Von einer Lern-Wohnung sprach Architekt Schürmann bei der Schlüsselübergabe – das schnöde Wort Klassenzimmer hat ausgedient. Foto: Büro S+D
So sehen heute Klassenzimmer aus. Und sie heißen auch nicht mehr Klassenzimmer, sondern Instruktionsräume. Foto: Gerd Kloos
Kreide hat ausgedient: Das White Board für Formeln, Sprachunterrricht – und Schülerstreiche.
Alle freuen sich, vergessen sind für den Augenblick die Baukosten von 110 Millionen Euro: Von links: Kreiskämmerer Stefan Pilgram, die Landtagsabgeordnete Dr. Ute Eiling-Hütig, Bürgermeister Christian Schiller, die Schulleiterin Dr. Eva Weingandt, Landrat Stefan Frey, Architekt Professor Felix Schürmann, verdeckt seine Kollegin Ellen Dettinger, die stellvertretende Schulleiterin Claudia Wolff-Lieser, die Fördervereinsvertreterin Dr. Sonja Sulzmaier, ihr Kollege Jens Waltermann und der ehemalige Landrat Karl Roth. Foto: Gerd Kloos/Büro Schürmann Dettinger
Ein Schlüssel aus edlem Holz als Herrschaftszeichen für die Schulleiterin Eva Weingandt. Landrat Frey freut's königlich, dass die Schule zumindesten teilweise ihren Dienst aufnimmt.
Die Dreifachsporthalle mit einem Dutzend verschiedener Felder für alle Ballsportarten außer Rugby. Die Halle ist sonnendurchflutet – ohne den Muff von tausend Turnstunden.
Jedes Kind hat einen Spind – solange die Eltern die Miete von 49 Euro bezahlen. Die etwa 1000 Spinde sind eine Spende des Fördervereins. Spartipp am Rande: Wer dem Förderverein beitrtit, bezahlt 10 Euro weniger.
Die Neuzeit und die Vergangenheit mit Schlösschen. Ob die Schule auch so lange hält wie das romantische Gebäude im Hintergrund? Foto: Gerd Kloos
Fast eine Landesgartenschau: Alle Lehrerinnen und Lehrer und die Ehrengäste haben artig Aufstellung genommen auf den Stufen hinter der Schule. Foto: Gerd Kloos
Im Pausenraum dürfen sich die Schülerinnen und Schüler „entspannen, konzentrieren und hinhören" – nicht aufs Handy, sondern auf die Freunde. Denn das Smartphone liegt ja im Spind...

„Man kann dieses Haus sprechen, vielleicht auch singen hören“

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1287 Tage sind zwischen dem ersten Spatenstich und der feierlichen Einweihung vergangen, und ganz fertig ist das neue Prunkstück des bayerischen Bildungsauftrags immer noch nicht. Aber Herrschings Gymnasium hat schon mal die fünften, die sechsten, siebten, achten und neunten Klassen mit 585 Schülern willkommen geheißen. Bei der symbolischen Schlüsselübergabe von Bauherr Landrat Frey an die Schulleiterin Eva Weingandt war der Stolz auf die politische, planerische, pädagogische, praktische Leistung die vorherrschende Gefühlslage. Mitte nächsten Jahres werden dann die beiden anderen Lernhäuser in Betrieb gehen – wieder mit einer feierlichen Eröffnung verbunden.

Landrat Frey berichtete als Bauherr des 110-Millionen-Projektes in einer hörbar gut gelaunten Rede zuerst einmal von den Kuriositäten beim Bau:

• Zwei 19-Jährige hatten sich zu einem Date auf einem hohen Baukran verabredet.

• Bei einer Softwarestörung hupten die Kräne einen Vormittag lang, als stehe ein Orkan bevor. Den Bauleitern war’s peinlich, weil die Nachbarn, ohnehin genervt durch den Baulärm, extrem belästigt wurden.

• Einmal fiel mitten im Winter die Bauheizung aus, man wollte da kein Arbeiter auf der Baustelle sein.

