Trotz rotem Roller (hat sie sich geliehen) ist die SPD-Abgeordnete Christiane Feichtmeier (50) keine in der Wolle gefärbte SPD-Frau. Sprüche klopfen ist ihr zuwider. Foto: Gerd Kloos

Christiane Feichtmeier hat’s geschafft

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Wenn das kein Wahlkrimi war: Die SPD-Landkreis-Kandidatin Christiane Feichtmeier zieht überraschend in den Landtag ein. Der Landeswahlleiter wusste es offiziell noch nicht, aber die Parteigremien haben der Polizeihauptkommissarin schon gratuliert. Im Interview mit herrsching.online meinte die Tutzingerin: „Ich bin in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden. Und ich habe mir gesagt, dass ich es heuer noch einmal probieren werde.  Denn es macht mir Spaß, unsere Ziele zu vertreten und Leute zu überzeugen. Aber es ist auch hart, und manchmal bin ich auch frustriert, wenn ich heimkomme. Wahlumfragen schau ich mir keine mehr an.“

Persönlich hat Christiane Feichtmeier einen großen Erfolg errungen, ihre SPD dagegen wurde bei dieser Wahl heftig zerfleddert. Beim Gesamtstimmergebnis im Stimmkreis erreichte die SPD nur 7,7 Prozent, in Herrsching waren es nur 7,2 Prozent. Trotzdem reichte ihr Listenplatz 5 in Oberbayern für den Landtagssitz.

Hier noch einmal das Interview von herrsching.online mit Christiane Feichtmeier

Wer keine Politiker mag, die auf der Karriereleiter Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsal nach oben geklettert sind, der sollte sich mal die tapfere Christiane Feichtmeier ansehen: Die Polizeihauptkommissarin arbeitet im Münchner Innenministerium. Und wer weiß, vielleicht trifft sie ihren bisherigen Chef Joachim Herrmann bald nicht mehr auf dem Flur am Odeonsplatz, sondern im Maximillianeum. herrsching.online hat sie gefragt: Was muss besser werden in Bayern?

herrsching.online: Sie sind Polizeihauptkommissarin und im Nebenberuf Politikerin und Gewerkschafterin. Ein Polizist muss sich an Fakten halten, muss alle Menschen gleich behandeln, ein Politiker bedient seine eigene Klientel, arbeitet mit Behauptungen und schon auch mal mit Unterstellungen. Wie bringt man diese beiden Denkweisen zusammen?

Feichtmeier: Ich bin noch keine Berufs-Politikerin. Ich habe natürlich viel politische Erfahrung gesammelt als Kommunalpolitikerin, in München im Bezirksausschuss, im Kreis Starnberg sitze ich im Kreistag. Aber von mir werden Sie nie populistische Sprüche hören. Ich diskutiere in den Ausschüssen mit. Und viele können mich nicht mal als SPD-Frau identifizieren, weil ich großen Wert auf sachliche Beiträge lege.

herrsching.online: Sind Sie nicht SPD-sozialisiert?

Feichtmeier: Ich bin erst seit 10 Jahren Mitglied in der SPD. Mein Weg in die SPD führte mich über meine Arbeit für Frauen. Und dann kam ich über die Gewerkschaftsarbeit bei der Polizei zur SPD.

herrsching.online: Was hat Sie eigentlich in die Politik getrieben?

Feichtmeier: Wenn man in einem Viertel wie in Schwabing als Polizistin arbeitet, sieht man den krassen Unterschied zwischen den Reichen, die sich tolle Wohnungen leisten können, und den ärmeren Menschen, zu denen viele ältere Frauen gehören, die ihre Miete nicht mehr zahlen konnten. Auch vor dem Phänomen Obdachlosigkeit sind wir als Polizisten natürlich ohnmächtig gestanden. Ich aber sagte mir: Da muss man was machen. Wir sind ein so reiches Land, da kann es nicht sein, dass jemand kein Dach über dem Kopf hat.

herrsching.online: Haben Sie damit auch schon Ihre politische Agenda umrissen, oder haben Sie auch noch andere Ziele?

Feichtmeier: Natürlich liegt mir der Klimaschutz am Herzen. Der Kreis muss klimaneutral werden…

herrsching.online:.. da dürfen wir doch gleich mal nachfragen, was Sie von einer Baumschutzverordnung halten?

Feichtmeier: Das Problem kenn ich aus München, da gibt es eine Baumschutzverordnung. Im Bezirksausschuss, also dem Parlament für den Stadtteil, gab’s viele Auseinandersetzungen. Die Bauwilligen wollten die Bäume weghaben, und in der Satzung sind Bäume ab einem bestimmten Umfang geschützt. Und wenn der Baum schon gefällt werden durfte, mussten Ersatzpflanzungen her. Das hat Debatten ohne Ende ausgelöst. Es gibt ja den Grundsatz, dass Baurecht vor Baumschutz geht. Aber wir haben sehr auf Ersatzpflanzungen auf dem Grundstück gepocht.

herrsching.online: Treten Sie also entschieden für eine Verordnung ein, die den Baumschutz regelt?

