„Bevor wir gemerkt haben, dass wir uns die Zweite Volleyball-Bundesliga nicht leisten konnten, waren wir in die erste Liga aufgestiegen“, sagt der sportverrückteste Mann Herrschings. Die Frage nach dem nötigen Etat blockte er vor zehn Jahren mit der Bemerkung ab: „Wenn wir kein Geld haben, dann geben wir es einfach nicht aus.“ Max Hauser, 41, ist so etwas wie der Uli Hoeneß vom Ammersee: Die WWK Volleys sind in den wilden Jahren der Raketenaufstiege nicht pleite gegangen, und die Dienstreise per Anhalter nach Friedrichshafen war eher ein Mediengag als eine Sparmaßnahme. Jetzt jagen sie den anderen Bundesligisten Angst und Schrecken ein: Sie stehen auf einem sensationellen vierten Platz. Auch finanziell hat sich der „Geilste Club der Welt“ (Eigenlob, inzwischen als Wort-Bild-Marke patentrechtlich geschützt) nach oben gearbeitet. „Und es schaut auch so aus, dass es langfristig so bleibt“, sagt Geschäftsführer Hauser, der als Spieler und gleichzeitig als Trainer den Durchmarsch aus der Kreis- in die Bundesliga möglich machte. herrsching.online hat den Manager im zehnten Jahr der Bundesliga-Zugehörigkeit nach dem Geheimnis des Erfolgs gefragt. Die knappe Antwort: „Begeisterung und viel Arbeit.“ Und vielleicht doch „ein gewisses Know How“, fügt der studierte Sport- und Kommunikationswissenschaftler an.
herrsching.online: Im letzten Jahr Pokalfinale, jetzt Tabellenplatz vier. Nimmt Herrsching eigentlich wahr, dass hier Spitzensport stattfindet? Oder anders gefragt: Wo bleibt das Volleyballfieber?
Max Hauser: Wir können uns nicht beschweren. Wir hatten bisher fünf Heimspiele, die Nikolaushalle war bis auf den letzten Platz ausverkauft.
herrsching.online: Wieviele Leute haben in der Nikolaushalle Platz?
Hauser: 1000 Zuschauer, das ist ein bisschen zu wenig für unseren Anspruch, aber es hat einen besonderen Reiz. Wir stecken viel Energie in die Halle. Da kommt jeweils ein anderer Boden rein, es gibt LED-Banden, alles wird abgehängt. Wir sind auf jeden Fall das größte Live-Event in der Region Starnberg-Ammersee. Aber es gibt sicher noch viele Leute, die noch nie bei einem Spiel der WWK-Volleys dabei waren. Ich finde das schade. Wenn in Herrsching ein JoJo-Event auf höchstem Niveau stattfinden würde, ich hätte da bestimmt mindestens einmal vorbeigeschaut.
herrsching.online: Stimmt der Etat bei bei diesen Zuschauerzahlen?
Hauser: Im Spitzensport ist es so, dass du immer mehr brauchst. Am Ende der Saison willst du Deutscher Meister sein, und um Deutscher Meister zu werden, brauchst du auch das meiste Geld. Das haben wir nicht, wir sind im Mittelfeld der Bundesliga, was den Etat angeht. Aber man muss natürlich auch die Historie sehen, wir kamen aus der untersten deutschen Volleyball-Liga.
herrsching.online: Wie haben Sie die Volleys eigentlich in die Bundesliga gehievt?
Hauser: In der neunten Liga haben wir 2011 mit einer Jugendmannschaft angefangen. Diese Mannschaft war sehr erfolgreich, weil wir wirklich eine gute Jugendarbeit gemacht haben. Und diese Jugendlichen sind natürlich älter geworden, und aus diesem Kader habe ich einige in eine Herrenmannschaft übernommen, die in der Landesliga, das ist die siebte Liga, spielte. Dann sind wir innerhalb von zehn Jahren nach oben marschiert. Einmal sind wir zwar abgestiegen, aber sonst sind wir nur aufgestiegen.
herrsching.online: Hatten Sie das klare Ziel vor Augen, einmal in der Bundesliga zu spielen?
