Der Buchdruck war gerade einmal 100 Jahre alt, da publizierte ein Balthasar Staindel aus Dillingen eines der ersten gedruckten Kochbücher der Welt: „Ain künstlichs und nutzlichs Kochbuch“, in dem so schöne Rezepte wie „Schweinskopf in Ingwer vol Brantwein“ verewigt sind. Ein prächtig erhaltenes Exemplar dieses Kochbuchs aus dem Jahre 1556 liegt im Tresor der Bibliothek im Haus der Landwirtschaft. Bei einer Veranstaltung zum 500. Jahrestag des Bauernkriegs öffnete die Bücherei-Leiterin Dr. Tanja Kodisch-Kraft ihre Schatztruhe.
„Erstaunlicherweise“, so die Germanistin Dr. Kodisch-Kraft, „sind solche uralten Bücher oft in einem besseren Zustand als Originale aus dem 19. Jahrhundert.“ Das Papier, das Feuchtigkeit, groben Umgang, Besitzerwechsel und Ungeziefer überlebt hat, trägt 500 Jahre alte Weisheiten mit großer, unerschütterlicher Würde. Bücher waren noch keine schnell verderbliche Ware, sondern Kulturgüter für die Ewigkeit: Schließlich war schon der Druck eines Buches eine unvorstellbare Fleißarbeit: Jeder Buchstabe musste einzeln aus dem Setzkasten gefischt und mit den anderen Lettern zu Wörtern, Zeilen und Seiten montiert werden.

Als sich Baltasar Staindel ans Werk machte und sein Kochbuch in Versform verfasste, regierte im Heiligen Römischen Reich noch Karl V., das Mittelalter klang langsam aus und machte revolutionären Techniken und Gedanken Platz. Man könnte diese ferne Zeit mit dem Siegeszug des Internets in unserer Gegenwart vergleichen. Neue Medien verbreiten neue Ideen, Weltanschauungen und politische Ideale. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass sich die „Zwölf Artikel der Bauernschaft“, die zum berühmten Bauernkrieg von 1525 führten, dank der Flugschriften in Windeseile in halb Europa verbreiteten. Diese zwölf Forderungen der Bauern gelten heute als erste Menschenrechtserklärung in Europa.
Welcher Kontrast dazu die große Schwarte aus dem Jahre 1719, die dem „hochwürdigsten Fürsten und Herrn Lothario Francisco“ gewidmet war. Dr. Kodisch-Kraft musste ordentlich zu packen, als sie den zehn Zentimeter dicken Schinken aus dem Tresor holte. Das kostbare Buch ist eine Anleitung fürs „Management“ eines fürstlichen Hofes. Schon damals, so scheint es, stand die Ratgeber-Literatur hoch im Kurs.
Die Bibliothek im Haus der Landwirtschaft verwahrt Hunderte von Büchern, die aus verflossenen Jahrhunderten stammen. Das passt ganz gut zum Satz von Dr. Tanja Kodisch-Kraft, dass Bauern in Generationen denken und damit auch einen Bezug zu den historischen Schätzen haben.