Vor einem Jahr wurde ein Kleinkrimineller zum Mörder

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17 Mal stach er zu und löschte ein Leben aus, das bisher gradlinig, hoch anständig und erfolgreich geführt wurde. In einem wahren Blutrausch beendete er das Leben eines 74-jährigen Industriedesigners, der in seinem Fach als Koryphäe galt. Am Samstag, den 12. Juli, ist das nun genau ein Jahr her. Am 8. August wird vermutlich das Urteil über den serbischen Täter gesprochen.

Herrsching hat diese schreckliche Tat noch lange nicht vergessen. Der Täter steht nun vor dem Landgericht II in München. Bisher hat der jetzt 23-jährige Serbe nur mit einem psychiatrischen Sachverständigen gesprochen. In Deutschland bezeichnet man Kriminelle dieses Schlages als „Intensivtäter“. Der Serbe hatte schon früh hemmungslos gestohlen und war häufig in Schlägereien verwickelt . Seine berufliche Karriere war überschaubar, er arbeitete als Schweißer und nahm dann nur noch Gelegenheitsjobs an, um Alkohol und Drogen zu finanzieren. Er rauchte wie ein Schlot und nahm auch Kokain, wenn sich die Gelegenheit dazu bot. Zum Zeitpunkt der Tat soll er auch unter Drogeneinfluss gestanden haben.

An diesem Bootshaus an der Promenade hatte der Täter seinen roten Rucksack in den See geworfen. Ein aufmerksamer Passant fischte ihn aus dem Wasser und meldete den Fund bei der Polizei.

Ein solches Bürschlein will man eigentlich nicht in Deutschland haben, aber die Bundesrepublik war für den Kleinkriminellen anscheinend ein sicherer Hafen, weil die Polizei nach ihm suchte. Er soll nämlich einer Familie in Serbien 10000 Euro gestohlen haben und fürchtete nun die Rache der Bestohlenen und den Zugriff der Polizei. Er floh nach München und von dort mit der S-Bahn nach Herrsching. Dort trieb er sich mehrere Stunden herum und kaufte im Edeka-Supermarkt an der Mühlfelder – mutmaßlich in böser Absicht – Haushaltshandschuhe. Sehr wahrscheinlich, dass der Serbe keine Ortskenntnis hatte, er suchte wohl nach einer Villengegend, in der er reiche Beute vermutete.

Gegen 21 Uhr klingelte er, nachdem er den steilen Anstieg bewältigt hatte, am Haus des ehemaligen Rolls- Royce-Designers. Die Ehefrau des späteren Opfers schildert vor Gericht – sie tritt auch als Nebenklägerin auf – den Tathergang so: Es habe zu völlig ungewöhnlicher Zeit an der Haustür geklingelt. Noch ungewöhnlicher sei es gewesen, dass niemand geantwortet habe. Sie schildert die Situation als „beklemmend“, sie und ihr Mann hätten sich unwohl gefühlt und bei Nachbarn angerufen. Die Nachbarin hatte dann bemerkt, dass jemand im Haus war. Und dann wurde ihr Mann auch schon attackiert. „Das ging ja alles wahnsinnig schnell“, sagte die Ehefrau aus, „der Mann stach mit beiden Armen auf den Oberkörper meines Mannes ein.“ Die Staatsanwaltschaft geht sogar davon aus, dass der Täter auch die 66-jährige Ehefrau in seine Gewalt bringen wollte. Es gelang ihr aber, über die Terrassentür zu entkommen.

Wenige Stunden nach dem Mord in der Kohlstatt hat dann der Leitende Kriminaldirektor Manfred Frei von der Kripo Fürstenfeldbruck eine Ermittlungsgruppe in Herrsching installiert. In den nächsten Tagen und Wochen waren, so Frei, insgesamt 250 Beamte an der Fahndung nach dem Mörder beteiligt.

