Herrsching braucht mehr junge Familien: Im Jahresabschluss für das Fiskaljahr 2024 hat das Rathaus die Erwartung geäußert, dass die Seegemeinde für Eltern mit Kindern anziehender werde: „Durch das neue Gymnasium und die vielen Kindertagesstätten erhöht sich die Attraktivität der Gemeinde für junge Familien.“ In der Seegemeinde sind 19 Prozent der Einwohner zwischen 0 (korrekter: zwischen einer Sekunde) und 20 Jahre alt – im gesamten Bundesgebiet haben 18,8 Prozent der Menschen die Volljährigkeit noch nicht erreicht. Herrsching liegt also im statistischen Durchschnitt.
Was freilich gegen einen verstärkten Zuzug von jungen Familien spricht, erwähnt der Jahresabschluss für 2024 nicht: Das Angebot an bezahlbarem Wohnungen in Herrsching ist eher überschaubar. Und wo Wohnungen angeboten werden, liegen die Mieten meist am oberen Ende der finanziellen Möglichkeiten. Kein Einzelfall, dass sich ein junger Feuerwehrmann mit seiner Familie Herrsching nicht mehr leisten konnte und weggezogen ist.
Am liebsten sind allen Gemeinden junge Eltern mit fettem Gehalt: Die Kommunen bekommen nämlich 15 Prozent von deren Einkommenssteuer ab. Das bringt Herrsching rund neun Millionen Euro an Steuern ein – neben der Gewerbesteuer der größte Batzen im Haushalt.
Der Betrag könnte noch größer sein, wenn die Altersgruppe zwischen 21 und 60 Jahren – also die Menschen im erwerbsfähigen Alter – größer wäre: Nur 48 Prozent der Bevölkerung in der Seegemeinde sind „Best Ager“ für die Gemeindekasse. In Gesamtdeutschland gehören 51 Prozent dieser Bevölkerungsgruppe an.
Dafür sind in Herrsching die Frauen und Männer ab 60 häufiger vertreten als im gesamtdeutschen Bevölkerungsbaum. 33 Prozent der Herrschinger Einwohnerinnen und Einwohner haben die 60 überschritten und gehen demnächst in Rente, oder sind schon verrentet. (Deutschland-Quote: kanpp 30 Prozent).
Herrsching teilt das Schicksal aller privilegierten Wohngemeinden – wo’s schön ist, ziehen eben mehr begüterte Ruheständler hin. Die treiben die Mieten und Immobilienpreise hoch, brauchen dafür aber keine Kitas mehr. Dafür aber mehr Ärzte. Und die zahlen vermutlich viele Steuern, an denen Herrsching mit 15 Prozent partizipiert – wenn sie denn in der Seegemeinde wohnen.
Herrsching mag in puncto Kinderbetreuung, Schulen und medizinischer Versorgung gut aufgestellt sein – doch was nützen all diese Einrichtungen, wenn sich die Menschen, die darin arbeiten, das Leben vor Ort nicht leisten können? KinderpflegerInnen, LehrerInnen, VerkäuferInnen, FriseurInnen oder auch ÄrztInnen mit Familie wohnen längst nicht mehr in der Seegemeinde, weil die Miet- und Immobilienpreise für NormalverdienerInnen schlicht unbezahlbar geworden sind. Besonders betroffen: junge Erwachsene in Ausbildung, Studium oder Handwerk. Wer hier seine Wurzeln hat, muss sie oft ausreißen, um sich anderswo ein bezahlbares Leben aufzubauen.
Der Jahresabschluss 2024 spricht optimistisch von steigender Attraktivität für Familien – verschweigt aber, dass es für viele schlicht am Wohnraum scheitert. Das lange versprochene Einheimischenmodell in Breitbrunn liegt auf Eis, während Grundstücke spekulativ brachliegen und Geschäfte leer stehen. Dabei wäre genau das dringend nötig: Wohnraum für junge Familien, für Mehrgenerationenprojekte, für Menschen, die das soziale, kulturelle und wirtschaftliche Rückgrat dieser Gemeinde bilden.
Wer Vielfalt und Zukunft will, muss auch den Mut haben, politisch gegenzusteuern – bevor Herrsching endgültig zur Altersresidenz mit Seeblick wird.
„… begüterte Ruheständler … treiben die Mieten und Immobilienpreise hoch…“
Mag sein, dass Zugezogene die Preise zahlen aber am Anfang der maximierten Bodenspekulation und Vermögensgewinne stehen die Herrschinger Familien selber, die mit Bodenpreisen diese elitäre Spirale lostreten.