Sie sprechen nicht, sie drohen nicht, sie werten nicht, und doch ist es still im Klassenzimmer, wenn sie auf leisen Sohlen kommen: Trudi, Polli, Holly, Molli oder Boots sind Pädagogen auf Pfoten. In der Montessori-Schule in Inning gehören schon zwei Lehrer-Hunde zum „Kollegium“. Ausgebildet werden solche Kollegen der Besoldungsgruppe „Leckerli“ von der Herrschinger Hundetrainerin Petra Herz und einer Lehrerin speziell für den Unterricht in Schulen. Die Erfolge sind frappierend: „Wenn ein Lehrer von seinem Hund im Unterricht begleitet wird, sind die Schüler ruhiger, der Puls geht runter“, weiß Petra Herz. Die Ausbildung zum Schulhund zahlen die Lehrer aus der eigenen Tasche: 1500 Euro kostet die Vorbereitung der vierbeinigen Sonderpädagogen auf den speziellen Lehrauftrag.
Die Lehrer-Hunde in den Klassenzimmern sollen aber nicht nur als Beta-Blocker für hyperaktive Schüler wirken, sie sind auch Teil des Unterrichts. Beispiel: Der Schulhund dreht mit der Pfote ein Glücksrad, auf dem die Namen der Schüler stehen. Der Schüler, der vom Zufallsrad ausgewählt wurde, hat dann das Glück, vom Lehrer aufgerufen zu werden. Kein Kind kann folglich dem Lehrer Böses unterstellen – und Molly gerät sowieso nie unter Mobbingverdacht. Die Schülerinnen und Schüler dürfen Molly auch für Apportieraufträge einsetzen. Sie schicken den Labradoodle zu einem „Dummy“, (Hundebeutel, in dem Aufgaben und Leckerli versteckt sind) und lassen sich die darin versteckte Matheaufgabe bringen. Hund ist stolz auf seinen Lieferservice, Kind ist neugierig auf den „Job“ im Beutel.
Die Beziehung der Kinder zu den flauschigen „Hilfslehrern“ kann so eng werden, dass sie die Lehrerin darum bitten, bei Proben den Hund mitzubringen. Die Tiere strahlen eine Gelassenheit aus, die sich auf den Erregungszutand der Schüler positiv auswirkt. „Ein Schüler, der hochgradig an ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung) litt und ständig irgendwelche Gegenstände durch die Finger gleiten ließ, wurde durch die Anwesenheit des Schulhundes viel ruhiger“, haben Lehrer schon beobachtet.
Ein Hund muss also nicht immer eine aktive Rolle spielen. Die Schlappohren werden sogar als geduldiges Lesepublikum geschätzt. Schüler mit Leseschwächen dürfen den Hunden vorlesen, ohne dass jemand mahnt, drängelt oder gar korrigiert. Die Hunde hören zu, auch wenn der Lesefluss stockt, ja, sie verziehen keine Miene, wenn das Kind eine halbe Stunde stumm bleibt. Pädagogik ohne Pein, so schön kann Schule sein.
Die Hunde haben ihre Rolle natürlich gelernt – auf der „Huniversität“ von Petra Herz. Die Ausbildung dauert 6 Monate mit 60 Stunden Unterricht. Herz ist zertifizierte Hundetrainerin und „Canis“-Absolventin (Akademie für angewandte Tierpsychologie). In der Ausbildung geht’s zum Beispiel um Rassekunde, Jagdverhalten, Stress für Hunde oder Beißprävention. Die tapsigen oder tapsenden Studenten lernen Körpersprache, Verbindlichkeit oder Impulskontrolle. Geeignet sind, so Herz, grundsätzlich alle Rassen, wir können uns aber vorstellen, dass ein knuddeliger Labrador oder ein zotteliger Sheepdog in den Klassen besser ankommt als ein Rottweiler. Dann muss jeder Pädagogikhund viermal im Jahr zum Tierarzt. Die Ausbildungskosten in Höhe von 1500 Euro kann der Lehrer übrigens als Werbungskosten beim Finanzamt geltend machen – so beteiligt sich sehr indirekt auch das Kultusministerium an der Ausbildung.
Dabei befrieden die Schulhunde nicht nur ganze Klassenzimmer, sie können manchmal auch den Schulpsychologen ersetzen. Manchmal profitieren sogar Lehrer von den Pädagogen auf Pfoten. Es gab sogar schon Lehrerinnen, die nach einer harten Unterrrichtsstunde im Lehrerzimmer mit Polli geschmust haben. Und Polli stellt – im Gegensatz zum Psychotherapeuten – keine Rechnung.
Das nächste Kennenlerntreffen für interessierte Lehrerinnen und Lehrer gibt’s am 28. April um 10 Uhr in der Schulstraße in Weil. Anfragen unter info@hunderlherz.de