• Dann kippte ein Hebefahrzeug in die Fassade eines Lernhauses.

• Und kurz vor Bauschluss drückte noch einmal des Hangwasser in den Keller und die Elektrik rein.

• Zwei Jahre nach Baubeginn wurde die letzte Klage gegen das Gymnasiumprojekt vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

Landrat Frey streckte trotzdem die Hand aus in Richtung Nachbarn, die einiges schlucken mussten und mitunter viel Geld für Rechtsanwälte ausgegeben haben. So hatte vor der Verarbschiedung des Bebauungsplans für das Baugelände das Herrschinger Bauamt mindestens 50 Einsprüche bearbeiten müssen. Alle 50 Einwände wurden in der öffentlichen Gemeinderatssitzung vorgelesen und beschieden. Der Familie Ketterer, die den Großteil des Grundstücks an das Landratsamt verkaufte, dankte Landrat Frey noch einmal ausdrücklich.

Zu jeder Housewarmingparty gibt’s Geschenke. Bürgermeister Schiller brachte eine historische Schultüte und einen Mörteleimer voller Süßigkeiten mit. Durch das Lehrerkollegium gibt ein Raunen.

Auch mit Blick auf den leitenden Architekten und Professor Felix Schürmann meinte er. „Ja, das ist ein Vorzeigeprojekt.“ Er meinte das Bauwerk, seinen pädagogischen Anspruch, eher weniger die Baukosten: „40 Prozent der Angebote der beteiligten Firmen lagen über dem Voranschlag. Wir müssen jetzt 80 Millionen stemmen.“ Mit Blick auf Bund und Land mahnte Frey, was er gerne und öfter tut, die Finanzausstattung der Kreise und Kommunen an. „Wir brauchen mehr Geld vom Staat. Es geht einfach nicht, dass wir zwei Drittel solcher Pflichtaufgaben selber stemmen sollen.“

Die Schulleiterin Dr. Eva Weingandt lobte die anwesenden Lehrerinnen und Lehrer dafür, dass sie mit ihrer Entscheidung für Herrsching „den richtigen Schritt gemacht haben“. Sie sprach von einer Pionieraufgabe für die Lehrenden.

Bürgermeister Christian Schiller, den der Vorsitzende des Fördervereins, Jens Waltermann, im Interview mit herrsching.online für sein 16 Jahre dauerndes Engagement gelobt hatte, brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass Herrsching mit dem Gymnasium für jungen Familien noch attraktiver sei. Und mit den Familien (Subtext: am liebsten gut verdienenden…) steige der Anteil an der Einkommenssteuer für die Gemeinde. So könne man dann auch die steigende Kreisumlage bezahlen. Immerhin biete Herrsching nun alle drei klassischen Schultypen an.

Der Vorsitzende des Fördervereins fürs Herrschinger Gymnasium, Jens Waltermann, begann seine geschliffene Rede mit einem kleinen Gefühlsausbruch: „Das ist ein echter Glücksmoment.“ Und das Gymnasium sei auch ein Zeichen dafür, dass sich gesellschaftliches Engagement lohne. Und gleich noch eine Auszeichnung für den Verein: „Heute sind alle gegen etwas. Wir vom Förderverein waren für etwas.“ Auch nett gemeint war der Hinweis, dass es zu dieser Schule passe, wenn sie halbfertig übergeben werde – so ein bisschen work in progress.

Seine Vereinskollegin Sonja Sulzmaier war am Anfang ihrer Rede so gerührt von der Magie des Augenblicks, dass ihr die Stimme versagte. Sie ist dankbar dafür, dass die Schule zur Bildungsgerechtigkeit beitrage, weil sie kein teures privates Privatgymnasium sei.