Feichtmeier: Ja, ich will auch, dass man nicht wie in Widdersberg alles abholzt, damit da die schicken Villen gebaut werden können. Über einen einzelnen Baum auf einem Grundstück lass ich mit mir reden, aber richtige Rodungen, das kann und darf nicht sein.

herrsching.online: Und was steht noch auf Ihrer Umwelt-Agenda?

Feichtmeier: Ich kämpfe dafür, dass man möglichst oft aufs Auto verzichtet und mit dem ÖPNV und Fahrrad unterwegs ist. Mein Mann und ich haben nur ein Auto, und ich pendle jeden zweiten Tag ins Innenministerium nach München. Inzwischen ist es mir mit einem ausgeklügelten System gelungen, beim Pendeln ganz aufs Auto zu verzichten. Wenn man als Politikerin fürs Fahrrad und für den öffentlichen Nahverkehr plädiert, muss man auch selber ein Vorbild sein.

herrsching.online: Sie bekennen sich auch dazu, Interessenvertreterin der sogenannten Kleinen Leute zu sein. Nur dumm, dass ein erheblicher Teil dieser Leute heute mit der AfD liebäugelt. Läuft der SPD die Kundschaft weg?

Feichtmeier: Wir sind nicht mehr glaubhaft für die. Es hält sich hartnäckig die Erzählung, dass sich Arbeit nicht mehr lohne, weil man mit dem Bürgergeld das gleiche Einkommen erzielen könne wie mit harter Arbeit. Ich versuche dann immer mit Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu kontern, die beweisen, dass man sogar mit dem Mindestlohn mehr verdient, als man mit dem Bürgergeld erhält.

herrsching.online: Ein weiterer Schwerpunkt einer SPD-Politikerin müsste die Schaffung bezahlbarer Wohnungen sein. Das ist im Landkreis schwieriger, als ein Gymnasium zu bauen.

Feichtmeier: Ich bin ein Fan des genossenschaftlichen Bauens und Wohnens. Ich stell mir das ganz toll vor. Von vielen Gemeinderäten im Kreis habe ich gehört, dass die Kommunen keine Grundstücke mehr haben. Es gäbe einen Lösungsansatz : Man müsste Investoren durch steuerliche Anreize dazu bewegen, bei einem Projekt auch Sozialwohnungen zu bauen.

herrsching.online: Das adressieren Sie mal an Ihre Genossin, die Wohnungsbauministerin.

Feichtmeier: Da bin ich dann doch etwas zu weit weg. Aber Sie dürfen mir glauben, das ich unserer SPD-Abgeordneten Wegge schon einiges mit auf den Weg nach Berlin gebe. Wir schaffen für die Investoren finanzielle Anreize, damit es sich für sie lohnt, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. 

herrsching.online: Bei der letzten Wahl haben Sie es auf 8,2 Prozent Erststimmen gebracht. Woher nehmen Sie die Zuversicht, dass es bei dieser Wahl klappt?

Feichtmeier:  Ich bin in diesem Jahr 50 Jahre alt geworden. Und ich habe mir gesagt, dass ich es heuer noch einmal probieren werde.  Denn es macht mir Spaß, unsere Ziele zu vertreten und Leute zu überzeugen. Aber es ist auch hart, und manchmal bin ich auch frustriert, wenn ich heimkomme. Wahlumfragen schau ich mir keine mehr an.

herrsching.online: Wie bekämpfen Sie Ihren Frust?

Feichtmeier: Ich rede mit meinem Mann oder ich rede mir den Frust im Gespräch mit Freunden und Bekannten von der Seele. Man muss zwischendurch mal aus der SPD-Blase raus und sich von außen Ideen holen. Und dann hinterfrage ich auch, ob ich nett genug bin, ob ich unsere Ziele richtig vertrete. Aber aufgeben ist für mich auch keine Option. Ich weiß genau, dass ich einen Tag nach einem Misserfolg wieder angreifen werde.

herrsching.online: Wie kommen Sie denn mit den anderen Damen von den Mitbewerbern aus?

Feichtmeier: Im großen und ganzen komme ich mit allen gut aus. Mit der Andrea Schulte-Krauss von den Grünen komm’ ich ein bisschen besser aus. Wir haben ja ein Koch-Video zusammen gemacht. Mit der Britta Hundesrügge habe ich nicht so viele Berührungspunkte. Die Ute Eiling-Hütig kenn ich schon lange über meine Gewerkschaftsarbeit. Eigentlich haben wir alle ein freundschaftliches Verhältnis. Nur wenn der Herr von der AfD auftreten will, sind Andrea und ich nicht dabei. Und zwar ersatzlos.

herrsching.online: Dann hoffen wir mal, dass Sie ihm im Landtag nicht begegnen. Wieviel Prozent bräuchten Sie denn, um Ihren Sessel im Innenminsterium mit einem Stuhl im Maximillianeum eintauschen zu können?

Feichtmeier: Wenn mich die Leute wieder so schön nach oben häufeln wie letztes Mal, dann hätte ich auch mit 9 Prozent für die SPD eine Chance. 

herrsching.online. Dann wünschen wir Ihnen viele Wähler, die auf dem Stimmzettel Ihren Namen suchen.

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