Noch 14 Tage bis zum ersten Schulgong: Landratsamt und Kreistag dürfen sich bei der Eröffnung des neuen Gymnasiums gerne feiern: Aber auch Herrsching kann auf seinen neuen Bildungstempel stolz sein: 16 lange Jahre haben Rathaus und Bürgerschaft gemeinsam für die höhere Schule gekämpft – gegen Widerstände in der Staatsregierung und gegen Störmanöver sturer Mitbürger. Die Zweite Vorsitzende des Fördervereins, die Breitbrunnerin Dr. Sonja Sulzmaier, erzählt im Interview mit herrsching.online, wie der Verein mit selbstgebastelten Spaenle-Masken gegen den damaligen Kultusminister demonstriert hat. „Wir mit dem Förderverein haben viel Sichtbarkeit erzeugt“, sagt die zweifache Mutter und promovierte Wirtschaftswissenchaftlerin. Darüber hinaus haben sich der frühere Landrat Karl Roth und Kreistagsmitglieder wie Ute Eiling-Hütig und Harald Schwab (beide CSU), Sigrid Friedl-Lausenmeyer (FDP), Renate Will (FDP), , Osswald Gasser (FDP), Anne Frank, Jürgen Böckelmann und Anke Rasmussen (Bündnis 90/Die Grünen), Tim Weidner und Werner Odemer (SPD) mit uns für das Gymnasium eingesetzt“, lobt sie ihre Mitstreiterinnen und Kampfgenossen.
herrsching.online: Sechzehn lange Jahre hat der Förderverein um ein Herrschinger Gymnasium gekämpft – auch mit durchaus ungewöhnlichen Mitteln. Unvergessen die Demo mit den Spaenle-Masken. Wie lief diese Aktion denn ab?

Sulzmaier: Das Jahr 2013 war ein zentrales Jahr für den Förderverein und die Schule. Es war Wahljahr, kurz vor den Sommerferien, und die CSU hatte im Wahlkampf eine Broschüre zum Thema Bildung herausgegeben. In dieser Broschüre gab es viele Inhalte, die damals für unsere Kinder nicht gegeben waren – Stichwort „wohnortnahe Bildungsangebote“ , „Ganztagsschulkonzepte“ und so weiter. Wir haben dann entschieden, sehr kurzfristig eine Demonstration auf die Beine zu stellen, um das Wahljahr für unsere Forderungen zu nutzen.
Der damals zuständige Minister war Ludwig Spänle. Obwohl mehrere Gutachten belegt hatten, dass im westlichen Landkreis Starnberg ein zweites Gymnasium dringend benötigt wurde, haben wir auf unsere wiederholten Anschreiben keine Rückmeldung von ihm erhalten. Wir haben dann für die Demo hunderte von Spänle-Masken gebastelt. Das Motto war „Er sitzt uns aus – Wir sitzen ihn aus“.
Gemeinsam mit den Medien und Radiosendern haben wir dann zur Demo Ende Juli aufgerufen. Alle Parteien waren mit Repräsentanten beteiligt, und es waren mehrere hundert Teilnehmer:innen bei etwa 35 Grad Sommerhitze dabei. Kurz darauf haben wir dann auch beim Kultusministerium gemeinsam mit Politiker:innen fast aller Parteien ein Schreiben überreicht. Diese beiden Aktionen haben viel Aufmerksamkeit erzeugt, und sie waren sicher ein wesentlicher Baustein für die Sichtbarkeit und das berechtigte Interesse an einem zweiten Gymnasium im westlichen Landkreis Starnberg.
herrsching.online: Sie hatten ja durchaus mächtige Gegner, vom Kultusminister einmal abgesehen. Dann aber kam dieses legendäre Tete-a-Tete mit Ministerpräsident Seehofer in Andechs. Wie haben Sie es geschafft, „bei Hofe“ vorgelassen zu werden? Und was waren Ihre Argumente, die Seehofer überzeugt hatten?

