Die Kuh durfte nicht mitfeiern, und nach Stall roch’s auch nicht: Beim Festival des Hauses der bayerischen Landwirtschaft wurde musiziert, gelacht, getrunken und viel gegessen: Dass die bayerischen Bauern gerade mit der Politik – besonders mit der Berliner – hadern, blieb aufmerksamen Besuchern nicht verborgen. herrsching.online fragte einen Milchbauern mit 90 Kühen, wie’s ihm gerade geht.
Der Zweite Weltkrieg war erst 4 Monate vorbei, da haben sich die bayerischen Bauern zu einer neuen, parteipolitisch unabhängigen Organisation zusammengefunden. Was die 22 Gründungsmitglieder an einem Septembertag 1945 begonnen hatten, entwickelte sich zu einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Das Schicksal des Verbandes als Interessenvertretung und zugleich als Bildungseinrichtung war eng mit der Seegemeinde Herrsching verknüpft. Die Bayerische Bäuerinnenschule wurde schon 5 Jahre nach dem Krieg am Hartschimmelhof zwischen Pähl und Andechs gegründet. Und 7 Jahre später zog es Bauern- und Bäuerinnenschulen in die Rieder Straße – dort, wo der Ammersee vor der Haustür liegt und der benachbarte Wald dem bildungswilligen Jungbauern Heimatgefühle vermittelt. Und das Haus wuchs und wuchs: 2005 wurde es umbenannt und generalsaniert, 2020 hat der Verband die Seminarräume aufwendig modernisiert.
Und so wuchs der Gebäudekomplex am nördlichen Rand von Herrsching zu einem bestens ausgestatteten Bildungs- und Gastronomiezentrum: Inzwischen zählt das Haus rund 22 000 Übernachtungen im Jahr, über 700 Veranstaltungen stemmen die Bildungsreferenten, Hotelfachkräfte, Köche und das Servicepersonal im ganzen Jahr. So finanziert sich auch das Haus zu einem großen Teil aus den Einnahmen dieser Tagungsangebote. Hier werden also nicht nur Jungbäuerinnen und -bauern zu modernen Agrarmanagern ausgebildet, sondern (beispielsweise) auch Pharma-Verkäufer geschult.
herrsching.online druckt aber nicht nur offizielle Erfolggeschichten ab, sondern fragt bei Menschen nach, die nicht auf der offiziellen Rednerliste stehen – zum Beispiel den Kreisobmann Wolfgang Scholz aus Weilheim-Schongau. Der Mann kann sich so sachkundig ausdrücken wie ein Industrie-CEO, bringt seinen Betrieb mit 90 Milchkühen durch alle Krisen und macht – wie beim Festival am Samstag – auch als Barkeeper mit Fliege eine gute Figur.
herrsching.online: Was macht den bayerischen Bauern am meisten Sorgen?
Scholz: Ich sehe auf die Bauern einen Strukturbruch zukommen, wie wir ihn noch nie gesehen haben. Vor allem die Novelle des Tierschutzgesetz wird Strukturen verändern. Wir haben in Oberbayern viele Höfe mit Kombinationshaltung, also einem Anbindestall, aber die Kühe gehen auch auf die Alm und auf die Weide. Entlang der Alpenkette haben wir überwiegend Kombinationshaltung. Für einen Laufstall müsste ich mindestens eine Million investieren. Und ein kleiner Betrieb kann keine Million investieren. Diese Betriebe machen sehr viel Arbeit auch für die Allgemeinheit, weil sie die Landschaft pflegen. Und die schmeißt man alle aus raus. Die deutsche Politik erlaubt sich, diese Betriebe komplett rauszukicken. Und ein großer Betrieb investiert nicht in diesen Landschaften, weil er dort aufgrund der kleinteiligen Strukturen nicht effizent arbeiten kann. Der fährt nicht die Hänge hoch und bearbeitet die kleinen Flächen.
herrsching.online: Und was macht Ihnen noch Kummer?
Scholz: Die Bürokratie. Ich hab das Glück, dass die Schwiegertochter bei den Gesetzessachen fit ist, mein Sohn würde gegen die Wand laufen. Der sagt, ich hock mich nicht 3 Tage in der Woche ins Büro, um alles zu dokumentieren. Und die Deutschen haben noch viel umfänglichere Bürokratie-Anforderungen als alle anderen EU-Staaten.
herrsching.online: Wenn der Laie aus der Stadt aufs Land kommt, sieht er riesige Traktoren, die sicher viel Geld gekostet haben.
Scholz: Wenn man 1960 einen Betrieb mit 20 Hektar und einen Schlepper mit 35 PS hatte, dann konnte man nach damaligen Standards produzieren. Heute sind die Flächen viel größer, und die Maschinengrößen mussten folgen. Man muss also immer rechnen, ob die Maschine im richtigen Kostenrahmen ist. Wenn ein Landwirt mit einem zu großen Schlepper rumfährt, der seine Kosten nicht verdient, dann hat er entweder Reserven, die er einsetzen kann, oder der Schlepper gehört der Bank. Der Bauer braucht aber nicht nur einen Schlepper, der nicht zu groß und nicht zu klein ist, sondern zum Beispiel auch einen funktionalen und tiergerechten Stall. Mein Stall ist 25 Jahre alt. Ein neuer Stall würde mich 2 Millionen kosten. Und dann muss man sich entscheiden zwischen dem teuren Stall und der Maschine. Und deshalb sieht man manche Bauern mit einer 150000 Euro teuren Maschine herumfahren.
herrsching.online: Kann man von und mit 90 Kühen gut leben?
Scholz: Gut leben? So möchte ich es nicht sagen. Die Stundenentlohnung auf einem solchen Hof ist zu niedrig. Und es gibt Jahre, wo man überhaupt keinen Unternehmerlohn hat. Leider zahlen wir sehr schnell Steuern. Als ich meinen Betrieb 1990 übernommen habe von meinem Onkel, hat der 26 000 Mark Austrag verlangt. Und der Kapitaldienst hat noch einmal 25 000 Euro verschlungen. Und dann muss du noch deine persönlichen Versicherungen bezahlen. Das hat sich dann auf 60 000 Mark summiert. Also musste ich erst dieses Geld aufbringen und hatte dann noch keine Mark für mich verdient. Wenn meine Frau nicht zusätzlich in die Arbeit gegangen wäre, hätte ich das wirtschaftlich nicht überstanden. Mit 30 Kühen hätte der Hof nicht überlebt.