Nach kurzer Bewertung der bis dato spärlichen Informationen hat Frei veranlasst, dass Kolleginnen und Kollegen des Fachkommissariats 1 (zuständig unter anderem für Gewalttaten gegen das Leben) und des Fachkommissariats 7 (Erkennungsdienst/Spurensicherung) aus ihrer Freizeit in den Dienst versetzt werden und die sofortige Tatortarbeit übernehmen. Noch in der Nacht wurde ein zusätzliches Team der „Digitalen Forensik“ (Kommissariat Cybercrime) nachalarmiert. Sowohl die Rechtsmedizin als auch der zuständige Staatsanwalt für Kapitaldelikte waren noch in der Nacht am Tatort. Frei hat zudem aufgrund der komplexen Sachlage von allen Kommissariaten weitere Kriminalbeamtinnen und -beamte aus ihrer Freizeit nachalarmiert. Am Samstag um 11 Uhr – die Tat war keine 14 Stunden alt – traf sich die 30-köpfige Ermittlungsgruppe in der Herrschinger Polizeinspektion an der Rieder Straße. Zu der Gruppe gehörten kriminaltechnische Ermittlungskräfte, Spezialisten der Spurensicherung, Spezialisten der digitalen Forensik, Spezialisten für operative Fahndungen und Fachleute zur Betreuung der Angehörigen des Opfers.

Die Ermittlungsgruppe befragte noch am Samstag mögliche Zeugen und Nachbarn, suchte das Grundstück und die nähere Umgebung mit Hunden ab, rekonstruierte mögliche Fluchtwege und wertete im Lauf der nächsten Tage die Daten aller in Frage kommenden Überwachungskameras aus.

Der Polizei kam, Glück der Tüchtigen, Kommissar Zufall zu Hilfe: Passanten fanden an einem Bootshaus an der Promenade einen roten Rucksack, den der Täter dort ins Wasser geworfen hatte, nicht ohne ihn vorher mit Steinen zu beschweren. Gegenstände und ein Edeka-Preisschild im Rucksack führten die Beamten zum Herrschinger Supermarkt, in dem der Mann die Haushaltshandschuhe gekauft hatte. Glücklicherweise war eine Ü-Kamera im Markt auf einen Ständer gerichtet, an dem der Serbe die Handschuhe ausgesucht hatte. Die Polizei gab nun eine Fahndung nach einem 180 bis 190 Meter großen Mann heraus, der eine helle Hose und ein dunkelblaues Kapuzensweatshirt trug. Auf dem Bild der Ü-Kamera waren auch der rote Rucksack und die gelb-grünen Handschuhe zu sehen. Daraufhin gingen etwa 80 „zum Teil wertvolle Hinweise“ aus der Bevölkerung ein. So glaubten einige Herrschingerinnen und Herrschinger, den Gesuchten im Gebiet Strittholz, Zur Kohlstatt und in der Panoramastraße gesehen zu haben.

Der leitende Kriminaldirektor Manfred Frei bei der Pressekonferenz nach der Festnahme des Täters. Rechts der Chef der Polizeiinspektion Herrsching, Winfried Naßl. Fotos: Gerd Kloos

Schnell war aber klar, dass der Mann mit der S-Bahn nach München zurückgefahren war (mutmaßlich hatte ihn die Polizei auf Videoaufnahmen der S-Bahn-Überwachung entdeckt).

Kriminaldirektor Manfred Frei war sich dann bald sicher – so erzählt er im herrsching-online-Interview – dass sich der Tatverdächtige vermutlich nach Frankreich abgesetzt hatte. Seine Route konnten die Ermittler genau nachvollziehen – sie führte über München, Innsbruck und Zürich nach Frankreich. „ Am Festnahmetag erfuhr ich gegen kurz nach 8 Uhr, dass die französischen Kollegen offensichtlich seinen konkreten Aufenthaltsort (Haus/Wohnung) lokalisiert hatten. Ab diesem Zeitpunkt war mir klar, dass dessen Festnahme nur noch eine Frage von Stunden sein würde.“

Und tatsächlich nahmen am Donnerstag, den 18. Juli, gegen 10 Uhr französische Spezialkräfte den damals 22-Jährigen fest. Er war bei der Festnahme allein im Appartement eines Verwandten und leistete keinen Widerstand. Keine 14 Tage später sitzt er in deutscher Untersuchungshaft. „Ein Gefühl der Erleichterung und der Zufriedenheit stellte sich ein. Und Stolz. Stolz auf die Leistung der eigenen Mitarbeiter. Und ein wenig stolz auch auf mich selbst”, bekennt Manfred Frei im Interview mit herrsching.online.

Der Prozess wird am 18., 21., und 23. Juli sowie am 1. August beim Landgericht München II in der Nymphenburger Straße fortgesetzt. Das Urteil wird am 8. August erwartet.

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