Christine Wawras Fotos, die bis Ende Juli im Rathaussaal hängen, sind an der Schnittstelle von analoger und digitaler Aufnahmetechnik entstanden – Zeitenwende in der Bildtechnologie. Aber nicht nur die Technik, auch die Objekte ihrer Fotos sind fast schon historische Dokumente: Bilder aus einem Jemen, der noch nicht vom Bürgerkrieg verwüstet worden, Fotos aus einem Tibet, das noch nicht von den Chinesen isoliert war. Die gebürtige Schwäbin Wawra, die jetzt in Berg lebt, hat auf ihren Recherche- und Auftragsreisen Bilder mitgebracht, die wie ein Rückblick in eine vergangene Zeit wirken.
In ihrer kurzen Rede bei der Vernissage im Rathaus hat sie ein paar nostalgische Gedanken zur Entwicklung der Fotografie geäußert. So zitierte sie einen französischen Philosophen, der dem beschichteten Film fast ein Denkmal setzte: In jedem analogen Bild, bei dem der durchs Objektiv gedrungene Lichtstrahl auf die Chemie des Films traf, habe sich etwas Materielles vom Motiv erhalten. Bei den modernen elektronischen Bildmaschinen dagegen wird nur Rechenleistung in Bilder verwandelt – wie unromantisch. Der Titel der kleinen Ausstellung im Rathaus trägt denn auch den – romantischen – Titel „Mit dem Herzen sehen.“ Wenn eine Fotografin mit dem Herzen sieht, dann baut sie vorher eine Beziehung zu ihrem Fotomotiv auf, knipst nicht einfach eine Situation, sondern wartet auf den besonderen Moment.
So beklagte Wawra auch das gedankenlose Knipsen mit dem Handy, das wahre Bild-Tsunamis produziert, aber niemanden mehr berührt.
Pünktlich zu dieser Ausstellung ist in der Süddeutschen Zeitung ein kleiner Artikel erschienen, der den wehmütigen Abschied von der analogen Fotografie relativiert: „Im Schatten der Handyfotografie wächst wieder die…wunderschöne analoge.“ Die Nachfrage nach Filmen sei wieder so groß, dass Kodak seine Produktionskapazitäten für die Filmherstellung erweitert hat und trotzdem kaum hinterher komme. Eine Filmrolle (also die materielle, nicht die Schauspielrolle) des lichtstarken Portra 800 (Lieblingsfilm der jungen New Yorker Street-Fotografen) kostet allerdings mehr als 20 Euro, der Kult-Diafilm Ektachrome mindestens 30 Euro.
Vielleicht kehrt die Menschen-Lichtbildnerin Christine Wawra auch bald wieder zu ihrer alten Kamera zurück? Wie man aus Filmen in der Dunkelkammer unvergessliche Bilder macht, weiß sie immer noch.
Die Ausstellung „Mit dem Herzen sehen“ ist noch bis zum 31. Juli zu sehen. Sie zeigt Bilder und Motive aus Bali, dem Jemen, Peru, Tibet und Bolivien. Im Rathaus öffnet man gerne für Besucher den Sitzungssaal.