Der Breitbrunner Feuerwehr-Vorstand Stefan Feigll und Kommandant Florian Kleber.

„Ich mach die Arbeit bei der Feuerwehr nicht, damit einer Danke sagt“

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Stellen Sie sich vor: Es ist 3 Uhr nachts, und Sie freuen sich, dass der Wecker erst in 4 Stunden klingelt. Stellen Sie sich vor, die Nacht ist schon um 3 zu Ende, denn auf dem Nachttisch kreischt der Piepser von der Feuerwehr. Irgendwo sind Menschen, Häuser, Scheunen, Tiere in Gefahr. Jetzt kommt es auf Sie an: Drehen Sie sich um und schlafen weiter, oder rasen Sie zum Feuerwehrhaus und springen in Ihre Brandschutz-Klamotten? Warum tun sich das Frauen und Männer an, warum gehen sie zur Feuerwehr? Das 150. Jubiläum der Herrschinger und Breitbrunner Wehren ist ein guter Anlass, den ehrenamtlichen Kommandanten Florian Kleber, 44, und den Vereinschef Stefan Feigl, 39, Breitbrunn, zu fragen: Was bewegt Sie, soviel Zeit für die Gemeinschaft zu opfern und mitunter sogar die Gesundheit zu riskieren? Ein spannendes Gespräch mit 2 Männern, die unentbehrlich sind.

herrsching.online: Kürzlich sagte uns jemand: Breitbrunn hat nix mit Herrsching zu tun, die haben sogar eine eigene Feuerwehr. Ist die Feuerwehr so etwas wie ein Identitätsnachweis für ein Dorf?

Feigl: Ja, das ist auch historisch bedingt.  Vor 150 Jahren haben Breitbrunn und Herrsching keine 10 Minuten Autofahrt getrennt, sondern 2 Stunden Fußmarsch. 1978 wurde Breitbrunn eingemeindet, da rückte man dann schon näher zusammen. Aber das Dorf hatte eben seine eigene Feuerwehr, das eigene Wirtshaus und die eigene Kirche.

Die Feuerwehr ist identitätsstiftend: Vereinsvorstand Stefan Feigl (links) und Kommandant Florian Kleber haben Ortsbild-Motive auf ihr Löschfahrzeug malen lassen. Foto: Gerd Kloos

herrsching.online: Da sind wir schon bei der logischen Frage: Warum braucht Breitbrunn eine eigene Feuerwehr?

Feigl: Weil wir gesetzlich vorgegebene Hilfsfristen haben. Und die könnten mit einer Feuerwehr, die nur von Herrsching aus operiert, nicht erfüllt werden…

herrsching.online: … wegen der Entfernung oder wegen der Schranke?

Feigl: Wegen der Entfernung. Das Gesetz verlangt, dass zwischen dem Eingang des Notrufes und dem Eintreffen am Einsatzort maximal 10 Minuten vergehen dürfen.

Kleber: Die Bahnschranke ist tatsächlich ein Problem, vor allem für die Herrschinger Feuerwehr….

herrsching.online…das heißt, dass Lochschwab nach Einführung des 12-Minuten-Takts der S-Bahn der Breitbrunner Feuerwehr zugeschlagen wird…

Kleber: Hoffentlich nicht. Aber im Ernst, Lochschwab ist Teil von Herrsching und die Anfahrt für Breitbrunn ist deutlich länger als für die Feuerwehr Herrsching. Zusätzliche Schließzeiten der Schranke machen es aber sicher nicht einfacher.

Feigl: Man muss hier einfügen, dass wir keinerlei Konkurrenzdenken unter Feuerwehren haben. Lochschwab als eine Art feindliche Übernahme, das wäre unvorstellbar.

