Jetzt ist Druck im Kessel: Grüne, Bürgergemeinschaft und FDP stehen dem Herrschinger Geothermie-Projekt eher wohlwollend gegenüber. Der Bürgermeister aber hat sich klar gegen die Geothermiepläne gestellt. Seine Stellungnahme stößt auf massive Kritik. Das Bild zeigt eine Nahwärme-Zentrale.

Ins Knie geschossen

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Ein Kommentar von Gerd Kloos

Stellungnahmen sind keine Liebkosungen, sagte der Bürgermeister zum Thema Geothermie in Herrsching. Sie müssen aber auch keine Hinrichtung sein. In einem 19-Punkte-Papier hatte die Gemeindeverwaltung aus allen Rohren auf das Projekt Erdwärme in Herrsching gefeuert. Man wolle, heißt es in dem Papier scheinheilig, „die Öffentlichkeit über das geplante Vorhaben informieren“. Heraus kam ein „Papier, mit dem sich die Gemeinde selbst ins Knie schießt“, wie es der Grünen-Gemeinderat Gerd Mulert formuliert. Ein Pamphlet, das von keiner Fachbehörde ernst genommen werde.

Die Argumente in dem Gemeinde-Statement haben mit wohlabgewogener Information so wenig zu tun wie ein Würgegriff mit einer Streicheleinheit.

Das Gemeinde-Papier vermisst zum Beispiel einen Detailplan des Bohrplatzes. In den umfangreichen Gutachten der Geothermie-Investoren ist aber beschrieben, dass von den bestehenden Maisäckern zeitweise etwa 5700 Quadratmeter genutzt werden. Ach ja, die Gemeinde versteht übrigens etwas von „Schleppkurven und Wendeflächen“. Weil im Rathaus genauestens bekannt ist, welchen Wendekreis ein „Long Vehicle“-Laster hat, meint die Verwaltung, „die vorhandenen Flächen reichten nicht aus“.

Und überhaupt: Wenn ein Laster trinkwassergefährdende Stoffe verliert, wie verhindert man ein Eindringen in den Boden? Diese Frage, so der Pro-Natur-Rechercheur Norbert Wittmann, muss man sich bei allen Baustellen stellen.

Was einige Bürgerinnen und Bürger an Fürsorge für das Biotop am neuen Gymnasium vermisst haben, besorgt das Rathaus am Geothermie-Standort: Es befürchtet, dass das geschützte Herrschinger Moos trockenfallen könnte. Dabei wird in einem geschlossenen Kreislauf das heiße Wasser aus 3000 Meter Tiefe gewonnen, die Wärme wird über einen Wärmetauscher an den Wärmeträger abgegeben. Dieses erhitzte Wasser wird dann in einem Nahwärmenetz zum Verbraucher transportiert. Das abgekühlte Wasser wird mit etwa 50 Grad im geschlossenen Kreislauf wieder zurück in den Untergrund befördert. Und dort wird es wieder neu auf Temperatur gebracht. Von dauerhafter Wasserentnahme, so versteht es sogar der verständige Laie, kann also keine Rede sein. Dem Moos jedenfalls werde, so die Geothermie-Experten, nicht das Wasser abgegraben.

Aber was ist mit den süßen, neu angesiedelten Kiebitzen oder gar mit dem Seeadlerpaar, das von Herrschinger Bürgern gesichtet worden sein soll? Der Landesbund für Vogel- und Naturschutz schreibt dazu an herrsching.online: „Die Kiebitze in Seefeld werden sicher nicht durch diese Bohrung gestört. Es gibt ein Fischadlerpaar am Ammersee, das aber sicher auch nicht hiervon betroffen ist.“ Das gesichtete Seeadlerpaar ist übrigens entweder eine Fata Morgana, eine Verwechslung oder eine ornitologische Sensation: Es soll, so berichtete die SZ vor einem Jahr, ein Pärchen auf der Durchreise gesehen worden sein. Das Adler-Phantom jedenfalls taugt nicht als Geothermie-Verhinderer.

Das Bohrgelände befindet sich weder in einem Landschaftsschutz-, einem Naturschutz-, einem Moor- oder FFH-Gebiet noch in einer Wasserschutzzone. Auch die Vögel können den amtlichen Geothermie-Gegnern also nicht behilflich sei.

Dass die Untere Naturschutzbehörde ins gleiche Horn stößt wie die Gemeindeverwaltung, beeindruckt den grünen Gemeinderat Mulert wenig: „Diese Behörde muss nur konkrete Details beleuchten, übergeordnete Punkte, wie die Relevanz für unsere Energieversorgung, sind nicht ihr Thema“. Zwei Punkte im „Gemeinde-Pamphlet“ lässt Mulert gelten: Die Fragen der Stromversorgung und des Wärmenetzes seien tatsächlich noch nicht geklärt. „Und zur Frage der Zufahrt gäbe es wahrscheinlich auch noch Optimierungsbedarf.“

Wie sich eine Gemeinde wohlig und zu ihrem Wohl an eine Nahwärme-Quelle kuschelt, kann man in Seefeld-Oberalting besichtigen. Dort lassen sich große Wärmeabnehmer (zum Beispiel Altersheime) und 20 Privathaushalte vom Hackschnitzel-Verbrenner Schlecht mit heißem Wasser beliefern.

Gemeinderat Johannes Puntsch (FDP) fasste seine Meinung über die „Stellungnahme“ des Rathauses so zusammen: „Ich bin froh, dass Dein (des Bürgermeisters) Name unter dem Papier steht und nicht meiner.“ 

1 Comment

  1. Herrschings Bürgermeister erklärt, dass es die Gemeinde für unerlässlich hält, sowohl den Gemeinderat als auch die Öffentlichkeit über das geplante Vorhaben zu informieren. Die in der Gemeinderatssitzung diskutierte Stellungnahme der Gemeinde Herrsching kann keinesfalls als sachliche Information der Öffentlichkeit gewertet werden. Seitens der Erdwärme GmbH Herrsching erfolgte am 19.12.2024 eine Informationsveranstaltung bezüglich des Projekts. Anwesend waren auch die 2. Bürgermeisterin sowie der 3. Bürgermeister und Mitarbeiter der Gemeinde Herrsching. Bei der Bürgerversammlung am 13.02.2025 bestand die Möglichkeit, die Herrschinger Bürgerschaft über das Projekt zu informieren. Dies ist nicht erfolgt.
    Es obliegt nun dem Bergamt Südbayern über die fachliche Qualität dieser Stellungnahme zu urteilen. Interessant auch, dass die Gemeinde Herrsching ausgerechnet bei diesem Projekt nun feststellt, dass die ökologischen Einflussfaktoren nicht unberücksichtigt bleiben dürfen. Diese Berücksichtigung wäre auch bei anderen Projekten wünschenswert gewesen.

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