Fast ein Poet des modernen Schulbaus: Der Architekt und Professor Felix Schürmann. Er betont immer wieder, dass Planer und Bauherr Respekt vor der Natur zeigen müssen. Das Bild entstand während seines Kurzreferats über die Lernlandschaften. Er würde diese Räume gerne auch Lernwohnungen nennen. Foto: Gerd Kloos

Der Architekt und Professor Felix Schürmann, doch eigentlich ein Mann der Kubatur, zeigte sich als Lyriker der Baukunst: „Wenn der Baulärm schweigt, hört man das Haus sprechen“, sagte er. Und was spricht das Haus? „Es will ein Ort der Entfaltung sein und weniger ein Ort der Wissensvermittlung.“ In Zeiten der bedrohten Konsensualität wolle das Haus Respekt vor jedem Menschen und auch Respekt vor der bedrohten Natur lehren. Und wenn man das verinnerliche, „hört man die Schule sogar singen“.

Auch die Schulleiterin kam bei ihrem Lob auf dieses Haus nicht ohne Pathos aus: „Es ist ein Haus der Freude und der Exzellenz.“ Wobei das Wort Exzellenz mit der Bedeutung „hervorragend, sich erhebend“ auch missverstanden werden könnte. Schließlich, so Weingardt, orientiert sich die Schule an den Bedürfnissen der Schüler.

Die Lernhäuser sehen mit ihrer Holzkonstruktion filigran aus. Das Imponiergehabe alter Schulen mit steingewordener Drohgebärde fehlt diesen fast schwebenden Bauten völlig. Foto: Büro Schürmann-Dettinger

Das drückt sich besonders durch das Konzept der Lernhäuser aus: Beim Lernhaus-Modell sind räumliche und pädagogische Planung optimal aufeinander abgestimmt. Durch sein flexibles und multifunktionales Raumkonzept und die Gliederung in kleinere, autarke Einheiten ermöglicht das Konzept die Umsetzung einer modernen Lernkultur und eine engere Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Schülern. Die Jahrgangsstufen 5 bis 7 beziehen Lernhäuser mit familiärer Atmosphäre. Ein Lernhaus besteht aus mehreren Instruktionsräumen und Freiarbeitsflächen, um einen zentralen „Marktplatz“ gruppiert, so dass viele Lernmöglichkeiten und attraktive Lernorte entstehen. Ab Jahrgangsstufen 8 bis 13 lernen die Schülerinnen und Schüler in Fachlandschaften (Sprachen, Mathematik, Biologie, Chemie, Physik, Gesellschaftswissenschaften). Für jede Jahrgangsstufe stehen darüber hinaus großzügige Aufenthaltsräume zur Verfügung.

Die Teamräume für die Lehrkräfte und für Ganztagspersonal befinden sich als Arbeits- und Rückzugsort in den Lernhäusern und in den Fachwelten. Darüber hinaus stehen attraktive Fachräume für Informatik, Musik und Kunst zur Verfügung. Für den Sport gibt es eine Dreifachhalle, einen Fitnessraum, Außensportanlagen und die freie Natur. Mit dem Raum der Stille bietet sich eine Möglichkeit für Rückzug und Meditation. Veranstaltungen können in der modern und flexibel ausgestatteten Aula durchgeführt werden. Eine zum See ausgerichtete Bibliothek lädt zum Lesen oder auch Verweilen ein. Fürs leibliche Wohl wird in der Mensa mit Außenbereich und am Kiosk gesorgt. Neben den Teamräumen der Lehrkräfte stellt das Lehrerzimmer einen Ort des Zusammenkommens und der Kommunikation dar. Ein offen gestaltetes Direktorat und Sekretariat sind Grundlage zur Umsetzung des Teamgedankens auf allen Ebenen. Das Herrschinger Modell der Ganztagsschule sieht einen fest rhythmisierten Ganztag für die Unterstufe (Jahrgangsstufen 5 bis 7) vor.

