Wer sich von einem alten Stück Herrsching verabschieden will, hat nicht mehr viel Zeit: Die Abbrucharbeiten am alten Carla-Cafe sind in vollem Gange. Wo der alte Tortentempel stand, wächst bald ein Massivholz-Hybribhaus mit sieben Wohnungen aus dem 297 Quadratmeter großen Grundstück. Nach den im Bauausschuss genehmigten Plänen soll es zwölf Meter hoch werden. Nachbarn und der Kiez-Wirt Fritz Frömming befürchten eine nachhaltige Veränderung des sozialen und architektonischen Umfeldes an der Ecke Seestraße-Landungssteg.
Das alte Bäckerhaus haben der Opa und der Bruder von Carla Maler noch im Kriegsjahr 1945 gebaut. „Nach dem Krieg, in der eine unvorstellbare Wohnungsnot herrschte, haben 26 Menschen in diesem Haus gewohnt, in jedem Zimmer eine Familie mit Etagentoilette. Der Zahnarzt Dr. Göppel hatte hier in einem halben Wohnzimmer seine erste Praxis“, erzählte sie im Gespräch mit herrsching.online.
Carla Maler musste das Haus verkaufen, weil sich trotz intensiver Suche nach einem Pächter für das Cafe kein Nachfolger gefunden hatte. Sie zeigte sich tief enttäuscht, dass sich niemand mehr den Job eines Cafebetreibers antun wollte. Und bei den Wirten, die ernstlich interessiert waren, vermisste sie die berufliche Qualifikation.
Warum das Gebäude groß, ja geradezu monströs werden darf, hat die Bauverwaltung in der Bauausschuss-Sitzung so erklärt: „Die Umgebung ist grundsätzlich eher mit kleineren Gebäuden bebaut, doch nach Rücksprache mit dem Landratsamt kann als Referenzobjekt das Gebäude auf dem Grundstück Landungssteg 3 herangezogen werden.“ (Biomarkt) „Vom Maß der baulichen Nutzung fügt sich das beantragte Vorhaben in die Eigenart der näheren Umgebung ein.“
„Juristisch“, sagte der Grünen-Gemeinderat Mulert resignierend, „kann man da leider nichts machen.“ Und so feiert mal wieder der berühmt-berüchtigte Paragraf 34 des Baugesetztes einen Triumph, weil es keinen Bebauungsplan für das Quartier gibt.