Wie eigentlich geht es einer Diplom-Biologin, wenn der mächtigste Mann der Welt sagt, der Klimawandel sei Betrug, die Erwärmung ein Schwindel? Wenn eine deutsche Partei verkündet: „Klimaschutz ist ein politischer Kampfbegriff, das Klima lässt sich nicht schützen“? Die stellvertretende Vorsitzende des Bundes Naturschutz in Bayern, Beate Rutkowski, 61, hat sich bei ihrem Besuch im Naturschutzzentrum Wartaweil den Fragen von herrsching.online gestellt. Wie verkraftet sie die schlechten Nachrichten? Wie motiviert sie sich, trotz aller Rückschläge weiterzukämpfen? Rutkowski ist neben ihrer ehrenamtlichen Arbeit beim Bund Naturschutz Lehrerin an einem Gymnasium.
herrsching.online: Kürzlich hat der Welt mächtigster Klimarkrisen-Leugner den Klimawandel als „den größten Betrug, der jemals an der Welt begangen wurde“, bezeichnet. Zudem sprach er von einem „Schwindel mit der globalen Erwärmung“. Wie geht’s Ihnen persönlich, wenn Sie solche Sätze hören?
Rutkowski: Die Menschen sehen ja, was passiert. Die meisten Menschen schütteln den Kopf, wenn sie so etwas hören. Menschen, die vom Klimawandel betroffen sind, die wissen, was die Stunde geschlagen hat. Unsere Aufgabe ist es nun, vom Wissen ins Handeln zu kommen. Wir lassen uns gewiss nicht aufhalten von solchen Falschbehauptungen.
herrsching.online: Kalifornien brannte, Kanadas Wälder standen in Flammen, Teile Spaniens wurden von Flammen verwüstet, und trotzdem wird flächendeckend geleugnet. Wie kommen Sie persönlich damit zurecht?
Rutkowski: Wir haben auch Menschen in Deutschland, die vom Klimawandel betroffen sind, wir haben auch Hochwasser und Brände. Und trotzdem wird jedes Jahr mehr geflogen, der CO2-Ausstoß nimmt wieder zu, und wenn bei uns in Deutschland der Ausstoß zurückgeht, dann wegen der kunjunkturellen Delle. Wir arbeiten also immer noch nicht ausreichend an unseren ökologischen Fußabdrücken.
herrsching.online: Die Menschen wüssten eigentlich Bescheid, wie es um das Klima bestellt ist. Ist das kollektive Verdrängung?
Rutkowski: An diesem psychologischen Phänomen arbeiten zur Zeit viele Psychologen, Soziologen und Politogen. Wie schafft man es, die Menschen ins Handeln zu bringen? Das Problem ist eben, dass es jetzt wirklich ans Eingemachte geht. Wir müssen uns jeden Tag Rechenschaft darüber geben, ob das, was wir tun, noch Klima- und Umwelt-verträglich ist. ..
herrsching.online: …Sie meinen, wir haben keine Zeit mehr…?
Rutkowski: Es gibt Wissenschaftler, die sagen, dass wir noch ein gewisses Kontigent haben. Andere sagen, dass dieses Kontigent eigentlich schon aufgebraucht ist. Ich denke da positiv, ich glaube, dass wir es noch schaffen können, dass wir das Ruder rumreißen können…
herrsching.online: …sonst wäre ja Ihre Arbeit im BUND auch sinnlos…
Rutkowski….ja, wir müssen jetzt daran arbeiten. Aber es ist natürlich schade, wenn die große Politik da nicht das Tempo vorgibt und die Impulse aus der Gesellschaft kommen müssen.
herrsching.online: Sie spielen vermutlich auf die Kraftwerkspläne der Wirtschaftsministerin an?
Rutkowski: Wenn ich das höre, wird mir ganz anders. Aber ich setze eine andere Nachricht dagegen: Der Kreistag im Landkreis Landsberg hatte sich mit breiter Mehrheit gegen die laufenden und möglichen kommenden Gasbohrungen ausgesprochen. Wir spüren, dass gerade auf der kommunalen Ebene, dass die Politiker in der Pflicht sind, ihre Gemeinden und Städte klimaresilient zu machen oder wo sie nach einem Hochwasser die Schäden finanzieren zu müssen. Da sieht das Umwelt- und Klimabewusstsein oft schon ganz anders aus. Viele Kommunen sind schon wesentlich weiter als die große Politik.
herrsching.online: Und oft auch die Unternehmen.
Rutkowski: Und auch die Unternehmen. Wir spüren es an den stetig steigenden Mitgliederzahlen beim BUND Naturschutz, dass auch die Gesellschaft weiß, was eigentlich passieren müsste.
herrsching.online: Beziehen Sie daraus Ihre persönliche Motivation, weiterzukämpfen?
Rutkowski: Ja, wir haben nur eine Chance, dass die Graswurzelbewegung weiter wächst. Deshalb ist auch die Umweltbildung, wie wir sie hier im Naturschutz- und Jugendzentrum in Wartaweil machen, eine zentrale Aufgabe. Wir wollen den Jugendlichen, die wir hier informieren, dabei keine Angst vor der Zukunft machen, sondern wir müssen ihnen Spaß an einem nachhaltigen Leben vermitteln. Wenn uns das gelingt, haben wir eine Chance. Aber nur dann.
herrsching.online: Sind die Kinder manchmal klüger als die Eltern?
Rutkowski: Sie sind zumindest offener für viele Ideen, weil sie sich noch keine Gedanken darüber machen müssen über den eigenen Lebensstil – zum Beispiel was die Familie für ein Auto fährt. Sie sind auch leichter zu begeistern. Ich bemerke an unserem eigenen Mittagstisch zu Hause, dass die Diskussionen mit den Kindern die Eltern zum Nachdenken bringen.