Kleber: Es ist natürlich richtig, dass die Existenz der Breitbrunner Feuerwehr immer mal wieder hinterfragt wird. Nur weil es 150 Jahre lang so war, heißt es ja nicht, dass es immer so bleiben muss. Aber man muss das auch von einer anderen Seite aus betrachten: Das Konzept der Freiwilligen Feuerwehren besteht aus dem Prinzip der Freiwilligkeit. Eine Berufsfeuerwehr wäre für eine Gemeinde schlichtweg nicht finanzierbar. Man kann bei zentralen Aufgaben einer Gemeinde wie Wasser, Abwasser, Bauhof und ähnliches möglicherweise Synergien schaffen, aber das Ehrenamt kann man nicht zentralisieren. Hätten wir die Freiwilligen in der Gemeinde nicht, sei es bei der Feuerwehr, im Sportverein, beim Asylhelferkreis, dann weiß ich nicht, was aus der Gemeinschaft würde. Deshalb ist die Feuerwehr auch viel mehr als eine Brandschutz-Dienststelle. Das ist, so wie Sie es in Ihrer Frage angedeutet haben, identitätsstiftend.

herrsching.online: Das heißt, die Feuerwehr hat auch eine soziale Funktion in der Gemeinde?

Kleber: Ganz bestimmt. Die Feuerwehr bringt junge und ältere Generationen zusammen und trägt zur Integration in die Gemeinschaft bei. Die Kinder fangen mit 12 Jahren an, und die ältesten Aktiven sind bis zu 65 Jahre alt.

Feigl: Aber nach dem aktiven Dienst bleibt man natürlich bei der Feuerwehr – unser ältestes Vereinsmitglied ist 86 Jahre alt. Diese enorme Altersspanne ist ein Alleinstellungsmerkmal der Feuerwehr. So können sich die Generationen austauschen, und es wird Wissen weitergegeben.

herrsching.online: Jetzt eine persönliche Frage an Sie beide: Mal ganz ehrlich, was bringt einen Mann, der einen fordernden Beruf hat, dazu, nachts um 3 Uhr in sperrige Klamotten zu hüpfen, anstatt auszuschlafen?

Feigl: Die Selbstverständlichkeit. Ich bin nun 25 Jahre bei der Feuerwehr, und für mich ist es keine Frage, ob ich aufstehe. Warum? Das hat was mit der Persönlichkeit und mit der Erziehung zu tun, anderen helfen zu wollen. Und man will ja nicht nur den Menschen in Not helfen, sondern auch dem Team. Man will niemanden alleine lassen in dieser Situation.

Kleber: Man ist ja am Beginn der Feuerwehrkarriere ein bisschen jünger. Und da hat keiner Angst davor, Schlaf zu versäumen, sondern da ist auch die Neugier, der Reiz zu erleben, was so passiert. Aber zugegeben, es kommen dann schon mal Tage, wo man sich sagt: Das passt jetzt gar nicht. Aber dann tritt eben die Konsequenz an die Stelle des Adrenalins: Wer A sagt, muss auch B sagen. Das lernt man in der Gemeinschaft, dass man für den anderen konsequent da sein muss.

herrsching.online: Kommt es nie vor, dass man sich doch noch mal umdreht und die Aufgabe an andere delegiert...

Kleber: Dann ist das schlechte Gewissen da.

Feigl: Und wenn der Piepser geht, dann sind Sie wach. Jeder Aktive hat so einen Funkmeldeempfänger, der einen höllisch lauten Ton von sich gibt. Dann gibt es eine kurze Durchsage der Leitstelle, und wir bewegen uns schnell zum Feuerwehrhaus. Da kommt natürlich auch ein Hormoneinschuss. Bei einem Alarm gehen wir gedanklich Checklisten durch. Und dann funktionieren Sie. Deshalb sind auch Übungen so wichtig, um die Automatismen zu lernen. Das ist dann alles Uhrzeit-unabhängig.

herrsching.online. Jeder trinkt mal gerne ein Bier, und manchmal auch zwei, schließlich ist Löschen die Kernaufgabe der Feuerwehr…wie ist es da um die Einsatzfähigkeit bestellt?

