Diese Gemeinderatssitzung verspricht hitzige Diskussionen: Am Montag behandelt der Rat eine Petition, die vom Kiez-Wirt Fritz Frömming initiiert wurde. Der Herrschinger Wirt will vom nächsten Juni bis zum 30. September seine Gastro-Terrasse bis 24 Uhr betreiben. Dazu hat er auf der Plattform openPetition um Unterstützung gebeten. 622 Supporter haben den Antrag an Bürgermeister Schiller unterzeichnet. Frömming glaubt, dass längere Öffnungszeiten die touristische Attraktivität des Ortes stärken. Frömming bekam bereits einmal vom Landratsamt wegen Ruhestörung durch Freiluft-Gäste „die gelbe Karte“ (Frömming).
Natürlich erhebt die Umfrage keinen Anspruch auf Repräsentativität. Gewährleistet ist allerdings, dass ein Rechner, Pad oder Smartphone nur einmal abstimmen darf. Manipulative Massenabstimmungen sind also ausgeschlossen.
Im Antrag an Bürgermeister Schiller heißt es: Als Betreiber der Gastronomie KIEZ in Herrsching am Ammersee und im Namen zahlreicher weiterer Gastronomiebetriebe in und um Herrsching sehen wir uns als Initiator zur Veränderung der Öffnungszeitenregelung für die Außenbereiche und fordern die Verlängerung der genehmigten Sommer-Öffnungszeiten unserer Gaststätten/Restaurant-Außenbereiche.
Der Antrag betrifft folgende Öffnungszeiten für den Zeitraum 01.06. bis 30.09.:
· • Freitag und Samstag: statt 22:00 Uhr – neu: bis 24:00 Uhr
· • Sonntag bis Donnerstag: statt 22:00 Uhr – neu: bis 23:00 Uhr
Selbstverständlich, so Frömming, werde man auch weiterhin alle Lärmschutzauflagen einhalten und entsprechende Maßnahmen zur Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft umsetzen, (zum Beispiel Musikbegrenzung, freundliche Hinweise ans Publikum, Schallschutzmaßnahmen).
Im Interview mit herrsching.online äußerte sich Frömming so:
herrsching.online: Nun haben Sie Ärger mit den Nachbarn…
Frömming: … nicht den Nachbarn. Es sind nur einige wenige, nur ein, zwei Familien. Und die haben sich beim Landratsamt beschwert. Wenn du aber einmal vom Landratsamt die gelbe Karte bekommen hast, kriegst du beim nächsten Mal die rote, und die kostet 5000 Euro.
herrsching.online: Wie sind denn aktuell die Lärmschutzbestimmungen in der Herrschinger Gastronomie?
Frömming: Wir haben am Landungssteg ein Mischgebiet aus Geschäften, Gastronomie und Wohnungen. Nach dem Emissionsgesetz muss um 22 Uhr Schluss sein in der Außengastronomie. Nach 10 müssen die Gäste in die Innenräume umziehen, die Fenster müssen geschlossen werden. Aber bei 25 Grad geht ja keiner freiwillig in einen geschlossenen Raum. Wir haben das bisher so gehandhabt, dass wir nach 10 Uhr Lärm vermieden und die Terrasse zur Seestraße hin geräumt haben. Nur der Bereich Richtung Bahnhof wurde noch bewirtschaftet.
herrsching.online: Aber das hat offenkundig nicht durchgehend funktioniert?
Frömming: Das Schlimmste, was einem Wirt passieren kann, ist uns eines Abends passiert. Da haben sich Jugendliche auf die geräumte Terrasse gesetzt und eigenen Alkohol mitgebracht. Von innen waren die nicht sichtbar, weil die so tief saßen. Gehört hat man diese Jugendlichen auch nicht, weil im Innenraum Musik läuft. Dann ruft der Nachbarn an und beschwert sich über den Lärm. Ich habe ihm versichert, dass da keine Gäste mehr von mir sitzen. Ich bin dann rausgegangen und habe die Jugendlichen dann entdeckt. Der Nachbar hat sich trotzdem beschwert. Ich habe dann beim Landratsamt den Sachverhalt aufgeklärt, aber es half nichts, wir haben die gelbe Karte bekommen.
herrsching.online: Sie haben generell Vorbehalte gegen die 22- Uhr-Regelung?
