In vollendeter Harmonie, als wär’s ein Muttertag, haben die Herrschinger Grünen ihre 24 Gemeinderatskandidatinnen und -bewerber gewählt. Statt Klimamonstern aus dem Heizungskeller sah man nur Menschen, die – so der Landratskandidat Benjamin Barho – „mit einem Lächeln auf die Leute zugehen“. Nicht einmal für die ersten Plätze auf der Liste gab es Kampfkandidaturen, „alte Hasen“ aus der Grünenfraktion rückten freiwillig auf hintere Plätze.
So treten die Grünen auf Platz eins mit der Bürgermeister-Kandidatin Karin Casaretto an, nur der Energieexperte Gerd Mulert auf Platz zwei bringt politische Prominenz mit. Die politischen Gegner müssen sich nun auch nicht mehr auf scharfe Kontroversen in Sachen Baumschutz einstellen: Erst der Kandidat für Platz 14, Thomas Barnstein, nahm das B-Wort in den Mund. Das explosivste Thema in Deutschlands Talkrunden, das bezahlbare Wohnen, kam gar erst ins Spiel, als die ehemalige Rätin Regine Böckelmann das Stichwort gab.
Die grüne Liste
| 1 | Casaretto | Karin |
| 2 | Mulert | Gerd |
| 3 | Wehn | Charlotte |
| 4 | Grunwald | Jan-Eric |
| 5 | Geiselhart | Catharina |
| 6 | Darchinger | Wolfgang |
| 7 | Schon | Franziska |
| 8 | Geschke | Lukas |
| 9 | Langohr | Judy |
| 10 | Welsch | Christoph |
| 11 | Neubauer | Johnanna |
| 12 | Dr. Grebenstein | Markus |
| 13 | Dr. Martiny | Nora |
| 14 | Barnstein | Thomas |
| 15 | Holzer | Rahel |
| 16 | Schneider | Tobias |
| 17 | Mulert | Rita |
| 18 | Chollet | Jürgen |
| 19 | Prof. Dr. Riedner | Ursula |
| 20 | Rellensmann | Karl |
| 21 | Fey | Regula |
| 22 | Böckelmann | Hans-Jürgen |
| 23 | Geurden | Birgit |
| 24 | Schüller | Claudia |
| Ersatz | Nathrath-Bronner | Janna |
| Mazur- Schaar | Angela | |
| Leonhardt | Stephanie | |
| Paulig | Wenzel |
Auf den vorderen Plätzen, den Starting Five der Liste, findet sich außer Mulert kein politisches Schwergewicht. Charlotte Wehn, Co-Vorsitzende in Herrsching, verfügt über zwei Jahre politische Erfahrung, auf Platz vier folgt ihr der Nachrücker-Gemeinderat Jan-Eric Grunwald mit einer ebenfalls überschaubaren politischen Karriere (seit einem Jahr im Gemeinderat). Auf Platz fünf immerhin ein junges Gesicht, weiblich und mit großem Redetalent ausgestattet: Die zweite Vorsitzende des Kulturvereins, Catharina Geiselhart. Weil sie sich klar zu ihrer parteipolitischen Unabhängigkeit bekannte, bekam sie nur 15 Ja-Stimmen, die einzige „Unbotmäßigkeit“ des Abends. Erst auf Platz sechs ein in Herrsching wohlbekannter Name: Gemeinderat Wolfgang Darchinger, inzwischen auch als Action-Künstler mit Kippen-Skulpturen bekannt. Auf Platz sieben die zweite Co-Vorsitzende Franziska Schon, ebenfalls ein politisches Nachwuchstalent. Auf Platz acht, die Versammlung war fast geflasht, ein junger Mann mit handwerklichen Wurzeln (Energieberatung) und lupenreinem Bayerisch (Zwischenruf von Ruth Paulig: „Wo hast Du das gelernt?“): Lukas Geschke.
Endlich auf Platz zehn ein Gemeinderat, der weiß, was im wichtigsten Bauparagrafen 34 steht, der einen B-Plan lesen kann. Im Bauausschuss hatte er schon manchen Bauentwurf als zu groß, zu brutal, zu unpassend zerrissen: Christoph Welsch, sicher einer, dessen Wort Gewicht hat im Gemeinderat. Außerdem fragte Welsch immer: „Und was kostet uns das?“ Dass dieser Mann auf Platz zehn landet, verdankt er wohl auch seinem Freigeist: Er ist kein Parteimitglied, kommt nie in grüne Versammlungen und gilt in der Fraktion als politische Wundertüte. Wie er abstimmt, ist so berechenbar wie der Wind auf dem Ammersee. Nur wenn ein Wunder geschieht und ihn viele Fans nach vorne „häufeln“ (man kann bis zu drei Stimmen auf einen Kandidaten versammeln), wird Welsch die Hürde nehmen. Er würde fehlen, und von den Grünen könnte ihn keiner ersetzen.
Die Fraktionssprecherin der Grünen, Anke Rasmussen, befindet sich offensichtlich schon in der inneren Emigration – sie lässt sich bei Versammlungen nicht mehr sehen und tritt auch nicht mehr an. Der Grand Old Man der Grünen in Herrsching, Hans-Jürgen Böckelmann, sitzt seit 24 Jahren am Ratstisch, war sogar mal Dritter Bürgermeister. Böckelmann hat sich auf den 22. Platz zurückgezogen, er beendet eine lange, erfolgreiche Karriere.
Und sonst noch wer in der Riege, der Neugierde erregt? Tobias Schneider, Wasserwachtler, Rot-Kreuz-Sanitäter, Mitglied des Kriseninterventionsteams, bringt noch eine Empfehlung mit: Er ist Kaminkehrer, und ihm, so, Schneider, „hören die Leute zu“. Wäre doch schön, wenn den Herrschingern mal jemand politisch aufs Dach steigen würde.
Herauszuheben wäre auch Thomas Barnstein, Künstler und Kunsterzieher, ein bis in die Wolle gefärbter Gründenker und Kämpfer gegen die Rechten. Ihm liegt vor allem das Ortsbild am Herzen – jetzt nicht im Merzschen Sinn, sondern im Sinne der Erhaltung von Herrschinger Identität. Bei seiner Vorstellung fiel dann zum ersten Mal das Wort Baumschutz, in grünen Kreisen inzwischen so gern vernommen wie „Heizungsgesetz“.
Die hinteren Listenplätze wurden en bloc gewählt, weil diese Namen im politischen Ranking nur als Platzhalter gelten, viele Kandidatinnen und Kandidaten waren nicht einmal zur Abstimmung erschienen. Warum ein Ort wie Herrsching mit 11 000 Einwohnern 24 Gemeinderäte braucht, weiß ohnehin niemand. In den Diskussionen am Tisch mischen meist nie mehr als zehn Wortmeldungen mit. Und viele Entscheidungen werden schon im Hinterzimmer vorbereitet.



