Viel Lärm um laute Gäste. Wirt sieht zunehmende Vergreisung in Herrsching

8 mins read

Nachtruhe und Nightlife passen nicht zusammen: Jüngstes Beispiel in Herrsching: Nachbarn der Szenekneipe Kiez an der Ecke Landungssteg Seestraße haben sich beim Landratsamt über Lärm auf der Außenterrasse des Lokals beschwert. Kiez-Wirt Fritz Frömming ist „ziemlich frustriert“, dass ihm die Gastro-Aufsicht in Starnberg „die gelbe Karte gezeigt hat“. Er möchte nun mit einer Petition an die Gemeinde durchsetzen, dass in Herrsching künftig die Außengastronomie bis 23 Uhr, am Wochenende sogar bis Mitternacht betrieben werden kann. herrsching.online hat mit dem Wirt, der seit 1965 in Herrsching lebt, über Einschränkungen der Gastronomie gesprochen. Frömming trauert nun den alten Zeiten nach und befürchtet eine zunehmende Vergreisung der Seegemeinde.

Frömming betreibt das Kiez seit Januar 2023. Seit letztem Jahr führt er den Betrieb ohne seinen früheren Partner. Seine Entscheidung, das Pier alias Kiez zu übernehmen, hat er „bisher noch nicht bereut – im Gegenteil“.

herrsching.online: Nun haben Sie Ärger mit den Nachbarn…

Frömming: … nicht den Nachbarn. Es sind nur einige wenige,  nur ein, zwei Familien. Und die haben sich beim Landratsamt beschwert. Wenn du aber einmal vom Landratsamt die gelbe Karte bekommen hast, kriegst du beim nächsten Mal die rote, und die kostet 5000 Euro.

herrsching.online: Wie sind denn aktuell die Lärmschutzbestimmungen in der Herrschinger Gastronomie?

Frömming: Wir haben am Landungssteg ein Mischgebiet aus Geschäften,  Gastronomie und Wohnungen. Nach dem Emissionsgesetz muss um 22 Uhr Schluss sein in der Außengastronomie. Nach 10 müssen die Gäste in die Innenräume umziehen, die Fenster müssen geschlossen werden.  Aber bei 25 Grad geht ja keiner freiwillig in einen geschlossenen Raum. Wir haben das bisher so gehandhabt, dass wir nach 10 Uhr Lärm vermieden und die Terrasse zur Seestraße hin geräumt haben. Nur der Bereich Richtung Bahnhof wurde noch  bewirtschaftet. 

herrsching.online: Aber das hat offenkundig nicht durchgehend funktioniert?

Frömming: Das Schlimmste, was einem Wirt passieren kann, ist uns eines Abends passiert. Da haben sich Jugendliche auf die geräumte Terrasse gesetzt und eigenen Alkohol mitgebracht. Von innen waren die nicht sichtbar, weil die so tief saßen. Gehört hat man diese Jugendlichen auch nicht, weil im Innenraum Musik läuft.  Dann ruft der Nachbarn an und beschwert sich über den Lärm. Ich habe ihm versichert, dass da keine Gäste mehr von mir sitzen.  Ich bin dann rausgegangen und habe die Jugendlichen dann entdeckt. Der Nachbar hat sich trotzdem beschwert. Ich habe dann beim Landratsamt den Sachverhalt aufgeklärt, aber es half nichts, wir haben die gelbe Karte bekommen. 

herrsching.online: Sie haben generell Vorbehalte gegen die 22- Uhr-Regelung?

Frömming: Der Landkreis Starnberg rühmt sich immer seiner touristischen Attraktivität. Und deshalb kann es einfach nicht sein, dass um 10 die Bürgersteige hochgeklappt werden. Wenn ich mir südliche Länder anschaue, da geht das Leben nach 22 Uhr erst los.  Jeder fährt gerne nach Italien, weil da das Leben tobt, aber zu Hause soll’s bittschön ruhig sein. 

herrsching.online: Sind das Symptome einer zunehmenden Vergreisung von Herrsching?