Frömming: Der Landkreis Starnberg rühmt sich immer seiner touristischen Attraktivität. Und deshalb kann es einfach nicht sein, dass um 10 die Bürgersteige hochgeklappt werden. Wenn ich mir südliche Länder anschaue, da geht das Leben nach 22 Uhr erst los. Jeder fährt gerne nach Italien, weil da das Leben tobt, aber zu Hause soll’s bittschön ruhig sein.
herrsching.online: Sind das Symptome einer zunehmenden Vergreisung von Herrsching?
Frömming: Absolut. Ich wohne seit 1965 in Herrsching. Wir haben früher die Gitarre ausgepackt, das Bier im Wasser kaltgestellt und sogar im Kurpark übernachtet. Hin und wieder bat uns die Polizei, ein bisschen leiser zu singen, aber jeder war froh, dass in Herrsching ein bisschen Leben stattfindest.
herrsching.online: Und jetzt ist Sanatoriumssstille am See?
Frömming: Es gibt überall Probleme, auch die „Post“ hatte Probleme wegen des DJs, am Kiosk an der Promenade schleichen Anwohner rum und beschweren sich. Dabei fängt es abends erst richtig an, romantisch zu werden, wenn die Sonne untergeht gegen 9 Uhr. Es tut mir in der Seele weh, weil ich Herrsching einfach anders kenne von früher. Wir hatten zwei oder drei Diskotheken, wir hatten die Südtiroler Stuben, die Palette, das Aquarius, alles weg.
herrsching.online: Was könnte denn die Gemeinde für die Gastronomien tun?
Frömming: Wir bräuchten eine Regelung, dass die Außengastronomie bis 23 Uhr betrieben werden darf und am Wochenende bis 24 Uhr. Ich glaube zu wissen, dass die Gemeinde diese Regelungen selbst erlassen kann. Notfalls werden wir eine Petition auf die Beine stellen, die dann an die Gemeinde geht.
Ein Problem der Gastronomie sind auch die fehlenden Taxis. Wir haben nur noch einen Taxiunternehmer in Herrsching, der nach 22 Uhr noch fährt. Und der ist völlig überlastet.
herrsching.online: Macht sich die frühe Terrassen-Schließung bei den Umsätzen bemerkbar?
Frömming: Wir mussten wegen der Umsatzeinbußen sogar vier Mini-Jobbler entlassen, die dann wieder im Winter kommen, wenn die Umsätze wieder steigen.
herrsching.online: Sie haben jetzt aber nicht die Lust verloren an Ihrem Etablissement?
Frömming: Nein, aber ich muss gestehen, dass ich schon recht frustriert war. Sie können sich nicht vorstellen, wieviel Arbeit in so einem Lokal steckt.
herrsching.online: Wenn der neue Wohn- und Praxixkomplex hinter dem Kiez fertig ist, könnte da noch mehr Ärger ins Haus stehen?
Frömming: Ich habe den Bauträger gebeten, in die Kaufverträge zu schreiben, dass in der Nähe der Wohnanlage ein Lokal betrieben wird. Trotzdem befürchte ich Beschwerden. Deshalb ist es uns auch so wichtig, dass die Leute, die da einziehen, wissen, dass sie neben einem Lokal wohnen werden, das eine Küche betreibt. Sogar der Dönerladen gegenüber hat schon Beschwerden wegen Küchengeruchs bekommen. Man muss sich aber vor Augen führen, dass es dieses Restaurant und den Dönerladen schon viele Jahre gibt, aber die Leute, die sich nun beschwerden, sind viel später hier eingezogen.




