (das sind 372 Prozent), sie liegt aber immer deutlich unter dem bayerischen Durchschnitt von 1 297 und weit unter dem Bundesdurchschnitt von 4133 Euro pro Kopf. Die Gemeinde muss vermutlich 6,3 Millionen neue Schulden aufnehmen.

Dabei wird der Einkommenssteuer-Anteil nach den Vorhersagen um 600 000 Euro steigen. Komplizierter wird es bei der Gewerbesteuer: Sie liegt in diesem Jahr vermutlich leicht unter dem Vorjahr (10,3 gegenüber 10,8 Millionen 2023, sollte aber im nächsten Jahr nach den Prognosen der Kämmerei auf 10,6 Millionen Euro steigen, wenn die Konjunktur mitspielt.

Sorgen macht der Gemeinde die Kreisumlage, die inzwischen auf 11 Millionen angestiegen ist. Ursächlich seien vor allem die vier kreiseigenen Kliniken, die inzwischen die Kreisumlage auf schwindelerregende 54,8 Prozent der Gemeindeeinnahmen hochtreiben. Die Schuld sehen Kreis und Gemeinde in der Krankenhausreform. Kleiner Faktencheck: Die wurde erst jüngst im Bundesrat verabschiedet, kann also noch keine Auswirkungen auf die Finanzsituation der Kliniken haben.

Gewerbesteuer-Entwicklung: In diesem Jahr wird mit rund 10,3 Millionen gerechnet. Quelle: Gemeinde Herrsching

Eine Gemeinde muss einen ausgeglichenen Ergebnishaushalt vorlegen, betonte die Kämmerin Miryam Goodwin vorab – und das hat sie geschafft, auch wenn ein Haushalt nichts als ein Blick in die Glaskugel ist. Im Herrschinger Kassenbuch steht, wenn denn die Vorhersagen eintreffen, ein Gesamtbetrag von 34 Millionen. Aber: 33, 98 Millionen fließen auch wieder ab. Und das bedeutet: Die Silvesterkracher am 31. Dezember 2025 feiern, dass 45 054 Euro übrig bleiben– aber auch nur deshalb, weil die Gemeinde 6,3 Millionen Schulden aufgenommen hat.

Auch bei den anderen Steuerquellen geht’s aufwärts: Die Grundsteuer bringt dank der Steuererhöhung 200 000 Euro mehr ein, die Zweitwohnungssteuer dank des höheren Hebesatzes ebenfalls 200 000 Euro. Nur die Hunde machen einen vergleichbar kleinen Haufen mit 50 000 Euro, obwohl auch diese Steuer angehoben wurde.

Die Kreisumlage steigt und steigt. Quelle: Gemeinde Herrsching

Bei den sogenannten Transferleistungen, ein Bürokratenwort für Zahlungen aus einem öffentlichen Topf in den anderen, sticht besonders die Kreisumlage hervor. Der Landkreis finanziert seine Leistungen, darunter auch lebenserhaltende Maßnahmen für die vier kreiseigenen Kliniken, vorzugsweise über die Zwangsabgaben aus den Kreisgemeinden. Aus diesem Grunde bekommen die Gemeindevertreter im Kreistag auch oft erhöhten Puls: Der Fraktionssprecher der Freien Wähler im Kreistag, Albert Luppart, wählte für die Finanzsituation des Kreises einen drastischen Ausspruch: „Wir fahren den Laden an die Wand.“ Grund: Die Umlage für den Kreis steigt unaufhörlich wie der Donaupegel bei Hochwasser. Falls die Kreisumlage in vier Jahren tatsächlich bis auf 12,7 Millionen ansteigen sollte, „würde das Herrsching nachhaltig und massiv einschränken“, so der Bürgermeister im Gemeinderat.

Herrsching war immer stolz auf – wie es die ehemalige Bundeskanzlerin sagte – Haushaltsdisziplin einer schwäbischen Hausfrau. Doch im nächsten Jahr erwischt es die Seegemeinde massiv: Sie muss sich 6,3 Millionen Euro an Fremdmitteln besorgen.

Aber der Haushalt hat noch andere Abflussrohre: So schlagen die Kitas mit 4,8 Millionen ins Kontor. Und die Umlagen für Schulen, Verband Wohnen und ZV Krankenhaus kommen auf 1,5 Millonen. Schließlich beanspruchen die Zuschüsse für Vereine, die Herrschinger Insel, den Hilfsdienst, die Kulturförderung, VHS und das Ferienprogramm 600 000 Euro. Und fürs Gemeindepersonal sind im nächsten Jahr 6,1 Millionen Euro fällig – 100 000 mehr als im Vorjahr.

Die Pro-Kopf-Verschuldung in Herrsching steigt damit von 150 auf 709 Euro (das sind 372 Prozent), sie liegt aber immer deutlich unter dem bayerischen Durchschnitt von 1297 und weit unter dem Bundesdurchschnitt von 4133 Euro pro Kopf.

Und wohin geht nun das viele schöne Bürgergeld? Einmal in

• das Projekt „Bezahlbarer Wohnraum“, das im nächsten Jahr immerhin 4,6 Millionen verschlingt.

• in den Straßenbau wie die Kostenbeteiligung für die Mühlfelder, den Regenwasserkanal für die Panoramastraße, die Rauscher Straße, ein Verkehrskonzept und in das Sturzflutrisikomanagement.

• das Kinderhaus am Fendlbach, das 2025 noch einmal 720 000 Euro kostet.

• ein Baumentwicklungskonzept für 550 000 Euro. Nähere Ausführungen dazu gab es nicht in der Sitzung.

• die Kostenbeteiligung für das Gymnasium in Höhe von 500 000 Euro.

• das neue High-Tech-WC-Haus am Bahnhof, das netto 170 000 Euro kostet.

• die Christian-Morgenstern-Schule für digitale Tafeln, Parkplätze und LED-Beleuchtung (gesamt: 230 000 Euro)

• eine Skateranlage (150 000 Euro).

Da man sich – Lebenserfahrung bei allen Investitionen – am längsten an Kleinbeträgen aufhält, wird nächstes Jahr noch einmal heftig über die Vereinszuschüsse diskutiert. Ob der relativ kostspielige Jahresempfang der Gemeinde in dieser opulenten Ausgestaltung stattfindet, wird in der nächsten Klausur wohl auch hinterfragt werden.

4 Comments

      • Die Schuld sehen Kreis und Gemeinde in der Krankenhausreform …. das stimmt einfach nicht.
        Meinen Kommentar habe ich geschrieben, als der Artikel noch viel kürzer war. Damit war klar, dass sich mein Kommentar nur darauf bezog.

      • Bzgl. der Gründe für die hohe Verschuldung des Landkreises empfehle ich meinen Kommentar vom 03.12.2024, 22:25 Uhr zu dem Artikel „Gute Ertragslage in Herrsching, hieß die Halbjahresbilanz. Wie sieht’s zum Jahresende aus?“ bei Herrsching online. Die verspätete Krankenhausreform ist sicherlich nicht dafür verantwortlich; im Gegenteil, sie hat den Kreis vor noch einer höheren Verschuldung durch den geplanten Klinik-Neubau bewahrt.

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