Frömming: Absolut. Ich wohne seit 1965 in Herrsching. Wir haben früher die Gitarre ausgepackt, das Bier im Wasser kaltgestellt und sogar im Kurpark übernachtet. Hin und wieder bat uns die Polizei, ein bisschen leiser zu singen, aber jeder war froh, dass in Herrsching ein bisschen Leben stattfindest.

herrsching.online: Und jetzt ist Sanatoriumssstille am See?

Frömming: Es gibt überall Probleme, auch die „Post“ hatte Probleme wegen des DJs, am Kiosk an der Promenade schleichen Anwohner rum und beschweren sich. Dabei fängt es abends erst richtig an, romantisch zu werden, wenn die Sonne untergeht gegen 9 Uhr.  Es tut mir in der Seele weh, weil ich Herrsching einfach anders kenne von früher. Wir hatten zwei oder drei Diskotheken, wir hatten die Südtiroler Stuben, die Palette,  das Aquarius, alles weg. 

herrsching.online: Was könnte denn die Gemeinde für die Gastronomien tun?

Frömming: Wir bräuchten eine Regelung, dass die Außengastronomie bis 23 Uhr betrieben werden darf und am Wochenende bis 24 Uhr. Ich glaube zu wissen, dass die Gemeinde diese Regelungen selbst erlassen kann. Notfalls werden wir eine Petition auf die Beine stellen, die dann an die Gemeinde geht. 

Ein Problem der Gastronomie sind auch die fehlenden Taxis. Wir haben nur noch einen Taxiunternehmer in Herrsching, der nach 22 Uhr noch fährt. Und der ist völlig überlastet.

herrsching.online: Macht sich die frühe Terrassen-Schließung bei den Umsätzen bemerkbar?

Frömming: Wir mussten wegen der Umsatzeinbußen sogar vier Mini-Jobbler entlassen, die dann wieder im Winter kommen, wenn die Umsätze wieder steigen.     

herrsching.online: Sie haben jetzt aber nicht die Lust verloren an Ihrem Etablissement?

Frömming: Nein, aber ich muss gestehen, dass ich schon recht frustriert war.  Sie können sich nicht vorstellen, wieviel Arbeit in so einem Lokal steckt. 

herrsching.online: Wenn das alte Carla-Haus abgerissen wird und ein neuer Wohn- und Praxixkomplex hinter dem Kiez gebaut wird, könnte da noch mehr Ärger ins Haus stehen?

Frömming: Ich habe den Bauträger gebeten, in die Kaufverträge zu schreiben, dass in der Nähe der Wohnanlage ein Lokal betrieben wird. Trotzdem befürchte ich Beschwerden. Deshalb ist es uns auch so wichtig, dass die Leute, die da einziehen, wissen, dass sie neben einem Lokal wohnen werden, das eine Küche betreibt. Sogar der Dönerladen gegenüber hat schon Beschwerden wegen Küchengeruchs bekommen. Man muss sich aber vor Augen führen, dass es dieses Restaurant und den Dönerladen schon viele Jahre gibt, aber die Leute, die sich nun beschwerden, sind viel später hier eingezogen.   

Schreibe einen Kommentar

Your email address will not be published.

Aktuellste Meldungen

Neuer Tempo-TÜV in Herrsching

Gemeinde engagiert Zweckverband für Geschwindigkeitsüberwachung/Messstellen werden von der Gemeinde und der Polizei gemeinsam festgelegt/Immer weniger Temposünder/Künftig

RADetzky-Marsch

Tausende Stadtradler werden drei Wochen lang Kilometer für ihr Team und ihre Gemeinde sammeln. Am kommenden

Deep STA AT

Diese Meldung hätte es in normalen Zeiten nicht auf die Seiten von herrsching.online geschafft. Aber die