Wohlklänge vom Altar: Marie-Josefin Melchior und ihr Partner Johann Zeller in der Kulturkirche Breitbrunn. Melchior ist auch „Intendantin" der Konzertreihe in der Heilig-Geist-Kirche. Bei ihrem Auftritt waren über 300 Besucher in die multifunktionale Kirchenpyramide gekommen. Am Samstag feiert Breitbrunn das fünfjährige Bestehen der Kultur unterm Kreuz. Foto: Gerd Kloos

„Was macht das mit Kirchgängern, wenn statt des Pfarrers ein Musiker am Altar steht, Frau Melchior?“

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Kultur und Kirche haben über Jahrhunderte gut miteinander und voneinander gelebt. Warum sollte die Symbiose nicht auch in einem Kultgebäude gelingen, dessen Sinnhaftigkeit immer mehr in einer architektonischen Dorf-Dominante besteht? Als im letzten Jahrzehnt die Holzverschalung der Kirchenpyramide ganz wörtlich „aus dem Leim ging“, wurde vom Bistum verstohlen schon mal über eine Radikalsanierung mit der Abrissbirne nachgedacht. Doch dann machten viele Spender den Geldbeutel weit auf, und plötzlich lebte auch die uralte Idee von einem Multifunktionsraum wieder auf. Nach fünf erfolgreichen Jahren „Kulturkirche“ feiert die „Intendantin“ Marie-Joefin Melchior mit ihrem neu gegründeten Verein am Samstag, 19. Juli, ein kleines Jubiläum – mit den Breitbrunner Bands BBC, Ladylake und Storno (Beginn: 17 Uhr). herrsching.online hat sich mit der Programmchefin, akademischen Tonmeisterin und „KlangZeit“-Musikerin Marie-Josefin Melchior über die schönsten Stunden in der Kulturkirche unterhalten.

herrsching.online: Ist die gelegentliche Umwidmung der Heilig-Geist-Kirche in einen Kulturraum, manche sagen auch temporäre Säkularisierung oder „Kultivierung“, ein Erfolgsmodell?

Melchior: Auf jeden Fall ist das ein Erfolgsmodell. Aber es ist gar keine Umwidmung, weil die Kirche in den Siebziger-Jahren als Multifunktionsraum gebaut worden war. Es war von Anfang an geplant, dass in der Kirche Konzerte stattfinden.  Und es haben in den ersten Jahren auch Konzerte stattgefunden, zum Beispiel mit dem Rundfunkchor. Diese Konzertreihe ist dann leider eingeschlafen. Nun haben wir mit der Kulturkirche die originale Nutzung wieder aufgegriffen.

herrsching.online: Hilft die Kulturkirche der Kirchengemeinde, den sakralen Raum zu finanzieren? Oder einfacher: Bringen die Konzerte Geld ein für die Kirche?

Melchior: Tatsächlich ist es schwierig, mit der Kultur Geld zu verdienen.  Kultur ist meistens ein Minusgeschäft, und wir schaffen es, gerade so auf Null rauszukommen.  Es ist also kein Geschäftsmodell, sondern eine Belebung für die Gemeinde. 

herrsching.online: Wo liegen denn die Schwerpunkte des Programms?

Melchior: Ich versuche, ein Programm zu gestalten, in dem alle Genres vorkommen. Dabei ist mir wichtig, ein gewisses Niveau zu wahren. Das Publikum darf sicher sein, dass ein professionelles Niveau garantiert ist. 

herrsching.online: Welche Veranstaltungen waren am besten besucht, und welche waren eher ein Flop?

Melchior: Am besten besucht waren das Konzert von Arabella Steinbacher, der weltberühmten Violinistin, und von KlangZeit (lacht). In den letzten zwei Jahren hatten wir bei jeder Veranstaltung mindesten 100 Besucher, bei manchen Veranstaltungen durften wir uns sogar über 300 Besucher freuen. Darauf bin ich ein bisschen stolz.  Im Durchschnitt waren es 160 Besucher, und das ist für eine ländliche Konzertreihe wirklich super…

herrsching.online: Das sind knapp zehn Prozent der Breitbrunner Gesamtbevölkerung. Und welche Veranstaltung war bisher am wenigsten gut besucht?