Kleber: Wir können uns von den Regeln nicht befreien, die für jeden gelten…

herrsching.online: Stellen Sie sich vor, Sie sind am Sonntagnachmittag mit dem Nachbarn beim Grillen und trinken da keinen Kamillentee. Und dann kommt der Alarm.

Kleber: Da muss man dann ehrlich zu sich selbst sein. Da ist die Selbsteinschätzung wichtig, und natürlich die Beobachtung von Führungskräften, wer einsatzfähig ist. Aber es geht ja nicht nur um Alkohol, sondern auch um Erkrankungen. Wenn jemand auf der Leiter nicht trittsicher ist oder wegen einer Erkältung unter dem Atemschutzgerät zu wenig Luft bekommt, kann das lebensgefährlich werden. Wer wegen einer Erkrankung nicht zur Arbeit oder in die Schule gehen kann, der darf auch nicht an einem Einsatz teilnehmen. Gibt es Ausnahmen? Nein, gibt’s nicht. Aber in der Wirklichkeit gibt es auch immer Graubereiche.

herrsching.online: Bei der Feuerwehr gibt’s im Einsatz eine strenge Hierarchie mit militärischer Strenge. Schreckt das junge Menschen, die ja heute extrem individualistisch sind, nicht ab?

Feigl: Bei Übungen ist die Hierarchie flach. Klar, auch da gibt es einen, der den Hut auf hat. Die Führung ist eher situativ. Im Einsatz aber geben die Befehlsketten Sicherheit. Wenn jeder mitreden dürfte, hätten wir sehr viele Meinungen. Das würde nicht funktionieren. Aber ich habe den Eindruck, dass die jungen Menschen in der Feuerwehr sich mit den Hierarchien gut zurecht finden. 

Kleber: Es gibt immer viele Wege, die zum Ziel führen. Aber im Einsatz haben wir gar keine Zeit zu diskutieren. Außerhalb der Einsätze besprechen wir dagegen schon unterschiedliche Sichtweisen. Darüber hinaus glaube ich aber schon, dass die Individualität jedes Einzelnen heute stärker betont wird. Das macht sich auch hier und dort bei uns bemerkbar. Wir sind ja ein breiter Querschnitt der Bevölkerung.

herrsching.online: Ich habe bei den Helferinnen bei der Tafel gespürt, dass schon ein Bedürfnis nach so etwas wie Dankbarkeit der Gesellschaft für den harten Einsatz vorhanden ist. Fordern Sie mehr Dankbarkeit von den Bürgern?

Kleber: Wenn ich, wahrnehmbar als Feuerwehrmann, durch Breitbrunn gehe, höre ich nie Negatives. Ich spüre vielmehr eine Sympathie. Ich habe den Eindruck, unsere Arbeit wird gewertschätzt. Auch von der Gemeinde und vom Gemeinderat bekommen wir die Wertschätzung. Aber ich mach die Arbeit ja auch nicht, damit einer Danke sagt.

herrsching.online: Der frühere Vereinsvorsitzende Thomas Bader erzählte mir, dass man beim Einsatz froh sein müsse, wenn man nicht beschimpft werden. Habe Sie das auch schon erlebt?

Feigl: Ja, das ging schon soweit, dass wir an Silvester mit Raketen beschossen worden sind. Aber wir wollen ja nicht, dass uns jeden Tag jemand anerkennend auf die Schulter klopft. Die Motivation für unseren Dienst kommt schon aus uns selbst. Schön ist aber auch, wenn unsere Feuerwehrfeste soviel Resonanz finden, wie beim Feuerwehrfest bei uns am Samstag, oder an Neujahr am Dampfersteg mit 300 Besuchern.

herrsching.online: Sie jedenfalls haben nie erlebt, dass Sie im Einsatz tätlich angegangen werden?

Kleber: Natürlich sind die Reaktionen nicht immer freundlich, zum Beispiel wenn wir eine Straße sperren. Das verstehe ich ja. Aber den Menschen, deren Hab und Gut in Gefahr ist, die sind uns dankbar für unseren Einsatz. Und das ist uns genug.

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