Zum Schulbeginn am 16. September werden noch nicht alle Teile der Schule in Betrieb genommen. Es handelt sich um eine Teilinbetriebnahme. Dies ist sinnvoll und möglich, weil von den bei Vollauslastung des Gymnasiums möglichen Schülern zum Schuljahresbeginn 2025/26 nur gut die Hälfte startet (Jahrgänge 5 bis 9). In Betrieb gehen in den beiden Obergeschossen zwei von vier Lernhäusern (Lernhäuser A und B), im Erdgeschoß die zentrale Aula, die Verwaltung, das Lehrerzimmer sowie Werk- und Kunsträume. Im Untergeschoß wird der größte Teil der Tiefgarage in Betrieb genommen. Die Dreifachsporthalle wird voraussichtlich Ende September in Betrieb gehen. Die Herstellung der Freisportflächen im Süden der Sporthalle wird erst im kommenden Jahr folgen. Die Fläche des großen Rasenspielfeldes wird noch bis zum Jahreswechsel als Baustelleneinrichtungsfläche für die verbleibenden Bauabschnitte benötigt. Ganz im Süden des Grundstücks beginnen jetzt die Arbeiten für die Buswendeschleife, die dann auch im kommenden Jahr in Betrieb genommen werden soll.

7 Comments

  1. Ich freue mich, dass das Herrschinger Gymnasium endlich in Betrieb genommen werden kann und wünsche den Lehrer*innen und Schüler*innen eine bereichernde Schulzeit.!
    Wenn der Architekt Felix Schürmann betont, wie wichtig es für Planer und Bauherr ist, den Respekt vor der bedrohten Natur zu leben und zu lehren, dann verstehe ich nicht, warum beim Bau dieses Gebäudes so viele Flächen versiegelt wurden:
    Keine begrünten Dächer, alle Zuwege und Zufahrten geteert! Das passt für mich leider nicht zusammen!

  2. Der Blick auf den See ist wirklich toll. Erwähnenswert ist aber auch, dass vielen Anrainern mit dem Bau der Seeblick genommen wurde und das mit teils erheblichem Wertverlust der Häuser teuer bezahlt werden musste.

  3. Die Sache mit dem Herrschinger Gymnasium beschäftigte in den letzten Jahren viele Buerger in fast endlosem Pro und Contra. Jetzt sind die Häuser endlich erbaut und ich hoffe, dass wir alle die neue Schulart Gymnasium als Bereicherung unserer Gemeinde empfinden. Verschiedene Kinder brauchen verschiedene Schulen. In Herrsching ist nun für jedes Kind der passende Schultyp zum Lernen ohne weite Fahrwege in der Heimatgemeinde vorhanden. Das ist doch wirklich prima.

    • Prima wäre es tatsächlich, wenn für jedes Kind in Herrsching der passende Schultyp zum Lernen ohne weite Fahrtwege in der Heimatgemeinde Herrsching vorhanden ist. Dem ist leider nicht so. Die Klassen 10, 11, 12 und 13 sind nicht am Gymnasium berücksichtigt worden. Das ist sehr bedauerlich! In Anbetracht der enormen Baukosten erst recht nicht nachvollziehbar.

      • Ich denke, dass mit jedem neuen Schuljahr eine Jahrgangsstufe mit 4 Klassen dazu kommt. In 4 Jahren wird dann der erste Abiturjahrgang die neue Schule in Herrsching verlassen. Vielleicht erklärt mal ein weiterer Zeitungsartikel, wie das bei einer Neugründung von Schulen so planerisch abläuft. Es scheint die Buerger zu interessieren. Ich persönlich finde auch das Schulzentrum Fürstenfeldbruck interessant. Dort wurde das Gymnasium mit einer BOS kombiniert. Und, wie steht es eigentlich mit der FOS in Starnberg? Kommt das noch ein Neubau? – Oder fehlt da jetzt dem Landkreis das Geld?

        • Für den Zeitungsartikel würde ich mich sehr interessieren und stehe gern zur Verfügung. Ich bin Architektun und die Firma für die ich tätig bin baut für die Stadt München Schulen, Kindergärten und Wohnungen.

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