„Zur Not trampt die Mannschaft nach Berlin“
Hauser: Nein. Unser Ziel war die Dritte Liga, also die Regionalliga. Wie es halt so ist, wenn man gute Arbeit macht – wir sind an der dritten Liga vorbeigerauscht und fanden uns plötzlich in der Zweiten Liga. Dort war uns eigentlich klar, dass wir uns diese Liga nicht leisten konnten, weil die Unkosten ins Unermessliche steigen. Bevor wir realisiert haben, dass wir uns die Zweite Liga nicht leisten konnten, sind wir in die Erste Liga aufgestiegen. Wir wurden natürlich gefragt, ob wir überhaupt aufsteigen wollen. In den Randsportarten ist es nicht unüblich, dass Mannschaften gar nicht aufsteigen wollen, weil sie der Meinung sind, dass einen der Aufstieg kaputtmacht. Ich war damals noch sehr jung, 26, und habe in meiner Naivität gesagt: Natürlich steigen wir auf. Wir haben forsch gesagt: Wenn wir kein Geld haben, dann geben wir es einfach nicht aus. Und dann kam der so häufig zitierte Satz: Zur Not trampen wir nach Berlin. Das haben die Medien abgefeiert, das las man überall , sogar in der Bildzeitung. Als dann die ersten Spiele in der Ersten Liga anstanden, wurden wir natürlich gefragt: Trampt ihr tatsächlich? Da mussten wir das natürlich auch mal durchziehen und sind nach Friedrichshafen getrampt. Diese Mannschaft war tatsächlich eine Null-Budget-Studentenmannschaft, die sich sicher war, dass sie jedes Spiel verliert. Was aber nicht der Fall war. Wir waren Achter von Elf, das war eine mittlere Sensation. Jetzt sind genau zehn Jahre Bundesliga vorbei, und wir haben uns vor allem finanziell deutlich nach oben gearbeitet, auch dank der Hauptsponsoren WWK und TQ-Systems sind wir ganz gut dabei. Und es schaut auch so aus, dass es langfristig so bleibt.
herrsching.online: Was steckt denn hinter dem Raketenstart, der ein bisschen an RB Leipzig erinnert. Nur stecken bei denen viele Millionen aus der Brausedose drin.
Hauser: Bei uns stecken Begeisterung und viel Arbeit dahinter. Ein gewisses Know How ist natürlich auch nötig.
herrsching.online: In welcher Rolle haben Sie die steile Karriere der Volleys gestaltet?
Hauser: Ich war Spielertrainer (Doppelrolle als Spieler, der zugleich als Trainer fungiert; Red). Das war die beste Zeit meines Lebens, weil ich sehr gerne Sport mache. Ich war tatsächlich ein guter, ein sehr guter Sportler. Aber ich war ein noch besserer Trainer. Und jetzt hoffe ich, dass ich ein noch besserer Geschäftsführer bin.
herrsching.online: Die Parallele zu Uli Hoeneß ist frappierend…
Hauser: Ich vergleiche grundsätzlich nicht. Das ist eine meiner Philosophien. Wir vergleichen uns nicht mit jemand anderem und ich mich auch nicht. Meine Erfahrung ist: Wenn du etwas kaputtmachen willst, dann vergleich es. Wenn ich mich mit Uli Hoeneß vergleichen würde, dann würde ich schlecht wegkommen.
herrsching.online: Erklären Sie doch mal einem Menschen, der mit Volleyball nichts am Hut hat, die Faszination dieses Spiels.
Hauser: Volleyball ist ein Rückschlagsport, es geht übers Netz, jede Aktion hat ein Ergebnis, deshalb entstehen auch sehr viele Pausen. In diesen Pausen ist Zeit für Animation, für Moderation, für Party, für Musik. Ich mag das sehr gerne, das ist etwas ganz anderes als ein Sport, der auf zwei Tore geht. Das ergibt ein anderes Zuschauererlebnis, weil es ein Miteinander ist, die ganze Halle ist an der Party beteiligt. Dazu ist Volleyball ein sehr dynamischer Sport, es geht um Kraft, Schnelligkeit und Technik. Es ist nicht dieses deutsche Wir-müssen-ständig-laufen. Ich fand einen 50- oder 100-Meterlauf faszinierend, soviele Gewichte wie möglich nach oben zu stemmen. Beim Volleyball zählt die maximale Leistung, dafür gibt’s dann halt wieder eine Pause.
herrsching.online: Die Regeln bei Volleyball sind allerdings komplizierter, komplexer jedenfalls als beim Fußball…
Volleyball-Regeln sind komplizierter als die Regeln im Fußball
Hauser: Ja, die Regeln sind am Anfang komplizierter, auch die Technik ist kompliziert. Man stelle sich vor, beim Fußball wäre nur ein Kontakt erlaubt… Für Kinder sind die Regeln am Anfang auch schwerer verständlich. Aber dann ist es halt auch so, dass alles auf der Welt leicht oder schwer ist. Wichtig ist, wieviele Informationen habe ich über den Sport. Wenn die erste Hürde überwunden ist, wird’s einfach. Das sieht man an den Zuschauern. In der Halle sind vielleicht zehn Prozent aktive oder ehemals aktive Volleyballer. Der Rest sind begeisterte Fans, die mir nach dem Spiel erklären: Max, ihr müsst die Mauer anders stellen. Die kommen immer wieder, und irgendwann einmal werden sie Experten, obwohl sie diesen Sport nie betrieben haben.
herrsching.online: Können Sie sich auch für andere Sportarten begeistern?
Hauser: Klar, ich schau mir zum Beispiel gerne Tischtennis an. Es gibt keine Ballsportart, die ich nicht zumindest sehr ehrgeizig ausprobiert habe. Mir war wurscht, wohin der Ball fliegen muss, Hauptsache, es war ein Ball.
herrsching.online: Sie sagten, dass Sie ein noch besserer Trainer als Spieler gewesen sind. Waren Sie ein „Bauchtrainer“, der mit Intuition arbeitet, oder glauben Sie an die Wissenschaft als Erfolgsbasis?
