Job oder Pflicht, Geld oder Gemeinwohl – Feuerwehrleute sind immer wieder im Konflikt, ob sie im Ernstfall alles stehen und liegen lassen und zum Feuerwehrhaus rasen, oder ob sie an ihrem Arbeitsplatz bleiben: Auch bei der Herrschinger Feuerwehr gilt die Freiwilligkeit. Wie lösen die Mitglieder den Zielkonflikt zwischen Beruf und Hilfsbereitschaft? Und wie kommt Herrschings Wehr mit dem Trend zurecht, dass sich junge Menschen nicht mehr so gerne engagieren? herrsching.online hat mit dem neuen Sprecher der Feuerwehr Herrsching, David Lampl, gesprochen.
herrsching.online: Viele Vereine und öffentliche Dienstleister wie Feuerwehren, THW oder Rotes Kreuz müssen inzwischen massiv um Nachwuchs werben. Spüren Sie bei der Herrschinger Feuerwehr auch eine nachlassende Bereitschaft vor allem der Jugend, sich zu engagieren?
Lampl: Wir dürfen sagen, dass wir gut dastehen mit unserem Nachwuchs. Aber wir nehmen gerne noch mehr Jugendliche und Nachwuchskräfte auf. Wir haben 68 aktive Feuerwehrleute und zwölf Jugendliche. Natürlich haben auch wir gelegentlich Austritte wegen des Wegzugs aus Herrsching, oder weil die Tätigkeit nicht mehr ins Leben des Mannes oder der Frau passt. Aber dann stoßen auch immer wieder neue Mitglieder zu uns, die sich voller Stolz am Schwarzen Brett vorstellen.
herrsching.online: Die Fähigkeit der Herrschinger Wehr, auch tagsüber zu den üblichen Arbeitszeiten Einsätze zu fahren, hängt sehr stark mit den hauptamtlichen Gerätewarten zusammen. Wäre ohne die festangestellten Kräfte die Einsatzbereitschaft nicht immer gegeben?
Lampl: Es gibt dreieinhalb hauptamtliche Stellen bei der Herrschinger Feuerwehr. Der neue Kommandant Peter Saur ist ebenfalls bei der Gemeinde als Gerätewart angestellt. Die Stelle des ehemaligen Kommandanten wird jetzt durch einen Mitarbeiter, der vom Bauhof kommt, nachbesetzt.
herrsching.online: Viele Arbeitgeber können oder wollen es sich nicht leisten, ihre Angestellten tagsüber für einen Einsatz freizustellen. Nimmt die Bereitschaft der Betriebe ab, ihre Leute für den Dienst an der Gemeinschaft während der Arbeitszeit ziehen zu lassen?

Lampl: Wenn Einsätze mitten in der Arbeitszeit anfallen, kann ich selbst auch nicht immer alles stehen und liegen lassen, zum Beispiel, wenn ich mitten in einem Kundengespräch bin. Wenn aber durch einen Einsatz Arbeit liegenbleibt, muss ich die nachholen. Es kommt also schon mal vor, dass ich abends um acht von einem Einsatz komme und mich anschließend an den Schreibtisch setze und nacharbeite, was während des Einsatzes liegengeblieben ist. Meine Chefin ist natürlich über meinen Dienst bei der Feuerwehr informiert. Für sie ist das in Ordnung, so lange die Arbeit erledigt wird und nichts liegenbleibt. Ich hatte allerdings auch mal einen Arbeitgeber in früheren Zeiten, der kategorisch verfügte: Nein, das geht gar nicht. Man kann allerdings besser argumentieren, wenn man zu großen, wichtigen Einsätzen gerufen wurde, als wenn man wegen jeder kleinen Ölspur auf der Straße seine Arbeit unterbricht. Jeder Feuerwehrmann muss mit seinem Arbeitgeber eine individuelle Lösung finden.
herrsching.online: Sind größere Arbeitgeber toleranter oder restriktiver?
Lampl: Es kommt auf die Position und die Art der Tätigkeit im Unternehmen an. Wenn der Kollege bei der Arbeit nicht ersetzt werden kann, weil er mitten in einem Projekt steckt, wird’s natürlich schwierig. Ich zum Beispiel kann auch nicht mitten in einem Kundengespräch zu einem Einsatz aufbrechen.
herrsching.online: Gab es schon Notfälle, für die die Herrschinger Feuerwehr nicht genügend Einsatzkräfte auftreiben konnte?
Lampl: Nicht dass ich mich an einen solchen Fall erinnern könnte. Es sind natürlich mal mehr, mal weniger Kräfte im Einsatz, aber immer mehr als genug. Bei uns sind Studenten aktiv, Mitglieder, die im Home Office arbeiten, und viele Schichtdienstler, die auch tagsüber zur Verfügung stünden. Ich fahre nun schon Einsätze mit, seit ich 16 bin und kann deshalb sagen: Ein Einsatz war noch nie gefährdet, weil zu wenige Leute an Bord waren.
herrsching. online: Höchste Zeit, Sie nach Ihrer persönlichen Motivation zu fragen.
Lampl: Es hat ganz klassisch angefangen als kleines Kind mit der Faszination, die diese tollen roten Autos mit den blauen Lichtern auf Kinder ausüben. Dann bin ich mit 13 zur Jugendfeuerwehr gegangen, und bin sehr froh darüber. Ich habe Freundschaften geschlossen, etwas gelernt und meine Freizeit sinnvoll verbracht.
herrsching.online: Der Sound des Martinshorn ist das eine, ein Einsatz bei schwersten Unfällen das andere. Und gelegentlich geht’s auch ums Ganze. Wie kommt man mit dieser Seite des Feuerwehrjobs klar?
Lampl: Die Arbeit bei der Feuerwehr ist sehr sicher. Wenn ich in ein brennendes Haus gehe, habe ich immer mindestens einen Partner dabei, es gibt Sicherheitssysteme, die greifen. Aber klar, es gibt auch gefährliche Situationen, keine Frage.
herrsching.online. Und dafür gibt es nicht immer Lob und Anerkennung, wenn Presseberichte über Angriffe auf Feuerwehrleute stimmen…
Lampl: Hab ich erst einmal erlebt, als ein Patient, dem wir geholfen haben, auf uns losgeangen ist. Aber es gibt auch sehr viel Dankbarkeit. Da kommen Briefe und kleine Geschenke mit Bemerkungen wie: Wenn’s Euch nicht gegeben hätte…