Wir müssen uns entscheiden, welchen Weg Herrsching gehen soll:
Wollen wir ein Ort werden, der immer mehr an Lebendigkeit verliert und für junge Menschen wie auch für Familien zunehmend uninteressant wird?
Oder wollen wir Herrsching wieder zu einem lebendigen, charaktervollen Ort für Jung und Alt machen – mit Charme, Atmosphäre und einem eigenen Gesicht? Ich jedenfalls drücke den Antragstellern die Daumen, dass der Antrag durchgeht.
In den letzten Jahren hat Herrsching spürbar an eigenem Charakter und Lebendigkeit verloren. Es fehlte an Ideen, Gestaltungskraft und dem Mut, neue Wege zu gehen.
Laden- und Gastronomiebetriebe sollten die Möglichkeit erhalten, sich auch im Außenraum zu präsentieren und mit ihren Angeboten die Lebensqualität in Herrsching zu bereichern.
Ein Geschäft nach dem anderen schließt. Die Auswahl an Bars, Cafés und Kneipen ist so gering geworden, dass viele Herrschinger inzwischen lieber nach Weßling ins Tschau Mausi fahren oder Restaurants in Dießen bzw. auf der anderen Seeseite besuchen.
Der Rückgang der Gewerbesteuereinnahmen um 1,2 Millionen Euro zeigt deutlich, wie dringend wir handeln müssen. Wir brauchen mehr Aufenthaltsqualität, vielfältige gastronomische Angebote – auch bezahlbare –, damit man in Herrsching einfach unkompliziert am Abend weggehen kann.
Ich selbst wohne im Zentrum von Herrsching und freue mich über jede positive Entwicklung in unserem Ort.
Als hoffentlich zukünftige Bürgermeisterin werde ich mich dafür einsetzen, dass wieder mehr Leben nach Herrsching zurückkehrt – unter anderem durch die Sanierung des Bahnhofgeländes und die Entwicklung eines Kultur- bzw. Bürgerbahnhofs mit Gastronomie und längeren Öffnungszeiten. Auch eine Gastronomie auf einem begrünten Dach im Gewerbegebiet wäre eine spannende Möglichkeit. (siehe Instagram: karin.casaretto)
Vielen Dank, Frau Casaretto, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Hoffen wir, dass der Gemeinderat das auch so sieht.
Dürfen diese verlängerten Öffnungzeiten dann auch von anderen Betrieben mit Aussengastronomie wahrgenommen werden? Wenn ja dürfte an der Seepromenade weitgehend auch nach 22:00 Alkohol konsumiert werden, aber halt nur im Restaurant / Biergarten, nicht aber fürs kleine Budget privat am See zwischen 22:00 – 06:00 oder würde das dann auch angepasst werden?
Im Sinne einer lebenswerten und lebendigen Stadt kann ich den Antrag nur unterstützen. Auch hier würde mich die Meinung der Bürgermeisterkandidaten und-kandidatinnen, Frau Casaretto und Herr Schiller, sehr interessieren.
Stichwort: Amazon, Otto oder das Einkaufscenter im Gewerbegebiet. Wenn selbständige Einzelhändler, Gastronomen, Metzger oder Bäcker im Zentrum schließen müssen, sind alle betrübt. Wie konnte das passieren? Erinnerungen an schöne Erlebnisse kommen auf. Aber seien wir ehrlich. Wir sind selbst schuld. Wenn wir es an Loyalität fehlen lassen, müssen wir auch die Konsequenzen tragen. Darüber hinaus ist die Gastro in der Krise. Konsumzurückhaltung, Inflation, Wegbier, Trinkhallen, unberechenbare Politik (Umsatzsteuer), geändertes Ausgehverhalten, und, und, und …Deshalb Daumen hoch für die Initiative von Herrn Frömming! Und geht wieder öfter aus, trefft Freunde und Familie, unterstützt gastronomische Vielfalt. Danach kommt nur noch Systemgastronomie, Qualitätsverlust und Schließung ohne Nachfolger …