Eine Baumschutzverordnung hat die Herrschinger Gemeindratsmehrheit längst abgesägt, die geplante Grünordnung für einen Baumschutz light hat nun die Staatsregierung letztes Jahr einkassiert: Mit zwei hastig zusammengeschriebenen „Modernisierungsgesetzen“ will die Regierung den Paragrafenwald in den Gemeinden lichten. Wer jetzt resigniert oder triumphiert, kennt die aktuelle Gesetzeslage nicht. Der renommierte Verwaltungsrechtler Dr. Jürgen Busse, der auch den Herrschinger Gemeinderat berät, weiß, wie man das Grün in einzelnen Ortsteilen retten kann.
herrsching.online: Im Bauausschuss des Herrschinger Gemeinderats hatten wir nicht den Eindruck, dass Sie ein Fan des Zweiten Modernisierungsgesetzes sind. Täuscht dieser Eindruck?

Busse: Wir bekommen von der Staatsregierung und vom Bayerischen Landtag vier Modernisierungsgesetze. Zwei davon sind schon in Kraft. Alle Maßnahmen zum Bürokratieabbau sind grundsätzlich zu begrüßen. Wir freuen uns über jede Erleichterung. Das betrifft auch die Bayerische Bauordnung. Ich habe aber Probleme mit dem Schnellverfahren, in denen Gesetzentwürfe durchgezogen wurden. In diesen Verfahren wurden Themen aufgenommen, die in der Praxis Probleme bereiten werden. Beispiel Stellplatzsatzung und die Begrünungsregelungen, die gerade in Herrsching im Bauausschuss behandelt werden. Da gibt es ein paar Dinge in den Gesetzen, die man genauer hätte regeln müssen.
herrsching.online: Begrünungsmaßnahmen waren dem Bauausschuss und dem Gemeinderat wichtig. Ist nach den Modernisierungsgesetzen alles Makulatur, was sich die Räte in Herrsching ausgedacht hatten?
Busse: Im Herrschinger Bauausschuss wurde im Dezember diskutiert, inwieweit man Begrünungsmaßnahmen durch eine Ortsgestaltungssatzung anstelle einer Baumschutzverordnung macht. Man hatte überlegt, ob man einen Landschaftsplaner bittet, eine Ortsbild-Analyse zu machen zusammen mit einer großen Bürgerbeteiligung. Es ging darum, durch öffentliche und private Maßnahmen das Ortsbild zu verschönern.
herrsching.online: Eine Baumschutzverordnung wäre doch auch nach dem jüngsten Modernisierungsgesetz möglich?
Busse: Eine Baumschutzverordnung ist unproblematisch, weil sie eine Regelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz ist. Das heißt, eine Baumschutzverordnung ist von der Bayerischen Bauordnung gar nicht betroffen. Sie hat eine andere Konsequenz: Sie ermöglicht es einer Gemeinde zu beschließen, dass Bäume eines bestimmten Stammumfangs nur dann gefällt werden dürfen, wenn die Gemeinde zugestimmt hat. Wer also einen Baum, der unter diese Bestimmung fällt, fällen will, braucht eine Genehmigung und muss in der Regel eine Ersatzpflanzung vornehmen. Die Baumverordnung macht dort Sinn, wo eine Gemeinde einen bestimmten wertvollen Baumbestand erhalten will. Sie kann aber kaum zum Städtebau verwendet werden.
herrsching.online: Die Alternative zu einer Baumschutzverordnung wären ja Bebauungspläne, die auch Baumbestand beinhalten?
Busse: Oder ein Grünordnungsplan nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Der richtet sich genauso nach dem Verfahren des Bebauungsplans, regelt aber nur die Begrünung. Die Schwierigkeit ist nur, dass ein Bebauungsplan ein umfassendes Verfahren vorsieht, das in der Regel eineinhalb Jahre in Anspruch nimmt. Bei einer Gemeinde mit einer relativ dünnen Personaldecke ist es immer schwierig, größere Gebiete eines Ortes durch einen Bebauungsplan zu regeln, zumal man die Eigentumsinteressen ganz anders würdigen muss als bei einer Ortsgestaltungsssatzung, bei der kein förmliches Verfahren notwendig ist.
herrsching.online: Noch einmal zur Bekräftigung: Eine Grünordnung nach dem Bundesnaturschutzgesetz wäre möglich.
Busse: Die wäre möglich, aber sie verlangt eben auch ein Verfahren wie bei einem Bebauungsplan. Wenn man aus klimatologischen und ökologischen Gründen eine Begrünungsmaßnahme macht, um sicherzustellen, dass die Erhitzung im Hochsommer nicht so heftig wird, dann ist das sicher sinnvoll. Aber: Gemeindeweit sind soche Grünordnungen nicht möglich.
herrsching.online: Immer wieder wird in Herrsching auf das Vorbild Starnberg verwiesen. Hat die Stadt nun eine gültige Baumschutzverordnung?
Busse: Starnberg hat einen wertvollen Baumbestand, deshalb passt die Baumschutzverordnung für Starnberg sehr gut.
herrsching: Wäre das nicht auch ein Modell für Herrsching?
Busse: Eine Baumschutzverordnung ist ein politisches Thema, das immer sehr umstritten ist. Die einen sagen: Lasst doch die Eigentümer selbst entscheiden, was sie auf ihrem Grundstück pflanzen. Die anderen sagen: Nein, wir wollen das reglementiern. Umso bürokratischer Baumschutzverordnungen kontrolliert werden, umso mehr Ärger gibt es bei den Bürgern. Von den Antragstellern, die eine Fällung von Bäumen beantragen, wird häufig argumentiert, dass Bäume Grundstücke verschatten oder eine Baumwurfgefahr besteht.