„Ich habe vielleicht einige Fehler weniger gemacht“
Hauser: Ich bin das Training sehr wissenschaftlich angegangen. Mein Vorteil anderen Trainern gegenüber war aber, dass mir dank meines Studiums als Kommunikationswissenschaftler die Kommunikation mit den Spielern sehr wichtig war. Die Kommunikation ist vielleicht noch wichtiger als das Know How. Ich bin auch als Geschäftsführer Kommunikator, ob das die Kommunikation mit dem Trainerteam ist, mit dem Verein, mit den Medien. Man kann auf diesem Feld sehr viele Fehler machen – in alle Richtungen. Ich habe vielleicht einige Fehler weniger gemacht als andere – Fehler macht man natürlich immer – , aber dank meines Studiums kann man Fehler vermeiden.
herrsching.online: Volleyball ist ein sehr fairer Sport, weil man ohne Körperkontakt zum Gegner spielt. Passt diese Art, Sport ohne Gegneraggression zu betreiben, noch in die Zeit? Die Sitten werden doch auch im Sport immer rauer.
Hauser: Das stimmt. Der Slogan der Liga heißt ja auch: Home of Respect, was ich sehr gut finde. Bei meiner Jugendarbeit, zum Beispiel auch beim größten Jugendbeachcamp Deutschlands, geht’s mir sehr stark um diese Werte. Respekt und Vertrauen sind für mich die Key Words. Da hilft es schon, dass man beim Volleyball nicht direkt Mann gegen Mann oder Frau gegen Frau spielt. Ich habe lange genug Fußball oder Eishockey gespielt, um zu wissen, dass man halt irgendwann eine Riesenwut kriegt, wenn man das Ding wieder und wieder gegen das Schienbein kriegt. Dann wird’s irgendwann einmal dreckiger.
herrsching.online: Eigentlich müssten Eltern doch vom Volleyball begeistert sein, dass hier kein ruppiger Infight stattfindet?
Volleyball ist weniger verletzungsträchtig als andere Sportarten
Hauser: Es gibt Menschen, die es durchaus gut finden, ja es genießen, wenn es beim Eishockey ordentlich zur Sache geht. Viele Eltern finden es aber auch toll, dass man beim Volleyball keine Angst vor Verletzungen, zumindesten vor schweren Verletzungen, haben muss. Die schlimmsten Verletzungen sind immer Gegner-basiert. Beim Volleyball passiert es häufiger, dass man übertritt und den Gegenspieler trifft. Das gibt dann Bänderverletzungen, die eine Heildauer von sechs Wochen haben. Die Kreuzbandverletzungen beim Skifahren, beim Fußball oder anderen Sportarten setzen den Sportler sechs Monate lang schachmatt. Ich selber habe zwei Töchter, und ich weiß, dass Volleyball eine wunderbare Ballsportart ist.
herrsching.online: Setzt Volleyball eine hohe Spielintelligenz voraus?
Der Matchplan vor dem Spiel – fast eine Diplomarbeit
Hauser: Das ist ähnlich wie beim Football. Wenn du beim Volleyball einen Matchplan in die Hand nimmst, denkst du: Um Gottes willen, das ist ja eine Diplomarbeit. Der Trainer muss das dann runterbrechen auf jeden Spieler, damit der mindestens drei wichtige Punkte verstanden hat. Der eine Spieler versteht sogar die Daten, die dem Matchplan zugrunde liegen, dem anderen musst du schon mal ein Comic zeichnen, damit er versteht, wen er blocken muss. Es hilft nichts, wenn’s nur der Trainer verstanden hat.
herrsching.online: Das klingt nach einem Fulltime-Job. In Ihrer Mannschaft sind alle Vollprofis?
Hauser: Ja, für einen Halbtagsjob ist das Niveau zu hoch. Wir sind vor zehn Jahren mit einer Studententruppe und einem einzigen Profi gestartet, und dann haben wir uns Schritt für Schritt nach oben gearbeitet. Dieses Jahr haben wir noch den Jonas Kaminski und den Norbert Engemann, der noch als Polizeibeamter arbeitet. Aber es geht in Richtung Vollprofitum. Schließlich haben wir in der Woche ein Dutzend Trainingseinheiten. Acht Mal Ball, dreimal Kraft, dann kommen noch Physio und Videoanalyse dazu. Es war allerdings kompliziert, im Landkreis in die Hallen zu kommen. Deshalb trainieren wir in Herrsching auch in der neuen Dreifachturnhalle der Realschule, in Gilching und in Starnberg.
herrsching.online: Haben die Volleys treue Fans auch außerhalb des Landkreises?
Hauser: Wenn wir in München im BMW-Park spielen, kommen Fans auch aus der Schweiz, aus Österreich, aus Nürnberg, ja sogar aus Herrsching. Aber in der Nikolaushalle haben wir ein einzigartiges Flair. Eigentlich ist die Halle gar nicht mehr erlaubt, weil sie zu klein und zu niedrig ist. Aber die Stimmung ist unfassbar gut.