Eigentlich wird man am Geburtstag selbst beschenkt. Der Andechser Kirchenmusiker Anton Ludwig Pfell aber hat am Vorabend seines 75. Geburtstags die Freunde der sakralen Musik mit einem opulenten Geschenk bedacht: Zusammen mit 28 Musikern führte er in der Heilig-Geist-Kirche in Breitbrunn die Markus-Passion von Reinhard Keiser auf. Pfell war es gelungen, das Ensemble Lodron zu verpflichten. Über dem Orchester thronte das 15-köpfige Chor-Ensemble 8+, das die herrliche Akkustik der holzverkleideten Pyramide beglückend ausfüllte. Die Stimmen klangen kraftvoll und trugen bis ins zarteste Piano. Theresa Boning (Sopran), Rebekka Stöhr (Alt), Thilo Himstedt (Tenor) und Raphael Sigling (Bass) sangen die Solopartien mit großer Eindringlichkeit. Das Konzert war eine Gemeinschaftsveranstaltung der Kulturkirche Breitbrunn mit der Pfarreigemeinschaft Ammersee Ost.
Der Dirigent und Spiritus Rector des Projekts, Anton Ludwig Pfell, hatte die Markus-Passion des heute wenig bekannten Reinhard Keiser ausgesucht. Die Opernsängerin und Sopranistin des Abends, Theresa Boning, erklärte das im Interview mit herrsching.online so: „Die Markus-Passion ist sehr bekannt, weil sie Johann Sebastian Bach zweimal aufgeführt hat. Deshalb hat sie in der Notenbibliothek einen so prominenten Platz eingenommen. Für den jungen Bach in Weimar war die Markus-Passion ein Lehrstück für seine eigenen Kompositionen. Das ist ja schon eine Ansage, wenn Bach von dem Stück begeistert war.“
Das Risiko war also überschaubar, weil Ähnlichkeiten zwischen Keisers Markus-Passion und der Matthäus- und Johannes-Passion von Bach unüberhörbar sind. Sie zeigen sich vor allem im formalen Aufbau und in der Instrumentation. „Die Matthäus- und die Johannes-Passion werden ja oft gespielt, die Markus-Passion ist etwas Besonderes, da sie seltener zu hören ist“, freute sich Boning auf den Breitbrunner Auftritt. Mit ihr freute sich ein dankbares Publikum, das die Kirche füllte wie in den besten Zeiten an Weihnachten.
Dass Boning eine Idealbesetzung für den Sopran-Part war, offenbarte sie in der Arie „O Golgatha“, in der sie ihre ganze stimmliche Opulenz einsetzte, einfühlsam und filigran begleitet von einem Oboensolo. „Das war wirklich sehr berührend“, meinte hinterher die Kulturkirche-Intendantin und Geigerin Josefine Melchior. Rebekka Stöhr, die den Alt-Part sang, gab der Komponist leider weniger Gelegenheit, ihre Virtuosität in den Arien zu beweisen. Noch weniger Text hatte der Bass Raphael Sigling, der die Jesus-Zitate sang. Die Rollen von Petrus (Philip Dengler), Pilatus (Christian Klingler) und Judas plus Hohempriester (Florian Zhurmair) kamen aus dem Chor.
Auch Kunst, zumal im dörflichen Rahmen, kostet Geld. Und weil die Kulturkirche generell auf Eintrittsgelder verzichtet und am Schluss um Spenden bittet, ist ein 28-köpfiger Klangkörper ein beträchtliches finanzielles Risiko. Aus früheren Kirchenkonzerten gab es gottlob noch Rücklagen, die Anton Ludwig Pfell für dieses Konzert einsetzen konnte. So wurde die andere Hälfte der Gagen, die nicht durch Spenden gedeckt werden konnte, finanziert werden. „Dank des Mutes und des Weitblicks von Anton Ludwig Pfell ist ein solches Konzert überhaupt möglich. Wir als Kulturkirche könnten ein solches Konzert allein nicht stemmen“, meinte Josefine Melchior.