Wir haben in Bayern 2056 Gemeinden, und nach meiner Schätzung haben wir 200 Gemeinden, die eine Baumschutzverordnung haben. Wir haben also in vielen Gemeinden die gleiche Diskussion wie in Herrsching.
herrsching.online: Welche Möglichkeiten sehen Sie also, ökologische Steuerungsmechanismen in einer Gemeinde zu installieren?
Busse: Ich bin ein großer Verfechter einer aktiven Bürgerbeteiligung und eines informellen Rahmenplans, bei dem die Gemeinde eine Art Vorbildfunktion einnimmt. Wenn man Handlungsbedarf sieht, ist stets zu fragen: Was ist Aufgabe der Gemeinde, welche Verantwortung hat die Bürgerschaft für den Erhalt wertvoller Bäume?
Da ich, ohne informiert worden zu sein, als Aufhänger mit Foto zitiert wurde, möchte ich mich kurz äußern.
Die rechtlichen Hinweise und Erklärungen von Herrn Busse sind gut, um eine sachliche Diskussion zum Schutz alter Bäume im Ortsbild von unserer Gemeinde zu führen. Um die ökologische Bedeutung durch Nachpflanzung für unser Klima im Besiedlungsraum zu erreichen, braucht es viele Jahrzehnte. Ein Zeitraum, den uns der Klimawandel in dicht besiedeltem, urbanen Raum nicht gibt. Der Großraum München, und dazu gehört auch der Starnberger Landkreis, wächst stetig und wird durch vielfältige Baumaßnahmen versiegelt. Im Gespräch mit Eigentümern alter Eichen, Buchen, Eschen, Lärchen, Linden (jede Baumart wurde in Breitbrunn in den letzten 5 Jahren gefällt) und nicht alle waren krank, beschwerten sich manche Mitbürger, dass sie früher nachpflanzen haetten muessen. „Wie gut, dass wir keinen Baumschutz haben!“ Diese Menschen empfinden das Fehlen jeglicher Bäume als Bereicherung des Ortsbildes. Der Breitbrunner Gartenbauverein hat deshalb im Rahmen des Bayerischen Streuobstpaktes der Staatsregierung an der Nachpflanzung einer Streuobstwiese in der Gemeinde gearbeitet. Die Mitglieder unseres Vereines für Gartenbau und Landschaftspflege hoffen, dass die Bürger und die Herrschinger Gemeinde so ein gutes Vorbild in der Sache der ökologisch wertvollen alten Obstbäume wird.
Unsere Bäume und Böden, unser Grundwasser, die Artenvielfalt und unsere Luft sind lebensnotwendige Ressourcen, die wir schützen müssen. Dafür brauchen wir klare Regeln – wie in jeder Demokratie. Auch im Sport gibt es klare Regeln, damit ein faires Miteinander möglich ist.
Der Schutz unserer Umwelt darf nicht von politischem Taktieren abhängen, sondern muss aktiv gestaltet werden.
Dass seit Aussetzung der Baumschutzverordnung 2018 keine Regeln mehr für Baumschutz besteht, liegt an der bewussten Verzögerungstaktik Einzelner. Statt die mehrfach von der Bürgerschaft geforderte Erarbeitung einer Baumschutzverordnung voranzutreiben, (durch mehrere Bürgeranträge mit hunderten von Unterschriften), wurde das Thema zwischen Ausschüssen, Arbeitskreisen und Planungsbüros hin- und hergeschoben, bis neue Mehrheiten im Gemeinderat geschaffen wurden und viele Gemeinderäte das Wort Baumschutzverordnung nicht mehr hören wollte. Doch das Problem löst sich dadurch nicht, sondern vergiftet lediglich die Stimmung.
Seit Abschaffung der Baumschutzverordnung wurden in Herrsching tausende von Quadratmetern rücksichtslos baumfrei gemacht. Das ist nicht nur ökologisch ein Desaster, sondern beeinträchtigt auch unser Ortsbild und die Lebensqualität unserer Wohnviertel. Menschen, die wegen der Natur nach Herrsching gezogen sind, blicken plötzlich statt in grüne Baumwipfel auf kahle Hausfassaden. Das ist rücksichtslose Ortszerstörung.
Jede Gemeinde kann im Rahmen des Naturschutzgesetzes ihre eine eigene, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene BSV entwickeln. Die Gemeinde legt selbst fest, welche Regelungen sie trifft und welche Maßnahmen sie fördern möchte. Es liegt immer in der Entscheidung der Gemeinde, wie sie Baumschutz und Bauvorhaben in Einklang bringt. Sie kann auch Anreize schaffen, etwa, indem sie private Baumpflege oder Baumgutachten in besonderen Fällen unterstützt. Das wäre ein enormer Vorteil für viele Grundstücksbesitzer, denen die Pflege ihrer Bäume zunehmend Schwierigkeiten bereitet.
Die Wiedereinführung der Baumschutzverordnung ist in Herrsching also bradaktuell!
Es ist stark untertrieben, von einer Verzögerungstaktik Einzelner zu sprechen. Tatsache ist, dass Bürgermeister Schiller zusammen mit ihm hörigen Mitgliedern des Gemeinderates seinerzeit mit undemokratischen Winkelzügen die Einführung einer Baumschutzverordnung verhindert haben.