Melchior:  Das Theaterstück „Judas, eine Art Rechtfertigung“ wurde während der Coronazeit aufgeführt. Da hielt sich die Besucherzahl sehr in Grenzen – alle Anwesenden waren aber sehr begeistert. Nun versuchen wir es im Herbst noch einmal mit dem Genre Theater und schauen mal, ob wir jetzt mehr Zulauf haben. Das Stück heißt „Der Kontrabass“ von Patrick Süskind.

herrsching.online: … ein herrliches Stück…

Melchior: … mit dem Wiener Schauspieler Fridolin Meinl. Ich freue mich darauf.
 

herrsching.online Auf welche Programm-Highlights dürfen wir uns noch freuen?

Melchior: Im nächsten Jahr wird es eine Uraufführung bei uns in der Kirche geben mit dem  jungen Ensemble Interchange, das eigentlich Barockmusik macht.  Es bringt eine Komposition mit nach Breitbrunn, die extra für das Ensemble geschrieben wurde. Das Ensemble und der Komponist der Uraufführung hatten ein Stipendium des Deutschen Musikrats und waren beide Preisträger beim Deutschen Musikwettbewerb 2024.

Fröhliche, vielleicht sogar freche Töne vom Altar: Die Gruppe Scheineilig in der Kulturkirche. Ob das mal keine Anspielung auf manche Kirchenoberen war?

herrsching.online: Wie haben traditionell gesinnte Kirchgänger die Funktionserweiterung der Kirche aufgenommen? Was macht das mit Kirchgängern, wenn statt des Pfarrers ein Musiker am Altar steht?

Melchior: Die Mehrzahl der Kirchgänger gehört auch zum Publikum der Kulturkirche.  Unser Programm und die religiöse Widmung des Gebäudes widersprechen sich nicht. Wir achten schon darauf, den Kirchenraum mit unseren kulturellen Angeboten nicht zu entweihen. 

herrsching.online: Macht der Intendanten-Job bei der Kulturkirche nach fünf Jahren noch Spaß?

Melchior: Ich habe großen Spaß, auch deswegen, weil ich ein Konzert auch mal im Raum erleben kann. Als Tonmeisterin bin ich ja hinter den Mikrophonen. Und bei der Kulturkirche erlebe ich Künstler, die ich hören will.

herrsching.online: Sie machen ein Programm für sich, und alle sind eingeladen, das  mit Ihnen zu genießen… Das nennen wir eine geniale Konstruktion (zustimmendes Lachen bei Fini Melchior).

1 Comment

  1. Was ist eigentlich eine Kulturkirche und welches Konzept steht dahinter. Finni Melchior jedenfalls erklärt kurz und prägnant das Modell der Breitbrunner Heilig Geist Kirche. Allgemein gesehen sind inzwischen viele Gotteshäuser in Deutschland zur liturgischen Nutzung ergänzend mit einem überlegtem Kulturprogramm „umfunktioniert“ und erweitert worden. So geschieht das jetzt auch mit der Breitbrunner Kirche. Dieser Kirchenbau eignet sich mit seiner besonders guten Akustik in besonderer Weise für musikalische Aufführungen und wurde tatsächlich schon seit vielen Jahrzehnten für Konzerte gerne angemietet. Ich denke, dass der neue gebildete Verein also „nur“ den katholischen Kirchenträger bzw. die Kirchenverwaltung aktiv als verantwortlicher Betreiberverein entlastet und die Organisationsarbeit abnimmt. Als Konkurrenz für die katholischen Kirchenbesucher und ihren Pfarrer sehe ich das nicht. Da Pfarrer Rapp im neuen Verein auch die Schriftführung übernimmt, wird sich sicher niemand dagegen stellen. Auffallend ist wohl für ganz Bayern, daß seit einigen Jahrzehnten immer weniger Katholiken viel zu viele Kirchengebäude besitzt und nicht unbedingt benötigt. Ich hoffe in diesem Sinne für die Herrschinger Gemeinde, daß die erweiterte Nutzung der dortigen alten Kirche auch so gut gelingt, wie in Breitbrunn.

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