Ein mächtiger Chor mit 35 Sängerinnen und Sängern, ein Orchester mit 17 Musikerinnen und Musikern und vier Solistinnen begrüßten den Advent mit einem barocken und einem zeitgenössischen Magnifkat und drei hauchzarten „Ros„-Varianten. Das Adventskonzert der Evangelischen Kantorei unter der Leitung von Birgit Henke war eines der kulturellen Großereignisse des Jahres in Herrsching.
Man könnte, wenn man sich einen profanen Vergleich gestattet, das Konzert mit dem Bundesliga-Verein Heidenheim vergleichen: Ein „Dorfverein“ spielt in einer Liga, die eigentlich zu groß für ihn ist. Wenn sich ein Laienchor an das Magnificat von John Rutter traut, dann zeugt das entweder von Hybris oder einem großen Selbstvertrauen. Das Werk des englischen Komponisten ist in mehrere Sätze mit unterschiedlichem Charakter strukturiert. Dazu kommen lateinamerikanische Anleihen, die an die fröhlichen Marienfeste Spaniens, Mexikos und aus Puerto Rico erinnern. Und die Texte machen die Herausforderungen der Komposition auch nicht kleiner: Neben liturgischen lateinischen Passagen gibt es auch ein englisches Gedicht aus dem 15. Jahrhundert. Rutter hat sich dazu noch in so hohe Töne verstiegen, dass ein Laienchor schon mal an seine Grenzen kommen kann.
Die Kantorei hat deshalb vier Monate lang geprobt. Dann kamen die Generalprobe und das lange Einsingen am Samstag, und das Lampenfieber stieg wohl ins Unermessliche, weil da wohl nicht alles geklappt hatte. Aber das Wunder, und um nichts anderes geht es ja im Magnificat – Marias Lobgesang aus dem Lukas-Evangelium („Meine Seele preist den Herrn“). Vielleicht hat Maria geholfen, das Magnificat klang so rein und schön, dass Rutter vermutlich auch in den frenetischen Beifall eingestimmt hätte.

Den Sängerinnen und Sängern soviel Disziplin und Bessenheit abzuverlangen, ein solches Werk konzertant zu stemmen, schafft die Leiterin Birgit Henke mit viel Einfühlungsvermögen, wie ein Chormitglied fast ehrfürchtig bemerkt. Sie fördert und fordert, und während ihres Dirigats im Konzert sah man sie immer wieder anerkennend lächeln. „Daran merkt man, dass sie zufrieden war mit uns“, fügte ein Sänger an. Aber nicht nur musikalische Performance war gefordert, auch optisch sollte der Chor ein harmonisches Bild abgeben: Festliches Schwarz musste durch einen roten Kontrapunkt akzentuiert werden. Einige Chormitglieder haben das mit einem roten Schal, andere mit einer roten Fliege eingelöst.
Das Orchester mit Flöte, Oboe, Klarinette, Horn, Fagott, vier Violinen und Viola, Cello, Bass, Harfe, Pauken, Schlagzeug und Orgel spielte in dieser Zusammensetzung das erste Mal bei der Generalprobe.
Eine reizvolle Interpretation ist Henke auch bei dem alten Kirchenlied „Es ist ein Ros entsprungen“ gelungen. Die erste und die dritte Strophe waren zeitgenössisch, die zweite aus dem 16. Jahrhundert. Hier erschloss sich auch dem musikalischen Laien, welche stimmliche Disziplin der Chor erreicht hat. So zart wie eine hauchdünne Kristallvase ließ Henke das Werk erscheinen, die Sängerinnen und Sänger mussten sich wegen des extrem langsamen Tempos ein „chorisches Atmen“ antrainieren. Man hätte das Rieseln der Tannennadeln gehört, wenn der Christbaum schon gestanden hätte.

Es musizierten: Die Evangelische Kantorei Herrsching mit Projektsängerinnen Alamuntinga & Chorpretation, die Solistinnen Anja Jedlitschka, Brigitte Heigenhuber, Johanna Dömel, Amelie Scheffels; Uta Sasgen, Flöte, Dirk Michael Kirsch, Oboe, Lars Zolling, Klarinette, Victoria McBride, Horn, Elias Schneider, Fagott, Julia Munoz-Toledo, Birgit Abe-Graf, Dorothee Bertsch und Marie-Josefine Melchior, Violine, Susanne Mette, Sanna Müller, Viola, Lisa Pokorny, Violoncello, Ludwig Leininger, Kontrabass, Barbara Gollwitzer, Harfe, Andreas Langanki, Pauken, Wieland Schreiber, Schlagwerk und Christa Edelhoff-Weyde an der Orgel.