Sulzmaier: Es war einer der schönsten Moment des Sommers 2013, als Seehofer uns als einzige Bürgerinitiative mit in den Saal in Andechs bat. Da wussten wir, dass ein wesentlicher Schritt geschafft war. Es haben sicher viele Aktionen und Personen zum Gelingen beigetragen. Wir als Förderverein hatten viel Sichtbarkeit erzeugt. Darüber hinaus hat sich der frühere Landrat Karl Roth und Kreistagsmitglieder wie Ute Eiling-Hütig und Harald Schwab (beide CSU), Sigrid Friedl-Lausenmeyer (FDP), Renate Will (FDP), , Osswald Gasser (FDP), Anne Frank, Jürgen Böckelmann und Anke Rasmussen (Bündnis 90/Die Grünen), Tim Weidner und Werner Odemer (SPD) mit uns für das Gymnasium eingesetzt. Vermutlich habe ich ganz viele vergessen und bitte dies zu verzeihen.
Und Seehofer berichtete in Andechs, dass er sich ganz früh in seiner politischen Karriere für eine Schule eingesetzt und viele Hindernisse hatte nehmen müssen. Er hatte hier auch die Erfahrung gemacht, dass viele versuchten, die Schule zu verhindern, da sie nicht gebraucht würde. Als die Schule dann stand, war sie bereits zu klein für die Schüleranzahl – ähnlich wie bei uns. Kurz nach dem Sommerempfang gab es dann im Kabinett die positive Entscheidung für ein zweites Gymnasium im westlichen Landkreis Starnberg.
herrsching.online: Woher haben Sie eigentlich die Energie und die Zuversicht genommen, dass Ihr Herzensprojekt einmal Wirklichkeit wird?
Sulzmaier: Ich bin ein optimistischer Mensch, und das war auch hier hilfreich. Und ich habe mich persönlich jedes Jahr erneut gefragt, ob ich noch Energie und Lust habe weiter zu machen, auch wenn meine eigenen Kinder nicht mehr die Schule besuchen können. Bis heute ist meine Antwort darauf „Ja“– auch weil ich einen Teil meiner Energie dafür einsetze, positive gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken.
„Es lohnt sich, dranzubleiben“
Es gab aber Phasen, da kamen wir wirklich nicht voran, das Gymnasium rückte in weite Ferne, und das war sehr frustrierend. Aber ich habe im Leben auch bei vielen anderen Themen immer wieder die Erfahrung gemacht, dass es sich lohnt dranzubleiben und nicht aufzugeben.
Unser langjähriges Dabeibleiben war und ist von großem Vorteil. Es gab ja über 30 Jahre hinweg auch immer wieder Bürgerinitiativen, die sich für eine weitere Schule im westlichen Landkreis eingesetzt haben. Sie gingen aber immer wieder mit den Gründern unter, deren Bedarf durch Älterwerden der Kinder dann nicht mehr gegeben war. Vielleicht waren sie auch deshalb am Ende nicht erfolgreich. Wir haben durchgehalten und auch als Verein die Erneuerung des Vorstands geschafft. Unser aktueller Vorstand hat hier eine tolle Arbeit geleistet, denn es standen und stehen viele Projekte an: Inhaltliche Vorschläge für das Ganztagsprogramm, Finanzierung, Aufbau und Verwaltung von Spinden, eine neue Webseite, Hoodies für unsere GEN ONE (die Gründungsgeneration).
herrsching.online: Wir sollten anhand dieses Beispiels auch mal die wichtige Rolle bürgerlichen Engagements ansprechen. Haben Bürgerinnen und Bürger oft die besseren Visionen, welche Projekte für die Gesellschaft wichtig sind?
