Gut gelaunt im gastronomischen Sommerhoch: Die Wirtin der „Post", Elisabeth Hellmann (links) und ihre Prokuristin Susanne Kopfmüller. Foto: Gerd Kloos

Darf ein Schnitzel 30 Euro kosten, Frau Hellmann?

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Die deutschen Gastwirte klagen über Umsatzeinbußen. Das Statistische Bundesamt gab kürzlich bekannt, dass die Umsätze inflationsbereinigt um vier Prozent zurückgegangen sind. In Herrsching aber sind die Restaurants und Kneipen sehr gut besucht, oft sogar ausgebucht. Wie nun passen schrumpfende Erlöse und beste Buchungszahlen zusammen, wollte herrsching.online von der Chefin des Herrschinger Hotels Post, Elisabeth Hellmann, 53, wissen.

Die Gastronomin, die das prominente Haus in Herrschings Mitte seit 2012 betreibt, beschäftigt in ihrem Restaurant und Hotel 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter fünf Azubis. Auch sie klagt über den Mindestlohn und hohe Azubi-Tarife, verspricht sich aber wenig von der beschlossenen Absenkung der Mehrwertsteuer im neuen Jahr. Die Lebensmittel seien seit der Corona-Krise um 25 Prozent teurer geworden. Aber auch die Preise auf den Speisekarten haben mächtig zugelegt: In den letzten fünf Jahren, so das Statistische Bundesamt, seien Getränke und Speisen um ein Drittel teurer geworden. Wie, Frau Hellmann, kann man die Leute da bei Laune halten?

So stellt sich die KI ein Wiener Schnitzel vom Kalb vor. In guten Restaurants zahlt man für den Klassiker schon mal 30 Euro. Wer kann sich das noch leisten?

hersching.online: Wenn man wissen will, wie sich Inflation anfühlt, dann sollte man zum Essen in ein Restaurant gehen. Gestiegen sind in vielen Lokalen nur die Preise, die Qualität aber sank mitunter bedenklich. Was halten Sie von dieser Analyse?

Hellmann: Als Gast sehe ich das auch so. Ich erwarte als Restaurantbesucherin natürlich eine gute Qualität für mein Geld. Ich ärgere mich furchtbar, wenn ich weder eine gute Qualität auf dem Tisch habe, noch einen guten Service bekomme. Deshalb gehe ich gar nicht mehr essen – und ich war früher viel essen. Als Wirtin sage ich: Das kann Ihnen bei mir in der Post nicht passieren, weil ich weiß, wieviel Wert wir auf Qualität beim Einkauf legen, und wie wir diese Qualität dann verarbeiten. Aber ja, auch wir müssen das Geld, das wir für gute Ware hinlegen, zuerst einmal verdienen.  Ich zahle zum Beispiel für die Fuhre Kartoffeln 7.90 Euro. Seit Corona sind aber nicht nur die Lebensmittelpreise, sondern auch die Mitarbeiterkosten extrem gestiegen. Ich schätze die Steigerung auf 25 Prozent. 

herrsching.online: Wo liegt beim normalen Gast die Preis-Schmerzgrenze für einen simplen Schweinebraten?

Hellmann: Man darf da nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Es kommt nämlich ganz darauf an, aus welchen Stücken ich den Braten nehme. Mache ich ihn aus der Schulter, mach ich ihn aus der Brust,  oder nehme ich ein Stück aus dem Halsgrat? Jedes Stück hat unterschiedliche Einkaufspreise. Und dann kommt es noch auf die Größe des Knödels an – bei uns wiegt der Knödel 220 Gramm, anderswo ist er nur 80 Gramm schwer. Ich bin der Meinung, dass man für einen qualitativ hochwertigen Schweinebraten in einem gehobenen Restaurant auch 25 Euro verlangen kann.  Bei uns kostet er inklusive Speckkrautsalat 16.90 Euro. 

herrsching.online: Ein Kalbsschnitzel für 30 Euro – wieviele Leute leisten sich das noch?

Hellmann:  Wenn es von einem bayerischen Kalb stammt und beim Panieren eine geklärte Butter drauf kommt, dann bin ich der Meinung, ja, dieses Essen ist 30 Euro wert.  Und man zahlt als Gast ja nicht nur die Ware, sondern auch die Dienstleistung, den Mitarbeiter.

herrsching.online: Wenn man in Herrsching zum Essen geht, hat man nicht den Eindruck, dass die Gastronomie leidet. Täuscht dieser Eindruck?

Hellmann: Im Sommer sind alle Häuser voll. Aber unsere Kosten laufen auch im Herbst, Winter und Frühjahr weiter.  Wir brauchen im Sommer Bombenumsätze, um im Winter über die ertragsarme Zeit zu kommen. In diesen dunklen Monaten geht es keinem von uns gut.

herrsching.online: Haben Sie im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit weniger Gäste?

Hellmann: Die Gästezahl hat abgenommen. Der Umsatz ist stabil, allerdings haben wir auch Marketingideen umgesetzt. So haben wir zwischen Januar und Ende April Zwei-zu-Eins-Gutscheine verteilt.  Das hat uns 1600 Gäste mehr gebracht als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Wir hatten viele neue Gäste, die Küche war ausgelastet, es gab Trinkgeld. Das war eine Superidee. 

herrsching.online: Wie sieht die Perspektive für die Herrschinger Gastronomie aus?

Hellmann:  Im Sommer kannst du, egal wie gut oder schlecht zu arbeitest, als Gastronom immer überleben.  Das sieht im Winter dann anders aus. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass gute Gastronomie immer überleben wird. 

herrsching.online: Die Gastro-Szene in Herrsching ist in den letzten zehn Jahren deutlich geschrumpft, wie erklären Sie sich das?

Hellmann: Ich finde das sehr schade, weil wir in der Gastronomie auch Werte weitergeben.  Menschen begegnen sich, tauschen sich aus, empfinden Lebensfreude.  Letztendlich kann man schon sagen: Wir feiern das Leben. 

1 Comment

  1. „…. Im Sommer kannst du, egal wie gut oder schlecht zu arbeitest, als Gastronom immer überlebe….“; die Sache mit den Jahreszeiten müsste fast allen Gastronomen noch mal erklären.

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