„Meine Kinder haben einen Schulweg bis zu drei Stunden täglich“
Sulzmaier: Diese Schule ist auch durch bürgerliches Engagement entstanden, und es ist ein Ziel der Schule, dieses Engagement zu fördern und Kinder dazu zu motivieren. Ich würde nicht sagen, dass Bürger „die besseren Visionen“ haben. Es geht hier nicht unbedingt um Visionen, sondern um einen handfesten Bedarf, und diesen spüren die Kinder und Eltern unmittelbar. Meine Kinder sind derzeit in Tutzing in der Schule, und haben mit den öffentlichen Verkehrsmitteln eine Schulwegzeit von zweieinhalb bis drei Stunden pro Tag von Breitbrunn nach Tutzing und zurück. Der Tag startet sehr früh, Freund:innen außerhalb der Schule zu treffen ist kaum möglich, Sportangebote sind nur eingeschränkt wahrnehmbar.
Diese Situation ist derzeit für viele Kinder zutreffend. Es ist wunderbar, dass nun wohnortnah die Schule vorhanden ist, das macht die Situation vor allem für die Kinder, aber auch für die Familien viel einfacher.
herrsching.online: Das neue Gymnasium wird von einer Frau geleitet, im Förderverein gibt eine Frau wichtige Impulse, in der Schülerschaft sind mutmaßlich mehr als 50 Prozent Mädchen. Ist Bildung in Frauenhand besser aufgehoben?
Sulzmaier: Diversität und faire Verteilung von Chancen sind mir wichtig, aber eine Zuordnung von Frauen und Männern zu bestimmten Berufen macht in meinen Augen wenig Sinn.
Wir denken, dass Eva Weingandt eine perfekte Besetzung der Schulleitung ist, die wir als Förderverein gerne unterstützen. Sie möchte die Möglichkeiten dieser Schule nutzen, und ich persönlich freue mich sehr, dass sie mutig ist, und neue Wege beschreiten möchte, die auch dem Lehrer:innen-Team viel Lernen abverlangt.
Und vielleicht noch ein paar Fakten: Lehrerinnen machen laut Statista 65 Prozent des Personals an weiterführenden Schulen in Deutschland aus, aber nur 37 Prozent der Schulen werden von Frauen geleitet. Da scheint es also nicht ganz gleichberechtigt zuzugehen. Auch aus diesem Grund begrüßen wir, dass das Kultusministerium für das Gymnasium Herrsching eine Leiterin gewählt hat.
herrsching.online: Wenn Sie an Ihre eigene Zeit am Gymnasium denken und sie mit dem pädagogischen Konzept des neuen Gymnasiums vergleichen: Wie stark hat sich die Bildungsvermittlung weiterentwickelt?
„Viel wichtiger als Reproduktion ist das Generieren von Neuem“
Sulzmaier: Ich war in der Schule und auch später im Studium enttäuscht, dass eine Dimension der Wissensabfrage sehr dominierte: die Reproduktion, also die Wiedergabe von auswendig gelerntem Stoff. Viel wichtiger sind in meinen Augen die Anwendung von Wissen, Teamwork, und die Kreativität – das Generieren von Neuem. Und dies ist in Zeiten von KI noch mehr der Fall. Auch hier freue ich mich, dass das Gymnasium in Herrsching mit KI arbeiten wird und selbstverantwortliches Lernen eine wichtige Rolle spielen wird.
herrsching.online: Glauben Sie, dass das Gymnasium auch auf die Gemeinde Herrsching kulturell abstrahlt?
Sulzmaier: Davon gehe ich aus. Es ist ein wichtiges Ziel der Schule sich mit den Vereinen und den Aktivitäten in Herrsching und den anliegenden Gemeinden zu vernetzen – auch für die Gestaltung des Ganztagsangebots. Was das dann ganz konkret sein wird, das bestimmen engagierte Schüler:innen und das Schulteam selbst – das Setting dafür ist auf jeden Fall perfekt.
… gegen Störmanover sturer Mitbürger?? Was ist denn das für Journalismus? Schließlich gab es eine Fülle berechtigter Bedenken gegen den Standort.